„Wie oft darf ich noch?“ – fragt sich Anna Rosa Döller
Die Liebe zum Beruf ist so groß, dass sie mit jeder Show, die vorbei ist, trauriger wird, sagt Anna Rosa Döller. Jetzt ist Vorfreude angesagt: auf „My Fair Lady“.
Anna Rosa Döller spielt heuer Eliza in „My Fair Lady“ © Vanessa Hartmann
Großmütter haben es oft richtig drauf. Freilich ist der Erfolg dieser Enkelin nicht zuletzt ihrem Talent und Ehrgeiz – und dem Rückhalt der ganzen Familie – zu verdanken, aber die Steine brachte nun mal Oma ins Rollen. Sie hat der kleinen Anna Rosa ein Video vom Kultmusical „Cats“ vorgespielt, „singen, schauspielen und tanzen auf einmal – das hat mich fasziniert“, erzählt Anna Rosa Döller und sie muss für die schöne Anekdote nicht allzu tief in ihrem Gedächtnis kramen: Sie ist erst 22 Jahre jung.
Sie wuchs in Ternitz, Niederösterreich, auf, ging fleißig zum Klavierunterricht und sang im Chor. Als ihre Chorleiterin Birgit Scheibenreif im selben Ort eine Musicalschule eröffnete, gehörte Anna Rosa zu den ersten Schülerinnen und stand schon neunjährig als Waldgeist in „Schneewittchen“ auf der Bühne. Wenig später sieht sie „Elisabeth“ in Wien und beschließt fix: „Das wird mein Beruf.“ Und obgleich für ihre Eltern der künstlerische Weg neu war – ihre Mama ist Volksschullehrerin, ihr Papa technischer Ingenieur –, „haben sie immer an mich geglaubt und mir Tanz- und Gesangsstunden ermöglicht. Sie haben gesehen, wie mein Engagement und meine Freude wachsen, und sind jeden Schritt mit mir gegangen, das bedeutet mir viel.“
Nach der Matura studiert sie an der Performing Academy Vienna; sie ist quasi im Finale, als sie für die Seefestspiele entdeckt wird. Heuer steht sie zum zweiten Mal in Mörbisch auf der Bühne: als Blumenverkäuferin Eliza in „My Fair Lady“. Im Vorjahr gab sie 25 Mal die Sophie in „Mamma Mia!“ – und es begann mit einer „klassischen“ Audition.
Ich war zehn, als ich „Elisabeth“ sah und beschloss: Das wird mein Beruf.
Anna Rosa Döller, Musicaldarstellerin
Ein Rückblick: Wie war dein Gefühl nach dem Vorsingen?
Anna Rosa Döller: Sehr gut, die Audition hat richtig Spaß gemacht. Dann vergingen zwei Wochen und ich bekam einen Anruf: „Du kommst für Sophie infrage.“ – Ich konnte es nicht glauben: Ich? Ich hatte mich fürs Ensemble beworben. Ich war ein Küken! Erst 20! Noch in der Ausbildung! Wenig später hat mich der Intendant Alfons Haider persönlich angerufen: „Frau Döller, wir hätten Sie gerne als Sophie in ,Mamma Mia!‘“ – Ich hab’ instantly zu heulen begonnen. Als ich aufgelegt habe, habe ich nur rumgeschrien, meine Studienkolleginnen haben sich gar nicht ausgekannt. (lacht) Der Anruf kam zu einem Zeitpunkt, als ich das Gefühl hatte, mir gelingt zu wenig Fortschritt. Es half sehr, neue Motivation zu finden.
Sprichst du von Selbstzweifeln?
Ja, davon ist man in diesem Job nie ganz frei. Es ist schwer, auf Abstand zu gehen: Ich bin meine Arbeit, ich nehme meine Arbeit, meinen Körper ja sogar ins Bett mit. Die Rolle in „Mamma Mia!“ zu bekommen, hat mir einen Kick gegeben. Dann ging alles schnell: Kostümproben, Promotionauftritte, erste Interviews und bald war ich auf der Bühne und die Menschen wollten plötzlich ein Foto mit mir. Manchmal fragen mich junge Leute auch nach Tipps für die Musicalbranche.
Was rätst du ihnen?
Dranbleiben, nicht verzweifeln, sich auch selbst Lob zusprechen und sich immer beruhigen: Es ist okay zu scheitern, das ist ein fixer Bestandteil des Berufes. Man bekommt insgesamt mehr Absagen als Zusagen. Ich hatte während meiner Ausbildung Annemieke van Dam als Gesangslehrerin und sie gab mir den guten Rat: „Mach so viele Auditions wie möglich, damit du die Abläufe kennst und lernst, mit Absagen umzugehen.“ Ich habe auf sie gehört und seit ich 17 war, mehrmals ein Nein gekriegt. Am Anfang war ich immer sehr traurig, aber ich habe mir eine dicke Haut zugelegt.
Wow, mit Anfang 20! Ich nehme gerne Tipps entgegen.
(lacht) Okay, die Schale ist hart, der weiche Kern bleibt. Das ist das Schwierige: Du musst in diesem Beruf abgehärtet sein, mit Zurückweisung umgehen können, gleichzeitig musst du emotional zugänglich sein, du brauchst im Spiel auf der Bühne deine Emotionen.
Wie hast du es bei „Mamma Mia!“ hinter den Kulissen erlebt?
Ich war anfangs sehr eingeschüchtert. Ich war ganz neu in dem Business, wollte alles perfekt machen und habe genau dadurch verschlossen gewirkt. Worauf man in der Öffentlichkeit achten sollte, lernt man ja nicht. Ich bin froh, dass mich Alfons Haider da gut durchgecoacht hat. Ich habe für mich gelernt, dass es besser ist, zu versuchen, authentisch und locker zu sein. Ich habe mich dann mit zwei Kollegen, mit Timotheus und Aeneas Hollweg, gut angefreundet – ab den Proben in Mörbisch war die Arbeit purer Genuss.
Wenn man so jung eine Hauptrolle
Anna Rosa Döller, Musicaldarstellerin
bekommt, ist die Erwartungshaltung groß.
Die große Open-Air-Bühne, 6.000 Menschen vor dir – wie war das?
Es wäre gelogen, wenn ich sage, ich wäre nicht nervös gewesen; wenn man so jung eine Hauptrolle bekommt, ist die Erwartungshaltung groß. Aber ich hatte so ein Glück mit dem Team: Ich war von allen die Jüngste und habe alle so unterstützend erlebt, alle wollten sichergehen, dass es mir gut geht, ich habe sehr viel emotionalen Support bekommen.
Und ja, die Bühne ist groß! Sieben bis acht Kilometer läuft das Ensemble pro Abend (lacht). Damit auch die 40. Reihe noch den vollen Genuss bekommt, müssen wir beim Spielen und Tanzen mehr ausholen, mehr Volumen in die Stimme packen. Da braucht die Stimme nach der Show eigene Rituale: Ich habe schon auf dem Heimweg in der Nacht inhaliert und nicht mehr viel kommuniziert, das haben die meisten getan.
Wenn meine Recherchen stimmen, hast du bei „Mamma Mia!“ jemanden etwas näher kennengelernt …
Ich wusste, dass die Frage kommt – aber ich liebe es, darüber zu sprechen. (lacht) Das ist die kitschigste Story überhaupt: Timotheus (Hollweg, Anm.), der Sky gespielt hat, und ich haben uns wirklich ineinander verliebt. Aber unsere Beziehung fing erst nach dem Sommer richtig an. Wir wollten nicht zu voreilig sein und uns auch im Alltag kennenlernen, wir dachten uns: Vielleicht ist das Leben im Sommer am See schöner als das echte Leben. Aber es hat super funktioniert – und das tut es noch!
Erzähl über „My Fair Lady“, ihr spielt die deutsche Fassung – was dürfen wir noch erfahren?
Das Musical wird modernisiert, „My Fair Lady“ wird im Jahr 2020 in Wien spielen, meine Eliza ist ein Punk mit Wiener Slang. Sie kommt aus bescheidenen Verhältnissen, verkauft Rosen und beherrscht ihre Muttersprache nicht so richtig. Dass sie immer sagt, was sie sich denkt, macht sie nicht gerade überall beliebt. Trotzdem hat sie eine verletzliche Seite und träumt von einer eigenen Blumenhandlung.
Du stehst wieder mit vielen namhaften Kolleg*innen auf der Bühne.
Ja! In den Hauptrollen spielen Mark Seibert, Marika Lichter und Herbert Steinböck.
Wie oft du heuer in Mörbisch spielen wirst, werden wir erst sehen – im Vorjahr war es 25 Mal. Mit welchen Gedanken gehst du da beispielsweise bei der 17. Vorstellung auf die Bühne?
Ich denke mir dann: Wie oft darf ich noch? Im Sinne von: Ich muss es noch auskosten! Je öfter ich „Mamma Mia!“ gespielt habe, desto trauriger wurde ich, dass es weniger wird. Es war kein Abend wie der andere und ich habe mich auf jede Show gefreut.
Trotzdem ist es natürlich harte Arbeit. Wie und wo schöpfst du Energie – hast du auch ein Hobby, mit dem man vielleicht nicht rechnen würde?
Bei meinem Freund, meinem Bruder, meinen Eltern, meinen Liebsten kann ich immer meine Batterien aufladen – und tatsächlich habe ich so ein Hobby (lacht): Ich liebe das Motorradfahren. Ich habe eine 300er Vespa, mit der ich am liebsten durchs Land fahre.
____________________
My Fair LAdy
Regie & Choreografie: Simon Eichenberger
Seefestspiele Mörbisch
11. Juli bis 17. August 2024
Karten und Infos: www.seefestspiele-moerbisch.at