Single-Frauen

Warum wir das Bild der Single-Frau geraderücken müssen

Verzweifelt & einsam?

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© Pexels/Ann Bugaichuk

Single-Frauen bekommen nicht nur auf Familienfeiern die eine oder andere Unterstellung zu hören – wir kennen es: zu anspruchsvoll, zu karrieregeil, zu egoistisch – sie werden obendrein in der Popkultur als verzweifelt oder gar frustriert dargestellt. Diese Vorverurteilungen und Stereotype sind gesellschaftlich tief verankert, weiß die Soziologin Laura Wiesböck, Autorin des Buches „In besserer Gesellschaft“.

„Unser System basiert darauf, dass Frauen sich unbezahlt um andere kümmern – um ihre Partner, Kinder, pflegebedürftige Angehörige. Verweigern sie diese Rolle, werden sie abgewertet“, sagt die Wissenschaftlerin. Dieses Thema sei deshalb auch eine politische Angelegenheit, denn: „Single-Frauen wirken destabilisierend auf eine patriarchal und kapitalistisch geprägte Gesellschaft, in der für sie vorgesehen ist, ‚im Namen der Liebe‘ eine hohe unbezahlte Arbeitslast zu tragen – und zwar auf Kosten ihrer finanziellen Sicherheit und ihres gesellschaftlichen Einflusses.“ Wenn sich Singles diesem System entziehen, sind Beschämungen häufig die Folge. „Das dient dazu, Menschen zu einem gewissen Verhalten zu drängen. In diesem Fall, dass Frauen ihrer fürsorglichen Rolle gerecht werden“, so die Soziologin.

Laura Wiesböck
Laura Wiesböck, Soziologin und Autorin des Buches „In besserer Gesellschaft © Laura Wichmann

Entscheiden sie sich also bewusst für das Leben allein, ruft das zunächst Irritation hervor. Wie Laura Wiesböck erklärt, gibt es in unserem gesellschaftlichen System ein männliches Anspruchsdenken auf positive Zuwendung von Frauen: „Das zeigt sich schon im Kleinen. Wenn zum Beispiel ein Flirtversuch abgelehnt wird, werden Frauen in manchen Fällen beschimpft.“ Frauen, die keinen Partner „brauchen“, widerstreben also diesem Anspruchsdenken. „Es ist ein Lebensmodell, das erklärungsbedürftig ist. Vor allem dann, wenn man bewusst nicht nach männlicher Anerkennung sucht“, weiß die Autorin. Das wird auch durch einen Blick in die
Vergangenheit deutlich.

Unabhängigkeit als Bedrohung.

„In der Geschichte haben gebildete Frauen ohne Paarbeziehungen wichtige soziale Bewegungen tonangebend mitangeführt. Somit stellen sie eine Bedrohung für konservative und rechte Lager dar“, so Wiesböck. „Historisch gesehen wurde der Wert von Frauen über die Zugehörigkeit von Männern definiert. Das zeigt sich bis heute in gewissen Bereichen, obwohl sich die Gesellschaft natürlich verändert hat.“ Junge Frauen sind heute finanziell unabhängiger, und damit vielleicht auch die ersten in der Familie, die allein wohnen und damit zufrieden sind.

Trotzdem wird das Single-Dasein bei ihnen oft als „mangelhafte Zwischenphase“ angesehen, weiß Wiesböck „Popkulturell gibt es für Männer ohne Paarbeziehung mehr positive Bilder, denkt man an das klassische Junggesellenbild“, erklärt die Soziologin. Auf die Realität lasse sich das aber nicht so einfach ummünzen: „Ein Mann über 30, der in einem kleinen Dorf wohnt und noch keine Partnerin hat, ist auch mit sozialem Druck konfrontiert“, weiß die Soziologin. Obwohl in Filmen und Medien Single-Frauen in der Regel unglücklicher präsentiert werden, sind sie Studien zufolge oft zufriedener als Single-Männer – und als einige Frauen, die in Beziehungen leben. Denn vergeben zu sein bedeutet nicht automatisch das große Glück.

Art der Beziehung wichtig.

„Beziehungen werden häufig mit glücklichen Partnerschaften gleichgesetzt, doch so ist es nicht immer. Für Frauen kann eine Paarbeziehung einer der gefährlichsten Orte sein. Und ein Ort, an dem sie ihre Karriere oder persönlichen Interessen zurückstellen“, erklärt Laura Wiesböck. Glücklicher macht eine Beziehung also nicht zwingend.

Ganz generell haben Frauen oft ein stärkeres soziales Netz als Männer. Ihre emotionalen Bedürfnisse leben sie vielfältiger aus, sagt Wiesböck: „Frauen beziehen emotionale Nähe und Intimität auch über Freundschaften, in denen sie tiefe Verbundenheit ausdrücken und Verletzlichkeit zulassen.“ Dieses freundschaftliche Verständnis widerspricht dem traditionell geprägten Männlichkeitsbild, in dem es keinen Platz für vulnerable Gefühle gibt.

Trennungen.

„Partnerinnen sind häufig die einzige Quelle emotionaler Intimität“, weiß die Soziologin. „Aus diesem Grund – wie auch dem Anspruchsdenken auf weibliche Zuwendung und der mangelnden Fähigkeit, gewaltfrei mit Schmerz umzugehen – kommt es bei Trennungen häufiger zu Gewalteskalationen.“ Umgekehrt ist das eher selten der Fall. Viele dieser Studienergebnisse basieren auf dem Modell der heterosexuellen Beziehung. „Die Forschung zu queeren Paarkonstellationen ist noch weniger weit vorangeschritten“, weiß Laura Wiesböck. Das Feld hat noch Aufholbedarf.

Single-Frauen
© Pexels/Anna Shvets

Single-Frauen leben gesünder. Thema einiger Studien ist übrigens auch die Gesundheit: Single-Frauen pflegen einen gesünderen und umweltfreundlicheren Lebensstil als alleinstehende Männer. „In heterosexuellen Paarbeziehungen nähern sich die jeweiligen Personen ein bisschen aneinander an. Das bedeutet für Frauen, dass sie ungesünder leben und umgekehrt“, so die Soziologin. Dass Männer von heterosexuellen Beziehungen profitieren, wird auch in diesem Bereich wieder deutlich. Frauen kümmern sich tendenziell auch mehr um das psychische Befinden ihres Partners. Deshalb kann es eine Entlastung sein, sich als Single nur mehr um sich selbst kümmern zu müssen.

Das betrifft auch den letzten Abschnitt ihres Lebens: „Witwen-Studien zeigen, dass Frauen in der
jetzigen Großeltern-Generation oftmals ein Gefühl der Befreiung empfinden, wenn ihre Partner versterben, da sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben auf ihre Bedürfnisse konzentrieren können“, so Wiesböck. Witwer hingegen trauern oft intensiv, weil sie in der Regel stärker von ihren Partnerinnen profitiert haben –
obwohl uns Medien immer wieder ein umgekehrtes Bild zu vermitteln versuchen.

Zusammengefasst erleben heute viele Single-Frauen ein Gefühl der Unabhängigkeit und der Befreiung. Es kommt jedoch auf die Lebensphase an, weiß die Soziologin: „Mit Eintritt der Mutterschaft erleben
viele Frauen eine starke soziale Isolation und finanzielle Einbußen, die sie oft nicht mehr aufholen können.“ In Gesellschaften, die auf dem Modell der Kleinfamilie basieren, stehen Alleinerziehende vor großen ökonomischen und organisatorischen Herausforderungen. „Wenn es rein um die Erziehung geht, gibt es strenggenommen aber auch Frauen in Paarbeziehungen, die das allein machen“, weiß Wiesböck.

In jedem Fall ist die jeweilige Situation der Frauen zu betrachten – Zufriedenheit hängt schließlich von vielen
Faktoren ab. Psychologisch gesehen kann eine liebevolle Paarbeziehung viele Vorteile bringen. Aus soziologischer Sicht gebe es aber einen großen Unterschied zu dem, wie das Single-Leben dargestellt wird und wie die gesellschaftliche Realität wirklich ist, so Laura Wiesböck. Bemitleidenswert sind Single-Frauen mit Sicherheit nicht.

© Hersteller

In besserer Gesellschaft von Laura Wiesböck, Verlag Kremayr & Scheriau, ISBN: 978-3-218-01133-4, um ca. € 22,-

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