Frau mit sommerlichen Blümchenkleid liegt in der Wiese mit einem Buch vor dem Gesicht

Die Oma vergisst – aber die Erinnerungen, die bleiben

Die südburgenländische Autorin Rosa Schaberl erzählt in ihrem Buch zärtlich und lebensnah vom Abschiednehmen, vom Zauber vergessener Momente und davon, wie selbst Demenz eine unerwartete Leichtigkeit schenken kann.

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Rosa Schaberl ist in Wien geboren, aufgewachsen jedoch im burgenländischen Güssing bei ihrer Oma – jener Frau, die später zur Hauptfigur ihres ersten Buches werden sollte. Als Jugendliche war sie Leistungsschwimmerin, sammelte Auszeichnungen für das Burgenland und trainiert bis heute Kinder und Senior*innen im Wasser. Nach einem Studium der Landschaftsarchitektur und Publizistik etablierte sie sich als Architekturjournalistin mit Fokus auf Stadtplanung, Nachhaltigkeit und weibliche Perspektiven auf urbane Räume.

Vogelperspektivenaufnahme einer hübschen Frau mit braunen langen Haaren und einem sommerlichen Blümchenkleid die hinauf blickt
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Nicht nur Verlust

Der Weg zum Buch „Als meine Oma beschloss zu vergessen“ begann mit einer Blumenwiese. Dort saß sie vor einigen Jahren mit ihrer an Demenz erkrankten Großmutter, die in dem Moment nicht mehr wusste, dass sie eine alte Frau war, und stattdessen Geschichten aus ihrer Jugend erzählte.

Schaberl hatte ihr Diktiergerät dabei, nahm das Gespräch auf – und fand später darin die Inspiration für eine Geschichte, die Kindern und Erwachsenen gleichermaßen zeigen soll: Demenz bedeutet nicht nur Verlust, sondern kann auch Momente der Freiheit, Nähe und Leichtigkeit bringen.

Close-up einer hübschen Frau mit braunen langen Haaren und einem sommerlichen Blümchenkleid
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Ich habe versucht mit meiner Oma mitzuleben. Ja, sie war manchmal sehr kindlich, aber auch sehr befreit – und das kann man positiv sehen.

Rosa Schaberl

„Meine Oma war nicht ‚komisch‘ oder ‚gspoasig‘, wie es früher oft geheißen hat. Sie war krank“, sagt Schaberl und wollte ihrer Großmutter mit dem Buch ein Stück Würde zurückgeben, wenngleich ihr dies nur posthum gelungen ist. Vor allem möchte sie die positiven Seiten sichtbar machen – eine Haltung, die in einer Leistungsgesellschaft, wo „Defizite oft mehr Beachtung finden als Erfolge“, selten ist.

„Ich hatte natürlich das Privileg als Enkeltochter, dass ich in die Erkrankung meiner Oma relativ unbeschwert eintauchen konnte, das ist bei pflegenden Angehörigen natürlich schwieriger. Ich habe versucht mit meiner Oma mitzuleben. Ja, sie war manchmal sehr kindlich, aber auch sehr befreit – und das kann man positiv sehen.“

Alle Generationen

Leider erlebte die Oma das Entstehen des Buches nicht mehr. Kurz nach ihrem Tod begann Schaberl zu schreiben – es war ein zutiefst emotionaler Prozess, den sie nicht allein gegangen ist. Mit der Illustratorin „Frau Isa“, einer Graffitikünstlerin, und der Belegschaft des „Verlag für moderne Kunst“ entstand ein feinfühliges Team, das ihr Raum für Trauer und Kreativität gab.

Das Buch beginnt mit einer Szene, in der die Oma vergisst, wie viele Kekse sie schon gebacken hat, und deswegen immer weiter bäckt. „Kinder interessiert bei den Lesungen brennend, wie viele Kekse es wirklich waren, wohingegen Erwachsene bei Lesungen oft von ihren eigenen Erfahrungen mit an Demenz Erkrankten sprechen.“ Dass ihr Buch alle Generationen anspricht, hätte sich Rosa Schaberl zunächst nicht gedacht, berührt sie aber zutiefst.

Kinderbuch Doppelseite mit einer Omi die am Stock durch's Wohnzimmer geht
© Verlag

Seit Erscheinung des Buches im letzten Herbst absolvierte Schaberl viele Lesungen nicht nur in Kindergärten, sondern auch in Senior*innenheimen. Bei ihrer ersten Lesung in Güssing erzählten Besucher*innen aus der Region bewegende Geschichten über ihre Oma. „Sie hatte immer ein leeres Marmeladenglas in der Schürze mit. Ich wusste nicht warum. Bei der Lesung hat mir eine Frau, die meine Oma gut kannte, erzählt, dass sie das Glas immer bei sich hatte, um für uns Kinder Walderdbeeren zu sammeln.“ Für die Autorin waren diese Erzählungen von Bekannten, als würde ihre Großmutter noch ein Stück länger bei ihr bleiben.

Glitzerglas

Neben der Literatur ist der Sport Schaberls zweites Standbein. Bewegung, Gemeinschaft und Wasser sind für sie Lebenselixiere – und ein Schutz vor sozialer Vereinsamung, deswegen rät sie dies auch allen zur Vorbeugung gegen Demenz. In Zukunft möchte sie weitere Bücher schreiben, vor allem zu Natur- und Umweltthemen, aber auch zu psychischen Erkrankungen. Ihr Ziel: Krankheiten, die Erwachsene betreffen, Kindern verständlich machen, ohne sie zu verschweigen. „Man kann Kindern viel mehr zutrauen, als man denkt“, sagt sie.

Aus der Arbeit am Buch hat sie auch persönlich etwas mitgenommen: den Wert, positive Erinnerungen bewusst zu trainieren. Gut dafür ist ein „Glitzerglas“ – ein Glas voller kleiner Post-its mit kurzen Notizen von schönen Momenten, die dann am Jahresende gemeinsam gelesen werden. Eine einfache, aber wirkungsvolle Übung, um die hellen Seiten des Lebens festzuhalten.

Buchcover eines Kinderbuches mit einer Omi und einem Mädchen mit einem großen Vanillekipferl in den Händen
Als meine Oma beschloss zu vergessen von Rosa Schaberl Hardcover, € 20,– © Verlag

Mit ihrem Buch, das auf oma-vergisst.at vorgestellt wird, hat Rosa Schaberl nicht nur ein literarisches Denkmal für ihre Großmutter geschaffen, sondern auch eine Brücke zwischen den Generationen – voller Wärme, Humor und einer Prise Kekskrümel.

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