Feinfühlig & vertraut

Katharina und Nele sind ein Mutter-Tochter-Gespann

6 Min.

Katharina Preisinger Nele

Katharina und Nele sind ein Mutter-Tochter-Gespann ohne Tabus und mit viel Kommunikation. Im Interview erzählen sie über ihr Verhältnis zueinander und wie dieses Band
so stark wurde.

Drei Kinder und eine Scheidung später ist Katharina Preisinger aus Gols an einem Punkt in ihrem Leben angekommen, an dem sie weiß, worauf es ankommt. Die Beziehung zu ihren Kindern ist und war schon immer eine offene und innige, ohne Tabus und wo alle Fragen erlaubt sind. Ihre Tochter Nele (17) und ihre Söhne Levin (15) und Finn (10) wohnen eine Woche bei der Mutter und eine Woche beim Vater – für dieses Modell hat sich die Familie entschieden und lebt gut damit. Die 17-jährige Nele ist bereits selbstständig und in einer Beziehung, sodass sie des Öfteren bei ihrem Freund schläft anstatt bei einem Elternteil. Das bedeutet, dass Katharina und Nele sich nicht mehr so oft sehen wie früher. Doch ihre Verbindung ist ungebrochen. Schon von klein auf wussten alle drei Kinder, dass sie mit ihrer Mutter über alles sprechen können. „Wenn ich Fragen habe oder irgendein Problem, ist Mama die Erste, an die ich mich wende – so war es immer und so ist es auch heute noch. Es gibt bei uns keine Tabus“, erzählt Nele im Interview. Rund um die Themen Aufklärung, Sex, Verhütung, Freundschaften, Liebe und erste Regel sprechen die beiden über alles, ganz ohne Scham und vorgehaltener Hand. Dabei wirken sowohl Mutter als auch Tochter wie Personen, die mit beiden Beinen fest im Leben stehen. Sie haben ihre Überzeugungen und ihre Meinungen, die sie offen nach außen zeigen.

Harte Zeit. Die Qualität ihrer Beziehung beruht auf Vertrauen und darauf, dass nichts Schlimmes passieren kann, solange sie über alles reden. Vor allem als Nele am Anfang der Pubertät war, gab es eine harte Phase. „Es war sehr viel Verwirrung in ihrem Kopf. Es gab Probleme mit Freundinnen, sodass ihr die Freude an der Schule komplett verleidet war. Wir haben daheim viel geweint, es war eine harte Zeit“, erinnert sich Katharina. Und Nele gibt zu: „Ich habe mich ein bisschen in die virtuelle Welt geflüchtet, weil ich in der realen Welt nicht mehr so gut klarkam.“ Mit viel Feinfühligkeit arbeiteten sie in dieser Zeit an allem, was auf sie zukam. Und nach ca. ein bis zwei Jahren war diese Phase vorbei und andere Themen rückten in den Fokus.

© Vanessa Hartmann

Kinder sollten nicht immer den Erwartungen der Eltern entsprechen wollen.

Katharina Preisinger

Ohne Scham. Katharina erinnert sich an ihre Jugendzeit: „Ich wurde von meiner Mutter nicht aufgeklärt. Früher haben Eltern mit ihren Kindern nicht so offen über Themen wie Sex und Liebe gesprochen. Ich wollte es anders machen.“ Nele fragte ihre Mama schon mit sieben Jahren, wie die Babys in den Bauch kommen. „Damals war ich mit Finn schwanger. Ich habe Neles Fragen ohne Scham beantwortet und sie kindgerecht aufgeklärt. Wichtig ist, das Kind nicht zu überfordern, aber auch nicht wegzuschicken, sondern auf die Fragen zu warten, um sie dann zu beantworten. Doch ich wollte nie die Allwissende spielen. Deswegen habe ich manchmal gesagt: ‚Holen wir uns ein Buch und schauen wir uns das gemeinsam an.‘ Es gibt zu vielen Themen sehr gut aufbereitete Bücher für Kinder aller Altersklassen. Das Wichtigste ist, dass Kinder sich nicht alleingelassen fühlen mit ihren Fragen.“

Beschützen & Loslassen. So kam es, dass Nele die gute Mutter-­Tochter-Beziehung nutzte, um sich bei ihrer Mama Rat und Trost zu holen. Sie hat mir ihr über ihre erste Liebe gesprochen, über Freundschaften zwischen Mädchen und Jungs, über ihre erste Periode – in jeder Phase ihres Lebens konnte Nele auf ihre Mutter zählen. Als sie bemerkte, dass sie ihre erste Regel hatte, erzählte Nele es sofort ihrer Mutter, und Katharina feierte mit ihrer Tochter, die ab da zur Frau wurde. Auch beim Thema Sex gibt es keine Geheimnisse. „Nach meinem ersten Mal war ich sehr aufgeregt und habe dann mit Mama darüber gesprochen. Es war mit einem Schulfreund, wir waren nicht in einer Beziehung und auch nicht verliebt. Doch wir wollten es unbedingt beide probieren und haben uns sexuell zueinander hingezogen gefühlt. Ich war 15 und wir hatten Sex, noch bevor wir uns richtig geküsst haben.“ Diese Information war für Katharina damals nicht leicht zu verdauen. Sie merkte, wie schwer es sein kann, wenn Kinder Erfahrungen machen, die man selbst nicht für gut oder richtig empfindet. „Ich dachte natürlich: ‚Wie kann das sein? Küssen ist so wichtig beim Sex.‘ Es war aufwühlend für mich. Ich wusste, ich muss sie loslassen, damit sie ihre eigenen Erfahrungen machen kann.“ Der Grat zwischen dem Beschützen der eigenen Kinder und dem Loslassen selbiger, damit sie ihre eigenen Erfahrungen machen dürfen, ist ein sehr schmaler. „Ich habe selbst in meiner Jugend nicht nur positive Erfahrungen gemacht – zunächst wollte ich Nele das ersparen, aber dann hab ich schnell verstanden, dass sie ihren eigenen Weg gehen muss. Und sie weiß, dass ich immer an ihrer Seite bin, wenn sie mich braucht.“

© Vanessa Hartmann

Wenn ich Fragen habe, ist Mama die Erste, an die ich mich wende.

Nele Preisinger

Lernprozesse. Bei Unstimmigkeiten oder in Krisenzeiten sei das Wichtigste die Offenheit. Im Interview, angesprochen auf ihre Wünsche, sprudelt aus Katharina auch gleich ein Wunsch heraus: „In letzter Zeit ist Nele oft bei ihrem Freund. Einerseits verstehe ich sie, andererseits vermisse ich sie natürlich. Ich würde mir wünschen, dass wir regelmäßig einen gemeinsamen Mutter-Tochter-­Tag machen, nur wir beide.“ Nele zeigt Verständnis und kontert wortgewandt: „Es kann ganz schön stressig sein, Schule, Beziehung, Freizeit und Familie unter einen Hut zu bekommen. Ich bin sehr feinfühlig und merke, wie es Mama mitnimmt, wenn ich grad überhaupt keine Zeit habe. Aber ich setze auf ihr Verständnis, wobei ich oft ein schlechtes Gewissen habe. Das sollten wir vielleicht viel öfter aussprechen“, sagt sie und lächelt ihre Mama an.
Dabei kann es gerade diese räumliche Distanz sein, die das gute Verhältnis ausmacht. Sich nicht jeden Tag zu sehen, kann eine Beziehung auch stärken. Vor allem stärkt sie die Persönlichkeiten jeder Einzelnen. Und Katharina gesteht ein: „Manchmal muss man jemanden enttäuschen, Nein sagen, wenn man gerade nicht möchte oder kann. Das ist ein wichtiger Lernprozess für beide Seiten. Kinder sollten nicht immer den Erwartungen der Eltern entsprechen wollen, das hemmt sie in ihrer Entwicklung. Wenn die Vertrauensbasis da ist, hält man das aus.“

© Vanessa Hartmann

Workshops

Katharina Preisinger und Karin Kornfeld veranstalten im Nordburgenland Teeniekreise zu diversen Themen, die Jugendliche begleiten, informieren und unterstützen sollen:

Vom Mädchen zur Frau (9–13 Jahre)

  • Ich bin ich
  • Mein Körper
  • Meine Gefühle
  • Bedürfnisse – Grenzen
  • Veränderung in mir & im Außen

Let’s talk about Sex (ab 14 Jahre)

  • Mein Körper & ich – weibliche Anatomie
  • Zykluswissen – natürlich Frausein
  • Monatshygiene
  • Liebe & Sexualität
  • Bedürfnisse – Grenzen – Gefühle
  • Verhütung

Termine auf Anfrage: [email protected]

Hier geht’s direkt zum neuen Instagram-Account von Katharina Preisinger & Karin Kornfeld

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