Gemma, gemma

Magdalena und Julia Prötsch gründeten die Band Idemo gemeinsam mit zwei Künstlern. Ein Ausnahme-Ensemble, wie Interview und Bilder beweisen.

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Nikola Zeichmann, Julia Prötsch, Magdalena Pfaffeneder und Philipp Zach sind „Idemo“. © Christoph Liebentritt

Wie vielfältig die burgenländische Kultur ist, wissen selbst die im Burgenland lebenden Menschen oft nicht. Julia Prötsch und Magdalena Prötsch (die jetzt eigentlich Pfaffeneder heißt) vereinen die traditionelle burgenländische Volksmusik mit einer Me­lange aus Pop, Jazz und Improvisation. Dabei kommt Julia aus einem gänzlich anderen Genre, sie war stets im Pop und Indie beheimatet.

Ihr Instrument ist das Schlagzeug, sie spielte bereits in vielen verschiedenen Gruppen, gründete mit einem guten Freund ein erfolgreiches Pop-Duo, war monatelang auf einem Expeditions-Kreuzschiff mit der Bord-Band unterwegs und arbeitete im Kulturforum der österreichischen Botschaft in New York – heute lebt und unterrichtet sie in Wien.

Einstweilen zog es ihre Schwester Magdalena der Liebe wegen ins Mostviertel, wo sie seit Jahren in diversen Chören singt, ihre musikalische Vorliebe gilt dem Klavier und der Geige.

Beide Schwestern sind im Brotberuf Lehrerinnen und unterrichten Französisch und Musik – Magdalena in Steyr, Julia in Wien. Und weil Magdalena sich immer schon mit Musikgeschichte beschäftigte und ihre Liebe zur Volksmusik sie antrieb, durchforstete sie Archive und arbeitete diese wissenschaftlich auf. Dabei berichtete sie ihrer Schwester Julia immer wieder davon, wie viele Kulturschätze die burgenländische Volksmusik doch berge. 2019 haben die beiden die Idee geboren, diese Lieder neu zu interpretieren und aus der Versenkung zu heben.

Texte, die von Großeltern und Urgroßeltern gesungen wurden, vornehmlich zum Abschied der Auswanderer oder zu anderen Lebenssituationen. Schnell hat sich die Idee geformt und daraus wurde ein Zusammenschluss mit den zwei burgenländischen Künstlern Philipp Zach und Nikola Zeichmann. Seit 2020 kann die Band auf zahlreiche Auftritte zurückblicken und nun veröffentlicht „Idemo“ im Oktober ihr erstes Album: „Pannonian Farewell“.

Worauf nehmt ihr mit dem Titel eures ersten Albums Bezug und warum habt ihr den Bandnamen „Idemo“ gewählt?

Magdalena: Themen, die jeder Burgenländerin in sich trägt. Die Geschichte reicht zurück in die Lebenswelten vieler Burgenländer*innen vom 19. bis ins 21. Jahrhundert. Wir haben diese alten Lieder neu arrangiert, aber auch ganz neue geschaffen. Dabei stehen Menschen im Mittelpunkt, die durch ihr Leben eine Auseinandersetzung mit Geschichte auf verschiedenen Ebenen ermöglichen und begreifbar machen. Menschen wie Peter Menasse, der über seine jüdische Großmutter erzählt, die mehrmals in ihrem Leben flüchten musste, oder Dr. Walter Dujmovits, der in seinem Buch über die verschiedenen Phasen der Auswanderungsbewegung schreibt.

Julia: Die Lieder früher handelten von Abschied und was die Leute gesungen haben im Dorf, wenn der Sohn mit dem Schiff die Heimat verlassen hat. Die Themen sind Veränderung, Loslassen, Weiterziehen, Verabschieden, aber auch Ankommen. Das drückt auch unser Bandname aus: „Idemo“ ist Burgenland-Kroatisch und bedeutet so viel wie „Gemma“. Unsere Mama ist Burgenland-Kroatin. Magdalena und ich können leider nicht Kroatisch, aber einige Wörter haben uns unser Leben lang begleitet – und „Idemo“ gehört dazu.

Magdalena: Das Burgenland war immer eine Grenzregion, es ging immer ums Kommen und Gehen, und das bis in die heutige Zeit – seien es die Fluchtbewegungen oder das Pendlerleben der jungen Leute. Freitag zusammenpacken und runterfahren, Sonntag zusammenpacken und rauffahren. Wir wollen die Stimmung von damals einfangen und sie ins Heute ziehen. Wir lieben die Sprachenvielfalt und alles, was das Burgenland ausmacht. Aber es ist nicht immer nur happy peppy, sondern es hat auch viel Melancholisches drin, viele Balladen. Manche Lieder wirken sehr schwer, vielleicht auch durch den Rotwein, der immer schon gerne im Burgenland getrunken wurde (lacht).

Julia Prötsch © Jennifer Vass

Ich komme aus einer ganz anderen musikalischen Ecke, aber
Magdalena hat mich mit ihrer Liebe zur Volksmusik angesteckt.

Julia Prötsch
Ihr beide hingegen wirkt alles andere als melancholisch. Wie würdet ihr euch gegenseitig beschreiben?

Magdalena: Julia ist sehr fokussiert. Sie weiß genau, was sie will, und alles, was sie macht, hat Hand und Fuß. Sie plant bis ins kleinste Detail. Sie hat sehr viel Band-Erfahrung und auch auf Social Media ist sie sehr firm. Als Typ ist sie lebenslustig und humorvoll.

Julia: Von Magdalena kann ich mir eine Scheibe Gelassenheit abschneiden. Sie ist es gewohnt, spontan zu sein und sich rasch auf neue Situationen einzustellen. Von ihr habe ich in den letzten Jahren sehr viel über das Burgenland gelernt, was mir gar nicht bewusst war. Dass wir nach so vielen Jahren nun endlich miteinander Musik machen, ist etwas ganz Besonderes – und Lebenslust und Humor teilen wir uns auch (lacht).

Magdalena Pfaffeneder © Jennifer Vass

Das Burgenland war immer eine Grenzregion, in der es ums Kommen und Gehen ging – bis heute.

Magdalena Pfaffeneder
Was fasziniert euch an der burgenländischen Volks­musik?

Magdalena: Im Burgenland gibt es so viele Sprachen und Kulturen. Für mich war das immer normal. Erst im Rahmen meines Studiums habe ich bemerkt, wie außergewöhnlich das eigentlich ist, weil andere das so bewundert haben. Ich habe daraufhin viel geforscht – über die traditionellen Lieder, über die Auswanderung, über die verschiedenen Kulturen und Sprachen.

Julia: Ich komme aus einer gänzlich anderen musikalischen Ecke. Das hängt mit „meinem“ Instrument zusammen, dem Schlagzeug. Das gibt es in der burgenländischen Volksmusik nicht wirklich (lacht). Ich habe in vielen Formationen gespielt, auch in Orchestern, und tue das immer noch gerne. Aber Magdalena hat mich mit ihrer Liebe zur Volksmusik angesteckt und ich habe immer wieder fasziniert gelauscht, was sie alles herausgefunden hat bei ihren Recherchen.

UNKONVENTIONELL. Die vier Künstler*innen machen Musik, über die sich in dieser Form noch niemand drüber­getraut hat.
© Christoph Liebentritt
Macht es die räumliche Distanz zwischen Mostviertel, Wien und Burgenland (in Mannersdorf treffen sich die Schwestern regelmäßig in ihrem Elternhaus) nicht schwierig, ein gemeinsames Projekt zu verwirklichen?

Magdalena: Wir haben beide fast volle Lehrverpflichtungen und es ist logistisch oft eine Herausforderung. Stimme schonen gibt’s da nicht. Den 28 Kindern in der Klasse ist es egal, was ich am Abend noch abliefern muss. Aber das ist andererseits auch gut, weil das erdet mich (lacht).

Julia: Es geht das ganze Jahr ziemlich ab, manchmal ist es Leben am Limit (lacht). Von der Schule fahre ich oft direkt ins Studio, das Wochenende wird gespielt, das nächste Wochenende mit einer anderen Band geprobt. Für Idemo und unser erstes Album machen wir auch alles selber. Ich habe das Label gegründet und wir machen auch die Pressearbeit, das Booking und die Grafik selbst.
Wir sind keine herkömmliche Band, die einfach ein Konzert spielt und dann von der Bühne verschwindet. Wir verbinden unsere Konzerte oft mit Lesungen oder Kulturveranstaltungen, beziehen das Publikum mit ein, erzählen etwas auf der Bühne und bringen die Menschen zum Nachdenken. Es geht uns auch darum, etwas weiterzugeben.

© Christoph Liebentritt


Album-Release & weitere Termine:

  • SA, 07.10.: Kanning (NÖ)
  • MI, 11.10.: Gymnasium Mattersburg (Jeunesse-Konzert)
  • SA, 21.10.: Album-Release im Gasthaus Pröstl/Schani, Mannersdorf a. d. Rabnitz
  • MI, 25.10.: Album-Präsentation, Hrvatski Centar/Kroatisches Zentrum, 1040 Wien

www.idemo.at

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