
Punto Rojo – Bio-Kaffee aus Peru mit gutem Gewissen
Anyela Olivera Torres de Spuller möchte mit ihrer Marke „Punto Rojo“ in Österreich Bewusstsein für den guten aromatischen Kaffee aus Peru schaffen.
Anyela und Willi Spuller © Punto Rojo
Kaffee und Liebe: Rund 700 Bäuerinnen aus Peru sind in der Kooperative „Café Femenino“ organisiert, damit sie eine Chance haben, fair für ihr qualitätsvolles Bioprodukt bezahlt zu werden. Die einzigen Importeure aus Österreich: die Spuller-Oliveras aus Wiesen.
Es begann mit einer Tasse Kaffee …
… und einem Missverständnis. Der Musiker und Komponist Willi Spuller aus Wiesen, damals noch Student, arbeitete sieben Monate bei einem Sozialprojekt in Peru als Gärtner. Durch Zufall kam er in jenes Restaurant in Cusco, dessen Frühstücksleiterin Anyela Olivera Torres war. Sie servierte ihm einen Kaffee, die beiden waren einander sympathisch und es entwickelte sich eine Freundschaft zwischen ihnen.



Eineinhalb Jahre später führte es den Musiker „zufällig“ erneut nach Cusco. Diesmal knisterte es schon energischer, doch Anyela hatte erst eine langjährige Beziehung hinter sich, sie zögerte. Nach ihrem letzten gemeinsamen Abend springt sie über ihren Schatten und schickt ihm eine Nachricht. Darin steht, er könnte ihr vor dem Heimflug doch noch einen Kuss dalassen.
Nun hatte aber Willi bei seiner ersten Perureise „das Pech“, dass sein engster Kollege ein deutscher Gärtnermeister war und der Vorarbeiter viel zu gut Englisch sprach. Kurzum: Sieben Monate vergingen, ohne dass er Spanisch gelernt hat. „Mein Englisch war auch nicht besonders gut, aber wir haben uns immer irgendwie verstanden“, lacht Anyela.
Eben bis zum Abschiedsmorgen
Sie sah ihre Message als Annäherung, doch Willi hatte für sich übersetzt: Sie braucht Zeit. Er verabschiedete sich also gentlemanlike und distanziert, während sie auf den ersten Kuss wartete. „Ich bin schon am Flughafen gesessen, als sie mir noch mal geschrieben hat, dass sie hofft, dass es mir nicht so schlecht geht wie ihr. Ich hab’ mich nicht ausgekannt.“
Übrigens: Es war 2008 und noch keine Rede von Google Translate und Co. Jedenfalls traf Willi wenig später einen Musikerkollegen, der ihm beim Übersetzen half, und zwar mit dem unverblümten Nachsatz: „Du bist ein schöner Trottel, die Frau wartet jetzt nicht mehr auf dich.“
Anyela tat es doch. Als das Missverständnis aufgeklärt war, klemmte sich Willi dahinter, Spanisch zu lernen, und Anyela Deutsch. Wenige Monate darauf landete ein Flieger in Schwechat mit der jungen Peruanerin, „seine Familie hat mich sehr herzlich aufgenommen, Willis Mama hat extra für mich Spanisch gelernt.“
11.000 Kilometer Distanz
Sieben Geschwister hat Anyela in Peru. Ihr Papa war Lehrer und starb leider 2019, ihre Mama ist Landwirtin und bearbeitet ein Grundstück im Regenwald, das auf 1.200 bis über 2.000 Meter liegt, 90 Kilometer flussaufwärts ist der Machu Picchu. „Sie hat eine schöne Mischkultur mit großen Avocado-, Mango- und Orangenbäumen – und dazwischen gedeiht prima Kaffee, ein Nachtschattengewächs“, weiß Willi Spuller.

Das Traurige ist: Eine Familie hätte sie trotz toller Produkte nie ernähren können, zum Beispiel die Orangen zu ernten, kostet sie mehr, als sie daran verdient.
Die Distanz von gut 11.000 Kilometern hielten Anyela und Willi nicht lange aus, 2009 heirateten die beiden; sie kam nach Österreich. „Ich habe Hotelmanagement studiert, meinen Beruf kann ich überall machen“, sagt Anyela. „Sie hatte in Peru einen Topjob, in Österreich hat sie zunächst Zimmer geputzt“, erinnert sich Willi. „Ich habe mich über den Job gefreut, das ist Teil meines Berufs, das Schlimme war nur, dass ich gleich um mein erstes Gehalt betrogen wurde und mich nicht verteidigen konnte, weil mir dafür noch die Worte fehlten.“
Ihr nächster Job führte sie ins Hotel Sacher, wo sie gerne zehn Jahre blieb. „Aber die Gastronomie neben drei Kindern ist sehr hart.“ Mikaela ist heute zwölf, Gabriel neun und Rafaela sechs Jahre alt.
Die Kinder sollten die Heimat ihrer Mama kennenlernen, zudem hat Anyela eine enge Bindung zu ihrer Familie, so fliegen die Spullers etwa alle zwei Jahre nach Peru. Was sie dort erleben, lässt ihnen keine Ruhe. „Die Strecke von Cusco zu Anyelas Mama ist etwa wie Wien–Linz, aber seit einem Murenabgang fehlen Zuggleise, man braucht acht, neun Stunden und muss über den Pass ausweichen, der bis auf 4.200 Meter raufgeht. Dort leben Menschen in Steinhäusern mit Blechdächern, die Kinder laufen im Schnee ohne Jacke und mit Sandalen herum“, beschreibt Willi. „Viele bekommen eine Lungenentzündung und einige sterben auch“, weiß seine Frau.
Sie starten Spendeninitiativen, kaufen Decken an, sammeln warmes Wintergewand, um sie den Menschen in Peru zu bringen. Aber die Not und die unfaire Handelssituation lassen ihnen keine Ruhe. Als sie den gut vernetzten Kaffeemissionar Rolando Ruiz kennenlernen, macht es schnell Klick.
„Ich wollte nicht reich werden, sondern ein Unternehmen gründen, um Landwirt*innen nachhaltig unterstützen zu können und um den Menschen bei uns die Qualität von Kaffee aus Peru bewusst zu machen“, beschreibt Anyela. Sie lernt das Konzept der Gesellschaft Proassa kennen, die unter anderem mit der Vorzeigekooperative „Café Femenino“ zusammenarbeitet, zu der in Peru rund 700 Bäuerinnen gehören.

Voller Tatendrang tritt Anyela nach einer Perureise 2019 den Heimweg an – mit dem festen Vorhaben, Bio-Kaffeeimporteurin zu werden. Doch davor sollte das Paar auf harte Proben gestellt werden. Zunächst musste die Familie ihre Heimreise unterbrechen, weil Anyela mit einem entzündeten Blinddarm im Krankenhaus von Barcelona notoperiert werden musste. Wieder gut erholt, startet sie von Wien und Wiesen aus mit dem Kaffeeimport. Willi war damals Musikschulleiter, heute lehrt er an der Musik Universität Wien; er unterstützt sie.
Doch kaum sind die ersten Bestellungen in die Wege geleitet, kommt Corona. „Wir hatten unsere Ersparnisse reingesteckt und überlegt: Was tun wir jetzt?“, erinnert sie sich zurück. Sie beschließen weiterzumachen und der Erfolg bestätigt ihren Weg. Die Marke „Punto Rojo“ ist mittlerweile bestens bekannt; selbst Röst-Pioniere wie Peter Affenzeller aus Freistadt oder Oliver Goetz, im Vorstand der Specialty Coffee Association of Austria, beziehen ihre Bohnen über sie. „Das ist so etwas wie ein Adelsschlag“, sagt Willi.
Was ist das Besondere an ihrem Kaffee?
Zunächst einmal – davon durfte ich mich in Wiesen überzeugen – schmeckt er köstlich. Die elegante Säure und die besonderen Aromen schmecke ich sogar als Neo-Kaffeetrinkerin heraus. Angebaut werden ihre Kaffees ausschließlich in Mischkulturen, zwischen Bananen, Mango und mehr. Im Gegensatz zu Anbaugebieten, wo Regenwälder für Monokulturen gerodet werden, spezialisierte sich Peru auf hochwertige Kaffees in kleineren Mengen.
Der Export ist möglich, weil die Landwirt*innen in Kooperativen organisiert sind. „Die Speciality Coffee Association gradet die Kaffees nach verschiedenen Komponenten: Mit 80 bis 85 Punkten ist die Rede von einem Spezialitätenkaffee, er muss etwa händisch geerntet sein, ab 85 lautet die Kategorie ,Excellent‘. Unsere Kaffees haben zwischen 84 und 87 Punkte“, erklärt Willi Spuller.

Eine eigene Wissenschaft ist das Rösten, für das er bei Punto Rojo verantwortlich zeichnet. Geröstet wird schonend, in kleinen Chargen. „Wir rösten nicht dunkel, dadurch ist der Kaffee nicht so bitter und für den Magen besser verträglich. Unsere Kaffees haben zum Beispiel Zitrus- und Bananennoten, würde man sie zu kräftig rösten, würde der Geschmack verbrennen“, beschreibt Anyela.
Dass sie als Peruanerin direkt aus ihrer Heimat importiert, sprach sich in der Szene herum. Mehrere Röster setzen auf ihren Kaffee. „Wenn unsere Philosophie zusammenpasst, ist das sehr gut. Ich habe uns nie in Konkurrenz zueinander gesehen, sondern dass wir gemeinsam mehr bewirken können. Das Schöne ist, dass ich nicht mehr ständig auf der Suche bin, sondern schon gefunden werde“, sagt Anyela.
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Kaffee-Verkostungsraum
Das letzte Jahr lief gut, möglich sei all das, weil alle zusammenhelfen. „Ohne die Unterstützung von Willis Eltern würde es nicht gehen“, sagt Anyela. Kürzlich bauten die Spuller-Oliveras das ehemalige Textilgeschäft auf der Hauptstraße in Wiesen zu ihrer Kaffeeoase um. Einmal im Monat ist fix geöffnet, immer wieder in Kombination mit schönen Events. Zuletzt machte Willi dort Musik, Burgtheater-Schauspieler Robert Reinagl las Weihnachtsgeschichten und ihre Kids boten selbst gemachte Seifen und Weihnachtsanhänger zum Verkauf an. Am 1. März gibt’s Vorträge und Austausch mit Frauen im Kaffeegeschäft, am 18. und 19. April lockt ein Ostermarkt und am 3. Mai gastiert der Verlag lex liszt 12 mit Autor*innen. Punto Rojo soll nämlich nicht nur ein gemütlicher Verkostungsraum sein, sondern auch zum Kommunikationsraum werden.
Infos: www.puntorojo.at