Clara Wolfram: Junge Frau mit kinnlangen braunen Haaren sieht über die Schulter in die Kamera

Feinfühlig, kämpferisch & verstoßen: Clara Wolfram spielt Marianne

Feinfühlig, kämpferisch und verstoßen: Clara Wolfram in „Geschichten aus dem Wiener Wald“

7 Min.

© Joachim Gern

Wenn Clara Wolfram von der Theatergruppe spricht, in der sie ihre ersten schauspielerischen Schritte machte, tut sie das mit strahlenden Augen und so viel Liebe, dass man die Szenen direkt vor Augen hat: Die spielenden Kinder am Bauernhof der Theaterleiterin, wo sie ihre Sommercamps hatten, den Heuboden, wo sie sich austoben durften, und die gemeinsamen Essen, die sie auch selbst gekocht haben. „Das war wirklich Bullerbü-mäßig“, erzählt sie (wie in Astrid Lindgrens fiktivem Dorf, Anm.). „Wir hatten es sehr lustig, wir haben viel Theater gespielt und Spiele selbst erfunden.“

Sie war fünf Jahre alt, als sie ins Wiener Kindertheater kam, „weil ich immer ein lautes, ausdrucksstarkes Kind war“, lacht sie im Interview – und ihr Hund, der sich soeben noch von der Wiedersehensfreude erholte, erwacht. Nach der Schauspielausbildung an der Hochschule Ernst Busch in Berlin und drei darauf folgenden Spielzeiten am Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin, Norddeutschland, ist Clara Wolfram im Mai wieder nach Österreich heimgekehrt und legt sofort mit Proben los: für Ödön von Horváths „Geschichten aus dem Wiener Wald“ – die heurige Produktion der Schloss-Spiele Kobersdorf.

Du wirst die junge Hauptfigur Marianne spielen, eine sehr spannende Rolle, wie erlebst du sie?

Clara Wolfram: Ich habe schon viele schöne Frauenrollen gespielt, aber diese berührt mich besonders.

Wer ist Marianne?

Sie ist die Tochter des „Zauberkönigs“, eines Ladenbesitzers, und kurz bevor die Verlobung mit ihrem Jugendfreund, dem Fleischer Oskar, bekannt gegeben werden soll, verliebt sie sich in einen anderen Mann, in Alfred. Da nimmt das Schicksal seinen Lauf und sie gerät gesellschaftlich total ins Strudeln.

In Wirklichkeit will sie einfach nur selbstbestimmt sein, selbst Geld verdienen und ihre Träume verwirklichen. Sie will tanzen, ist aber sehr in ihrem Rollenbild gefangen – und sagt dann auch zu ihrem Vater: Du hast mich ja nur für die Ehe erzogen. Dieses Gefangensein im Rollenbild kennen wir Frauen bis heute.

Was wichtig zu erwähnen ist: Marianne kämpft sehr für ihre Träume, ihre Liebsten und ihre Liebe, aber das kostet sie auch sehr viel.

Clara Wolfram: Aufnahme von 14 Menschen – ein Gruppenbild vor einer gemauerten dunkelroten Wand
Clara Wolfram als Marianne mit ihrem „Vater“ Wolfgang Böck und dem Ensemble © VOGUS

„Geschichten aus dem Wiener Wald“ wurde vor fast hundert Jahren uraufgeführt, es hat – leider! – nichts an Aktualität eingebüßt. Welche Botschaften und gesellschaftskritischen Aspekte transportiert für dich das Stück?

Es geht um die Abhängigkeit der Frauen von der Gesellschaft und von Männern, sei es nun beispielsweise der Vater oder der Partner. Marianne versucht intensiv, ihren Selbstwert zu behalten und Abhängigkeiten zu lösen. Viele Frauen – inklusive mir – sind damit aufgewachsen, dass der Selbstwert stark an die Bestätigung durch die Gesellschaft gekoppelt ist. Da selber auszubrechen, ist schwer, das dockt auch bei mir sehr an. Diese Situation in seiner vollen Tragik zu zeigen, ist jedenfalls auch für Menschen heute relevant.

Meine (Frauen-)Rollen befinden sich oft in patriarchalen Abhängigkeiten, so auch Marianne. Mir ist aber wichtig, keine Gefangenheit oder hoffnungslose Tragik abzubilden, sondern den Willen und die Möglichkeit, auszubrechen. Dieser Kampf rührt mich an Marianne.

Du hast deine Träume verwirklicht: Du stehst seit der Kindheit auf der Bühne und drehst Filme – zuletzt etwa: „Das Wunder von Kapstadt“ und die Serie „Beasts Like Us“. Wieso wurdest du Schauspielerin?

Ich hatte nie einen anderen Plan (lacht). Ich habe mit fünf Jahren im Wiener Kindertheater begonnen, die Gruppe dort wurde für mich wie eine zweite Familie. Das gab mir auch in meiner Jugend Halt und da hat sich auch der konkrete Wunsch geformt, Schauspiel studieren zu wollen. Das war mir zuerst zu naheliegend, aber dann ist mir schnell klar geworden: Ich will nichts anderes machen – ich kann nichts anderes so gut und nichts anderes macht mir so viel Spaß!

Ich habe praktisch jede freie Minute im Kinder­theater verbracht, habe viele Hauptrollen gespielt und bin auch sonst überall eingesprungen. Als wir älter waren, haben wir auch eine eigene Gruppe gegründet, das Wiener Jugendtheater, und selber Stücke erarbeitet.

Was magst du an deinem Beruf besonders?

Es geht immer um die Menschen – und ich mag die Leute sehr, die im Theater oder an einem Film arbeiten. Sie alle haben den Drang, eine Geschichte zu erzählen, Menschen zu beobachten und in neue Realitäten einzutauchen. Ich mag auch gerne klassische Texte, mich interessiert auch die Sprache sehr.

Du hast drei Spielzeiten am Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin gespielt – wieso wurde es das Theater im hohen Norden?

Während meiner Schauspielausbildung kam die Pandemie, danach wollte ich unbedingt wieder ganz, ganz viel lernen, spielen, weitermachen. Schließlich hatte ich drei Angebote, darunter auch ein etwas größeres Haus. Aber das Vorsprechen in Schwerin war so wahnsinnig zugewandt und freundlich, dass ich mich dann aus dem Bauch heraus dafür entschieden habe.

Ich hatte dort das Gefühl, ich werde gesehen, man will dort mich, sie wollen nicht bloß eine junge Schauspielerin, sie haben eine Idee mit mir.

So war es auch: Ich habe von diesem Theater und von dieser Stadt so viel Vertrauen bekommen und habe viele tolle Hauptrollen gespielt. Darunter waren beispielsweise Julia in „Romeo & Julia“, Luise in „Kabale und Liebe“ und in „Ein Mond für die Beladenen“ bin ich als Josie Hogan zweieinhalb Stunden durchgehend auf der Bühne gewesen.

Diesen Auftrag zu haben, an einem wirklich guten Haus mit tollen Kolleg*innen spielen zu dürfen, das war schon etwas ganz Besonderes.

Clara Wolfram: Portrait einer jungen Frau mit großen blau-grauen Augen die über die Schulter in die Kamera blickt
Ich mag es sehr, Menschen zu beobachten und in neue Realitäten einzutauchen. Clara Wolfram, Schauspielerin © Joachim Gern

Ich mag es sehr, Menschen zu beobachten und in neue Realitäten einzutauchen

Clara Wolfram, Schauspielerin

Apropos Haus: Ein Dach wirst du bei den Schloss-Spielen in Kobersdorf nicht überm Kopf haben. Wie blickst du dem Spielen unter freiem Himmel entgegen?

Ich freue mich darauf! Ich habe auch in Schwerin Freilufttheater gespielt, das ist immer aufregend wegen der Wetterbedingungen.

Wenn du in Norddeutschland im Freien gespielt hast, werden dich graue Wolken über Kobersdorf kaum erschrecken …

Stimmt, in Schwerin wurde selten abgesagt. Es ist ja auch ganz lustig, im Regen zu spielen. Wenn alle da sind, kriegt man noch mal eine ganze andere Verbindung zum Publikum. Wir sind auf der Bühne dankbar, dass die Zuschauer*innen bleiben, und sie sind dankbar, dass wir weiterspielen. Das schafft dann einen besonderen Zusammenhalt, gemeinsam stehen wir’s durch (lacht).

Eines haben wir noch nicht angesprochen: Du singst auch …

Ich liebe singen! Wir haben an der „Ernst Busch“ in Berlin auch Gesangsabende gemacht, das hat mir viel Spaß gemacht – und ich habe dann beim Bundeswettbewerb für Gesang und Chanson einen Preis gewonnen.

Marianne ist nun keine Gesangsrolle, wird man dich trotzdem bei den Schloss-Spielen singen hören?
Vielleicht (lacht).

Okay, da müssen wir uns überraschen lassen.

Plakat der Schloss-Spiele Kobersdorf. Älterer Mann mit Glatze schaut verdrießlich an einem vorbei
© Schlossspiele Kobersdorf

Schloss-Spiele Kobersdorf

Regie: Michael Gampe.

Es spielen neben Intendant Wolfgang Böck: Clara Wolfram, Nils Hausotte, Alexandra Hilverth, Johanna Mertinz, Reinhold G. Moritz, Alexandra-Maria Timmel, Lukas Haas, Christoph-Lukas Hagenauer, Ale­xander Strobele, Tristan Witzel, Jo Bertl, Peter Faerber.

www.schlossspiele.com

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