Rita Hofmeister

Rita Hofmeister: Mein neues Leben

Inspirierende Mutmacherin lebt mit Endometriose und künstlichem Darmausgang.

8 Min.

Rita Hofmeister © Marion Ida, dieida.com


Endometriose ist eine chronische Erkrankung und ihr Stoma wird Rita Hofmeister voraussichtlich ein Leben lang haben. Trotzdem betont sie: „Das ist meine Gesundheitsgeschichte.“

Die Kollegin kam in ihrer SMS ohne Umschweife zur Sache: „Warst du das gerade auf der Mariahilfer Straße? Du schaust scheiße aus“, schrieb sie und Rita Hofmeister lacht, während sie davon erzählt. Viele Jahre, viele Erfahrungen, viel Leben liegen zwischen dieser SMS und heute. Die Kollegin hatte damals nicht nur gesehen, wie sie sich fühlte, sie motivierte sie zum „Impuls Strömen“, eine auf sanften Berührungen basierende Methode, mit der sie heute selbst Klient*innen unterstützt.

Rita Hofmeister wuchs in Mariasdorf im Bezirk Oberwart als die ältere von zwei Töchtern auf. Die Mama war Hauptschullehrerin, der Papa Ingenieur in Wien und Wochenpendler. Nach der Matura folgte ein Exkurs in ein Architekturstudium, der Funke sprang in der Werbeakademie über. Sie bekam vom Fleck weg einen Top-Job, wenig später ist sie im Gründungsteam einer der bekanntesten Agenturen Wiens. „Es hat mir wahnsinnig Spaß gemacht, interessante und kreative Menschen kennenzulernen und Strategien für Marken und Unternehmen zu entwickeln“, beschreibt sie. Sie feierte große Erfolge, hatte spektakuläre Dienstreisen und war erst Anfang 30 – wie konnte man da „scheiße“ aussehen?

Mit einem künstlichen Darmausgang (Stoma) bei Endometriose
Neue Lebensfreude. Mit einem künstlichen Darmausgang (Stoma) © Marion Ida, dieida.com

aufgabe Fürs Leben

Es ist ein bisschen wie mit Instagram: Man kann nur dahinterschauen, wenn einem der Blick dorthin gewährt wird. Rita Hofmeister hat sich eben das in den vergangenen Jahren zu einer Lebensaufgabe gemacht: die Offenheit im Umgang mit zwei Themen, die weitgehend als Tabu gelten. Und wenn ihr heute Menschen selbst aus Norddeutschland handgeschriebene Briefe schicken, in denen sie sich für ihr Engagement bedanken, „dann macht mich das zu einem sehr erfüllten Menschen“.

Sie war Mitte 20, als sie keine Lust mehr hatte, die Pille zu schlucken. Die Pause, die sie ihrem Körper gönnen wollte, mutierte zum Martyrium. Monat für Monat verschlimmerten sich ihre Regelschmerzen, oft konnte sie das Bett trotz starker Tabletten nicht verlassen. „Mein Gynäkologe sagte: ,Ich glaube, Sie haben Endometriose.‘“ Damit hatte sie „Glück“, sagt sie. Bis heute dauert es für viele Frauen Jahre, bis bei ihnen Endometriose diagnostiziert wird. Aber auch Pech, weil das Gespräch sie nachhaltig negativ beeinflusste. Es hieß, sie könne sich operieren lassen. „Aber ich müsste damit rechnen, dass ich ohne Gebärmutter, aber mit einem künstlichen Darmausgang aufwache. Das traf mich wie eine Watschen.“

Erste Operation

Zwei Jahre lang kämpft sie sich mit Schmerzmittel durch. Über die Endometriose Vereinigung findet sie einen Spezialisten – und hat bald Gewissheit. Dass sie ihm vor der Operation das Versprechen abrang, ihr weder ein Organ zu entfernen noch einen künstlichen Darm­ausgang zu machen, bereut sie heute ein bisschen. Vielleicht hätte das spätere Komplikationen verhindert, grübelt sie.

Wie sehr die Krankheit in ihrem Körper gewütet hat, stellte sich während der Operation heraus. „Es wurde irrsinnig viel Endometriose abgetragen, vom Bauchfell, dem Blasendach. Auch mussten elf Zentimeter Dickdarm entfernt werden, weil er so infiltriert war.“

Rita Hofmeister
Rita Hofmeister © Marion Ida, dieida.com

Als ich das erste Mal ohne Schmerzen eine Stunde spazieren war, habe ich vor Glück geweint.

Rita Hofmeister

Mehr als 40 Tage verbrachte sie danach auf Etappen im Spital; eine Narbe im Darm wollte nicht heilen. Fieber und Schmerzen quälten sie, zehn Tage lang musste sie künstlich ernährt werden. Dann war es plötzlich vorbei. Scheinbar.

Als sie wieder zu Kräften kommt, beschließt sie, eine Auszeit zu machen. Sie fliegt nach Indien, macht eine Ausbildung zur Yogalehrerin. „Heute frage ich mich, welcher Teufel mich da geritten hat, so eine Reise nach einer riesigen Darmoperation zu machen“, lacht sie. „Aber: In drei Monaten hatte ich ein einziges Mal Durchfall.“

Wieder daheim, kündigt sie ihren Job und arbeitet in der Werbung als Selbstständige weiter. Die Endometriose-Operation scheint gut geklappt zu haben. Yoga, Psychotherapie und „Impuls Strömen“ unterstützen sie dabei, neue Wege einzuschlagen. Sie lässt Beziehungen und Geschäftspartner „gehen“, die ihr nicht guttaten – und verliebt sich in eine Freundin. „Eine Frau! Das erste Mal mit 35! Das hat mein Weltbild verschoben, aber ich hab’ schnell gemerkt, wie gut mir das tut.“ Seit fast zehn Jahren ist sie glücklich mit der Werbefilmproduzentin Claudia Hofmeister verheiratet.

Beruflich verlagert sie ab 2015 komplett ihren Fokus, sie gibt Yogastunden und bietet „Impuls Strömen“ an. Sosehr sie das liebt und ihre Frau sie darin bestärkt, machte ihr zu schaffen, dass sie zum Haushaltseinkommen nunmehr weniger beitragen konnte. Parallel dazu schleichen sich erneut Verdauungsbeschwerden und Kreuzschmerzen ein, die massiv bis in den Oberschenkel strahlen. Zunächst alle paar Monate, dann alle paar Wochen, bis sie 2018 durchgehend schwere Schmerzmittel nehmen muss. Ein MRT fördert zutage, was sie nie vermutet hätte: An der alten Narbe am Darm hatte sich ein faustgroßer Abszess gebildet, „ein riesengroßer Entzündungsherd, der sofort rausmusste“.

Leben mit Künstlichen Darmausgang

Ein künstlicher Darmausgang taucht als eine von zwei Optionen auf, Rita Hofmeister will nichts davon hören und entscheidet sich für die andere Methode. Das bedeutete nach der Operation: zwei Wochen Spital und völlige Stuhl­inkontinenz, „die zwei entwürdigendsten Wochen meines Lebens“. Eines Nachts fragte sie eine Krankenschwester, die sie sauber machte: „Wa­rum haben Sie sich das angetan? Warum haben Sie sich nicht ein Stoma (künstlicher Darmausgang, Anm.) legen lassen? Das wäre viel einfacher.“ – „Ich habe mir damals gedacht, die spinnt“, sagt Rita Hofmeister.

Die Firma ihrer Frau beginnt zu florieren, nach dem Spitalsaufenthalt zieht sie für einige Wochen zu ihren Eltern, „sie haben mich aufgepäppelt, aber die Stuhlinkontinenz blieb“. Es wurde zwar besser, aber im Sommer darauf ging es ihr wieder zunehmend schlechter. „Mein Körper fühlt sich so an wie vor der Operation“, sagte sie zu ihrem Gynäkologen. Sie behielt recht. Obwohl das „kaputte Stück Darm“ bereits weg war, hatte sich an derselben Stelle erneut ein Abszess gebildet. Bis heute kann sich niemand erklären warum. Es wurden zahlreiche Untersuchungen durchgeführt, sie aß vegan, glutenfrei, ohne Zucker, verzichtete auf Alkohol – und doch hatte sie irgendwann nur noch Durchfall. An ihrem Tiefpunkt wog sie 46,5 Kilo.

Ich empfinde Dankbarkeit: dafür, was medizinisch möglich ist und was mein Körper schon alles geleistet hat.

Rita Hofmeister

Da ließ sie das erste Mal den Gedanken zu – und begann zu recherchieren, was ein Leben mit Stoma bedeuten würde. „Ich hatte eine völlig falsche Vorstellung“, gesteht Rita Hofmeister. Heute, mehr als vier Jahre nach ihrer Stoma-Operation, sitzt eine strahlende Frau in einem dünnen, hellblau gestreiften Kleid vor mir. Im Gespräch greift sie einmal bewusst auf ihr „Sackerl“, das in der Fachsprache elegant „Versorgung“ genannt wird, und ich höre ein zartes Rascheln. Andernfalls hätte ich nichts davon bemerkt.

Vereinfacht gesagt, wird bei einem Stoma der Darm durch ein Loch in der Bauch­decke „hinausgeleitet“, der Stuhl kommt in einen mit Vlies verkleideten dünnen Beutel. Es gibt trotzdem Menschen und Beziehungen, die daran zerbrechen, auch das schreibt sie in einem ihrer beiden bewegenden und fundierten Bücher (siehe Info). „Ich fühle mich heute nach einem enormen Leidensweg das erste Mal pumperlgesund. Meine Routine sieht anders aus, während andere aufs Klo gehen, leere ich meinen Beutel aus, aber meine Lebensqualität liegt heute bei 95 Prozent.“

Mutmacherin

Von der Stoma-Operation erholte sie sich schnell, „als ich das erste Mal mit meiner Frau eine Stunde spazieren gehen konnte, ohne Schmerzen und den ständigen Gedanken an ein Klo, habe ich vor Glück geweint. Unsere Beziehung ist noch besser geworden, erst im Nachhinein wurde uns bewusst, wie belastet unser Leben war, weil es mir so schlecht ging. Heute können wir alles machen, was vorher nicht möglich war.“

Sowohl mit ihrer chronischen Erkrankung Endometriose als auch mit ihrem Stoma geht sie bewusst offen um; neben ihren Büchern ist sie mit einem mutmachenden Instagram-Kanal (@rita_hofmeister) aktiv. Auch im Interview ermuntert sie mich, jede Frage zu stellen, und nimmt einen Gedanken, der viele Betroffene beschäftigt, vorweg: „Ja, ich furze auch, das habe ich nicht unter Kontrolle und in stillen Momenten braucht das durchaus Humor“, lacht sie. „Ich werde auch gefragt, ob es mir nicht graust, mein Sackerl zu entleeren. – Aber nein, es hat mir auch nicht gegraust, mir den Hintern auszuwischen.“

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