Abschied: Person mit kunstvollem Totenkopf-Make-up und Kopfschmuck aus roten Rosen vor rotem Hintergrund.

Abschied: Wie andere Kulturen dem Tod begegnen

Lebendig Abschied nehmen

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Abschied kann laut, bunt und lebendig sein: In vielen Kulturen wird der Tod nicht gefürchtet, sondern gefeiert – als Teil des Lebens, als Rückkehr zu den Ahnen, als Moment der Gemeinschaft und des Erinnerns. Die BURGENLÄNDERIN hat dies­­­be­züglich einmal die Welt umrundet.

Flagge von Mexiko rund
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Abschied nehmen in: MEXICO

„Día de los Muertos“, wenn die Ahnen zurückkehren

In Mexiko wird der Tod nicht nur akzeptiert, sondern stolz in Erinnerung gerufen. Während viele Kulturen Trauer mit Schwarz verbinden, feiern die Mexikaner ihre Verstorbenen durch Farben, Ausgelassenheit und liebevolle Gestaltung. Día de los Muer­tos findet am 2. November statt (gefeiert wird er aber schon ab 31. Oktober) und verbindet katholische Allerseelen-Tradition mit den vorspanischen Bestattungsritualen der Azteken, Maya und Co.

Familien richten zu Hause oder am Grab eine „Ofrenda“ ein – einen Altar mit Fotos der Verstorbenen, deren Lieblingsspeisen und -getränke, Kerzen, Blumen und Zuckerschädeln („Calaveras“). Auf diese Weise lädt man die Seelen der Liebsten zu Besuch ein – ein Wiedersehen, das mit Musik, Straßenfesten und Tanz gefeiert wird. 
Ein sympathischer Gedanke dabei: Der Tod ist kein endgültiges Verschwinden, sondern ein Übergang – und die Lebenden setzen Zeichen der Erinnerung. In vielen Orten Mexikos wird sogar auf Friedhöfen gefeiert, graue Trauer wird ersetzt durch leuchtende Farben, lachende Gesichter, fröhliche Tänze.

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Flagge von Neuseeland
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Abschied nehmen in: NEUSEELAND

Gemeinschaft, Worte und Lebensfeier im Tangi

Ganz anders, doch genauso eindrucksvoll, ist die Trauer- und Abschiedskultur der Māori in Neuseeland: das sogenannte Tangihanga („Tangi“). Dieses Ritual dauert häufig mehrere Tage und nimmt Raum für Weinen, Loben, Erinnern und Loslassen. 

Abschied: Totempfahl in grüner Landschaft mit Berg und See im Hintergrund.
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Vom Moment des Todes an liegt die verstorbene Person oft in der „Wharenui“, der Versammlungshalle des Stammes, wo Familie und Gemeinschaft sie besuchen und sprechen dürfen – oft mit gemischten Gefühlen: Trauer, Humor, Erinnerungen. Es gilt: Niemand bleibt allein – sowohl die Verstorbenen als auch die Trauernden nicht. Am Tag der Beerdigung folgt eine Zeremonie mit Reden, Gesang („Waiata“), Gebeten („Karakia“) und oft einem gemeinsamen Mahl. 

Was hier besonders ist: Es gibt Raum für Emotionen, für gemeinsames Erinnern, aber auch für eine bewusste Rückkehr zur Ahnenwelt – der Tod wird nicht schlicht verborgen, sondern in Gemeinschaft erlebt. Insofern ist der Abschied Teil der Lebendigkeit: Wenn Menschen sich versammeln, singen, reden, Anteil nehmen, dann wird Abschied zum Akt der Würde und des Abschließens.

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Flagge von den Niederlanden
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Abschied nehmen in: NIEDERLANDE

Lockerer Abschied im Kreis vieler

Auch in Europa existieren Formen des Abschieds, die sich vom klassischen, stillen Bild unterscheiden – etwa in den Niederlanden. Dort wird Beerdigung zunehmend als Feier des Lebens verstanden, nicht nur als Trauerfeier. Bestattungshäuser und Friedhöfe sind gestaltlich so konzipiert, dass die Gemeinschaft sich treffen, erinnern, erzählen kann. 

Beim sogenannten Band- oder Schleifen-Ritual („Ribbon Ritual“) greift ein*e Angehörige*r eine Band-Schlaufe vom Sarg und schneidet sie durch – ein symbolischer Abschluss des Abschieds. Auch ist es üblich, nach der Trauerfeier gemeinsam zu trinken und kleine Gesellschaften zu bilden: etwa mit Snacks, Gesprächen, die nicht nur schweigend vor dem Sarg stattfinden. 

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Flagge von Japan
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Abschied nehmen in: JAPAN

Totenwache und Etiketten

In Japan sind moderne Bestattungsriten stark buddhistisch geprägt: Typische Elemente sind eine Totenwache („Otsuya“), eine Trauerfeier, die Einäscherung und anschließend das Ritual des „Kotsuage“, bei dem Familienmitglieder mit Stäbchen die Knochen aus der Asche bergen und in eine Urne legen. 

Abschied: Buddhistischer Mönch betet mit Gebetskette vor einer Gedenktafel mit japanischer Inschrift.
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Ein besonderes Detail: Beim Übergang vom Leben zur Bestattung werden bestimmte Etiketten geachtet – z. B. wird der Leichnam oft mit dem Kopf nach Norden oder Westen ausgerichtet. Auch Reinheit und Unreinheit spielt eine Rolle: In manchen Regionen gilt der Umgang mit dem Toten als Makel („Kegare“) und es wird eine rituelle Reinigung vorgenommen.

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Russische Flagge
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Abschied nehmen in: RUSSLAND

Respekt vor der Schwelle

Russische Beerdigungen vereinen orthodoxe Glaubensrituale mit alten Volksbräuchen. Typisch ist, dass Verstorbene drei Tage zu Hause aufgebahrt werden – damit Angehörige Abschied nehmen können. Am dritten Tag findet die Beisetzung statt, begleitet von Gebeten und Weihrauch.

Abschied: Schüssel mit traditionellem Mohn-Gericht, daneben Honig und Rosinen.
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Viele alte Bräuche dienen dazu, den „Geist des Toten“ zu schützen – oder ihn davon abzuhalten, zurückzukehren. So deckt man einen Spiegel ab oder dreht ihn um, damit sich die Seele nicht darin verirrt. Auch die Fenster werden kurz geöffnet, wenn der Sarg hinausgetragen wird, um der Seele den Weg zu weisen.

Auf dem Weg zum Friedhof streut man Tannenzweige oder Blätter, um den Übergang zu markieren – und auf dem Rückweg geht man bewusst einen anderen Weg, um symbolisch „nicht den Tod heimzutragen“. Nach der Beisetzung wird gemeinsam Kutja gegessen, ein süßes Weizengericht mit Honig und Mohn. Es steht für neues Leben nach dem Tod  – und dafür, dass jedes Ende auch einen Anfang in sich trägt.

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Flagge von Jamaika
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Abschied nehmen in: JAMAIKA

Wenn Trauer zur Feier wird

In Jamaika ist der Tod kein stiller Abschied, sondern ein Fest des Weitergehens – und eine zentrale Rolle spielt dabei die „Nine Night“. Diese Versammlung richtet sich nach dem Glauben, dass die Seele („Duppy“) des Verstorbenen für bis zu neun Nächte bei den Lebenden verweilt und am neunten Abend endgültig weiterzieht. Um dies zu unterstützen, werden altüberlieferte Rituale durchgeführt: Spiegel werden umgedreht, Möbel umgestellt, die Matratze verkehrt hingestellt – damit sich der Geist nicht heimisch fühlt und den Weg ins Jenseits finden kann.

Während der Feier treffen sich Familie, Freund*innen und Nachbar*innen: Es wird gesungen, Geschichten erzählt über das Leben der Verstorbenen, Essen und Trinken geteilt. Früher waren Trommeln und Tanz Teil des Rituals; heute sind es eher ausgelassene Partys mit Live-Band, teurem Cognac und gutem Essen. Auch wird das Grab gemeinsam ausgehoben („Grave Diggin’“) – unter Musik, Essen und Gesprächen – und nach der Beerdigung folgt der „Repass“, ein geselliges Beisammensein zur Trauerbewältigung. Die Rituale sind Ausdruck dafür, dass Abschiednehmen in Jamaika Gemeinschaft bedeutet – Erinnerung an Leben statt nur Trauer über Tod.

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