Der Lohn ist die Freude der Menschen
Die Recherche mancher Geschichten macht besonders demütig. Hier ist eine davon – basierend auf Gesprächen mit Burgenländer*innen, die helfen und erklären, wie man an ihren Projekten mitwirken kann.
Konzentration geht nur mit vollem Magen © Marys Meals
Schöner hätte seine eigene Kindheit nicht sein können, erzählt Christian Stelzer. Er wuchs in Rohrbach an der Teich, in der Nähe von Großpetersdorf, auf. Sein Vater war Dorflehrer, geboren wurde er im Schulhaus. Die ersten Lebensjahre verbrachte er mit Freunden spielend in der idyllischen Natur, einen guten Spielplatz bot der Bach hinterm Haus. Mit seinem Maturageschenk, einem Greyhound-Busticket, bereiste er zwei Monate lang die USA und Kanada, „dabei wurde mir klar: Ich will Arzt werden.“
Heute lebt Dr. Christian Stelzer in Wien, ist Vater von vier erwachsenen Töchtern – und betreibt als praktischer Arzt seit mehr als 30 Jahren eine eigene Ordination. Fast genauso lange gibt es in Kleinfrauenhaid die Gemeinschaft Cenacolo, eine Einrichtung, die er mit Gleichgesinnten gründete, um suchtkranken jungen Menschen Wege aus ihrer Abhängigkeit zu bieten. Bis heute wirkt er als Obmann des Unterstützungsvereins mit.
Teil von „Mary’s Meals“, jenem Projekt, das hier näher beschrieben werden soll, wurde er 2008. Damals begegnete er dem Gründer Magnus MacFarlane-Barrow, „der mir davon erzählte, dass in den ärmsten Ländern der Welt die Kinder auch deswegen nicht zur Schule gehen können, weil sie ohne Essen den Weg nicht schaffen“. Der schottische Fischzüchter, der schon während der Balkankriege erste Hilfsprojekte startete, holte ihn quasi ins Boot; heute ist Christian Stelzer Obmann von „Mary’s Meals Österreich“.
„Die Geschichte ist sehr einfach: Für nur elf Cent am Tag können wir Kindern eine Mahlzeit pro Tag bereitstellen. Für nur 22 Euro im Jahr spendet man einem Kind die Schulmahlzeiten für ein ganzes Jahr“, erklärt Christian Stelzer. Das Konzept basiert auf dem Prinzip Hilfe zu Selbsthilfe; den Frauen werden vor Ort Grundnahrungsmittel zur Verfügung gestellt, die sie dann jeweils zu einem Brei verkochen und vor der Schule ausschenken. In Malawi ist das etwa Mais-, in Liberia Reisbrei.
Die Kinder haben genauso viel Potenzial, aber sie können es nicht entfalten, wenn sie hungern.
Dr. Christian Stelzer
Die ersten „Mary’s Meals“ wurden 2002 an 200 Kinder ausgegeben, heute ist die Organisation in 17 der ärmsten Länder der Welt, die von Naturkatastrophen heimgesucht werden und in denen Kriege wüten, tätig. Rund 2,4 Millionen 6- bis 14-Jährige werden mit Essen versorgt. „In den Gegenden, wo wir tätig werden, nimmt die Zahl der Schülerinnen und Schüler um bis zu 30, 40 Prozent zu. Wir können die Kinder auf diese Weise aus dem Analphabetismus holen.“
Viele unvergessliche Begegnungen erlebt Christian Stelzer, wenn er vor Ort ist, eine erzählt er im Interview: „Ich habe eines Morgens geholfen, das Essen zu verteilen, und gerade einem Mädchen einen Schöpflöffel Brei aus dem Topf gegeben. Doch es bleibt stehen und sieht mich mit großen Augen an. Im nächsten Moment habe ich es verstanden: Ich hatte unsere Kinder im Kopf, die immerzu gesagt haben: ‚Bitte nicht so viel‘, doch das Mädchen wartete, bis ich seinen Becher randvoll füllte. Das ist für die meisten Kinder die einzige Mahlzeit, die sie bekommen.“
Welche weiten Kreise das Hilfsprojekt zieht, zeige auch, „dass sich die Menschen selber sehr darum bemühen“, beschreibt der Arzt. „Eine Dorfgemeinschaft hat eigens eine Brücke gebaut, damit wir unsere Lieferung hinbringen können; in ein anderes Dorf, wohin keine Straße führt, tragen die Männer das Essen stundenlang auf einen Berg hinauf.“
Neben verschiedenen Spendenmöglichkeiten, die es online nachzulesen gibt, initiiert „Mary’s Meals“ immer wieder Benefiz-Veranstaltungen, wie beispielsweise das klassische Konzert am 5. Dezember (19.30 Uhr, Kaiserstraße 10, 1080 Wien; Info: konzert@marysmeals.at). Die Bühne ist für junge Künstler*innen reserviert.
www.marysmeals.at
Was gibt’s Neues bei PanTa?
Schauplatzwechsel: zu Gast bei der Pannonischen Tafel. Mit den Hochs und Tiefs, den Enttäuschungen, wenn erhoffte Fördergelder ausblieben, könnte Andrea Roschek Bücher füllen. Viel lieber wendet sich die Geschäftsführerin in diesem Gespräch den positiven Dingen zu. Wie beispielsweise der Tatsache, dass sie dank einer Bundesförderung zuletzt die Projektmanagerin Heidi Klug anstellen konnte: „Wenn du im Jahr 500.000 Kilo an Lebensmitteln und zusätzlich Gewand, Kleinmöbel und mehr umverteilst, geht das nicht ohne eine gute Schlüsselkraft“, erklärt sie.
Bis 31. März ist Heidis Gehalt gesichert, wie es dann weitergeht, ist ungewiss. 16 Jahre sind ins Land gezogen, seit Andrea Roschek mit einer Freundin die Pannonische Tafel in Eisenstadt gründete. Das Kernziel zu Beginn: Lebensmittel retten und an Menschen weitergeben, die es sich im Supermarkt nicht leisten können. Dabei leistete PanTa, wie der Verein auch liebevoll genannt wird, vielfach Pionierarbeit. Zu den teuersten Dingen gehören etwa Damenhygieneprodukte, Windeln und Waschmittel – also Sachen, die zumeist Frauen-Geldbörsen belasten. Die Besorgung bedarf mehr Aufwand, „aber solche Dinge geben wir seit 16 Jahren gratis weiter“, betont Andrea.
Stillstand kennen sie und ihr Team, darunter viele Ehrenamtliche, nicht: „Die Tafel ist ein sehr lebendiges Gebilde, wir sind immer dort aktiv, wo wir gebraucht werden“, erklärt Heidi Klug.
Aktuell betreibt die Tafel drei Standorte, die Schwerpunkte variieren. Die Zentrale in Eisenstadt sowie Oberpullendorf halten die Pforten mit Foodcorner, Marktplatz und Wohnzimmer offen; 2023 kam Oberwart hinzu. Dort wurde ein Begegnungsort geschaffen, „wo sich bei einem Frühstück die Kulturen vermischen“, beschreibt Andrea Roschek.
Von Beginn an war ihr wichtig, für Menschen, die (gerade) schwere Zeiten erleben, mehr als ein Greißler mit günstigen Preisen zu sein, damit sie wieder auf die Beine kommen können. „Wir erleben die schönsten Begegnungen, Menschen verlieben sich bei uns, heiraten, es werden Vorurteile abgebaut – man hilft einander ganz unkompliziert: Da fährt der arbeitslose Installateur zu einem Rohrbruch, ein anderer malt eine Wohnung aus, weil der Person das Geld dafür fehlt.“
Die Ideen gehen nie aus, das zeigt die breite Palette an Projekten auf der Website. Zu den Rennern gehören das „Repair-Café“ oder der „Schenkmarkt“, wo man sich kostenlos bedienen kann. Der jüngste Streich: „PanTa Fashion Rebell“. Schöne Secondhand-Teile, etwa Shirts und Jacken, werden mit dem brandneuen Logo gebrandet, die so entstandenen Unikate können zu bestimmten Pop-up-Terminen gegen eine Spende erworben werden (20. Dezember: Oberpullendorf, 21. Dezember: Oberwart; weitere Termine via Facebook: Pannonische Tafel). „Wir wollen auch ein Bewusstsein dafür schaffen, wie viel Wasser, Chemikalien und CO2 für ein Shirt verbraucht werden und dass wir mit der Tafel auch einen Beitrag zum Umweltschutz leisten“, sagt Heidi Klug.
Mitmachen
Es gibt viele Möglichkeiten, mitzuwirken. Um vor allem Miet-, Personal- und Energiekosten decken zu können, braucht es dringend Geld, „Spenden sind steuerlich absetzbar“, betont Andrea Roschek. Wer sein Unternehmen bekannt machen und dabei Gutes tun will, findet auf den PanTa-Mobilen noch genügend Werbeflächen. Prima helfen kann man auch bargeldlos, einige Beispiele: Mathias absolviert sein Freiwilliges Soziales Jahr bei der Pannonischen Tafel, „er hat davor die HAK-Matura gemacht und ist ein echtes Geschenk“, schwärmen Andrea und Heidi; man kann es ihm gleichtun (www.fsj.at).
Über junge Unterstützung bei Social Media würde sich vor allem Andrea sehr freuen, Menschen jeden Alters, die auch gerne mitanpacken, werden immer gebraucht. „Vor Kurzem hat eine Pensionistin bei uns angefangen, die sich entschuldigt hat, dass sie am Stück nicht mehr als drei Stunden schafft, aber sie möchte unbedingt mittun, weil sie die Arbeit bei uns so schön findet – das hat mich sehr berührt“, erzählt Heidi Klug. Das Wichtigste für die Mitarbeit? „Dass man allen Menschen bei uns vorurteilsfrei begegnet“, betont Andrea Roschek. In naher Zukunft sollen in den „Wohnzimmern“ wieder mehr Kulturevents stattfinden: Musiker*innen und Autor*innen können sich gerne melden, wenn sie in den Dienst der guten Sache treten wollen.
www.pannonischetafel.com
Sicheres Haus für Mädchen
Während diese Zeilen entstehen, kommt die Illmitzerin Marlene Loos, besser bekannt als Influencerin Malentschi, gerade in Berlin an. Ihre erste gute Tat dort: Sie mischt verbal eine Gruppe junger Männer auf, die mit frauenverachtenden Slogans gegen Abtreibung demonstrieren. Die deutsche Metropole wird für einige Monate ihr Lebensmittelpunkt sein, „weil ich ein Praktikum bei der Designerin Marina Hoermanseder mache“, erzählt sie euphorisch im Interview. Marlene maturierte im Sommer an der Wiener Modeschule Herbststraße, im Anschluss daran widmete sie sich einer Spendenaktion.
Wir sollten jeden Tag dankbar sein, dass wir in Sicherheit unsere Bildung genießen können.
Digital Creatorin Malentschi
Sie lernte zuvor bei einer Benefizgala Vertreter*innen der Österreichisch-Äthiopischen Gesellschaft kennen; was sie über das krisen- und kriegsgeschüttelte Land hörte, bewegte sie sehr. Sie erklärte sich bereit, ihre Bekanntheit für die Verwirklichung eines Bildungsprojekts für Mädchen in Lalibela zu nutzen. „Kannst du dir vorstellen, aufzustehen, extrem viele Kilometer zu Fuß zur Schule zu gehen und zu wissen, dass dein Weg in einer Vergewaltigung enden wird? – Das ist die Realität von vielen Mädchen in Lalibela.“ – Mit diesen Worten begann ihr erstes Video, das sie via TikTok und Insta veröffentlichte, eine Reihe weiterer Posts – und ein Herzerlregen – folgten.
Bis heute sammelt sie Spenden, Ziel ist es, ein Haus neben einer Schule so einzurichten, damit die jungen Frauen dort sicher übernachten können. „Unser Motto ist: Safe House, Strong Women. Die Mädchen sollen dort Essen und medizinische Versorgung bekommen, es wird eine kleine Bibliothek geben und es sollen auch Aufklärung über die Periode und Persönlichkeitsbildung passieren, damit ihr Selbstbewusstsein gestärkt wird“, erklärt Marlene Loos.
Wie bedrohlich die Situation vor Ort ist, erfuhr sie kürzlich aus erster Hand, weil sie einen jungen Äthiopier, der nach Österreich geflüchtet war, kennenlernte. „Da wird mir einmal mehr bewusst, wie privilegiert wir sind. Wir sollten jeden Tag dankbar sein, dass wir in Sicherheit unsere Bildung genießen können. Schließlich ist das Einzige, was mich von den Frauen in Lalibela unterscheidet, dass ich in Österreich geboren wurde.“
Die Spendenaktion läuft noch, Details dazu erfährt man via TikTok und Instagram @malentschi.