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Wir haben Frauen gefragt, ob und unter welchen Umständen sie Fremdgehen verzeihen würden und mit der Paartherapeutin Claudia Bernt darüber gesprochen, was Vergeben wirklich bedeutet.
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Es ist der Albtraum einer monogamen Beziehung und der Grund, weshalb viele nur schwer vertrauen können: Mit Untreue hat laut einer jüngeren Umfrage die Hälfte der Bevölkerung bereits Erfahrung gemacht. Jede:r Vierte gab an, in einer festen Beziehung schon einmal fremdgegangen zu sein. Seitensprünge passieren, das ist Fakt. Die Frage ist: Wie geht man damit um?
„Die meisten Betroffenen möchten wissen: Waren Gefühle im Spiel oder war es nur Sex?“, erklärt Paartherapeutin Claudia Bernt im Interview. Diese Frage stellen sich beide Geschlechter: „Laut einer älteren Studie können Frauen sexuelle Handlungen ohne Gefühle leichter verzeihen“, so die Expertin. Bei Männern sei das genau umgekehrt: „Für sie ist relevant, ob es zum Sex gekommen ist.“ Diese Unterschiede, die wahrscheinlich evolutionär bedingt sind, seien uns nicht bewusst und hätten sich im Laufe der Zeit gewandelt, sagt Claudia Bernt.
Zum Beispiel haben sich nicht nur Beziehungsformen verändert – Seitensprünge sind natürlich auch in homosexuellen Beziehungen ein Thema –, sondern auch die soziale Stellung von Frauen ist eine andere geworden. Männer sind für sie nicht zwingend für die Versorgung der Familie verantwortlich, wie es vielleicht früher der Fall war. Warum Menschen untreu werden, hängt aber laut Untersuchungen zum Teil vom Geschlecht ab.
Gründe für den Seitensprung
Laut einer Umfrage der Partneragentur Parship aus dem Jahr 2022 gaben Frauen an, eher dann fremdzugehen, wenn sie in der Beziehung unglücklich sind und sich emotional vernachlässigt fühlen. Für Männer ist der Reiz des Verbotenen und das Abenteuer verlockend, aber auch sexuelle Unzufriedenheit spielt häufig eine Rolle. Das bestätigt auch Claudia Bernt aus ihrer praktischen Erfahrung.
Der Seitensprung kann unter Umständen ein Lösungsversuch eines dysfunktionalen Beziehungsmusters sein. Ein Trost für die betrogene Person ist das aber meisten nicht, weiß die Paartherapeutin.
Unzufriedenheit als Vorwurf
„Kommt ein Seitensprung ans Licht, ist es wichtig, im ersten Schritt mit dem Schmerz der anderen Person zu rechnen, diesen auszuhalten und damit achtsam umzugehen“, so die Expertin. „Intensive Gefühle und Wut der betrogenen Person führen manchmal dazu, dass sich Betrügende zurückziehen, vielleicht sogar schweigen oder sich verteidigen.“ Vorwürfe wie: „Wir hatten ja nie Sex“ führen in einen Konfliktzirkel, aus dem man nicht mehr so leicht rauskommt.
Zu Beginn dieser Krisensituation sei es ratsam, bei sich zu bleiben und den Schmerz des anderen anzuerkennen. „Ich würde empfehlen, sich genau anzuschauen, was der oder die Betrogene in dieser schwierigen Situation braucht“, weiß Claudia Bernt. Das Besprechen von Problemen in der Beziehung vor dem Seitensprung ist zu diesem Zeitpunkt nachrangig.
Sich vor Leid schützen
Auch das Fragen nach Details ist nicht unbedingt von Vorteil: „Manche Menschen möchten alles genau wissen: Wie kam es zur ersten Berührung? Wie war der Sex? Ich lade Betroffene dazu ein, darüber nachzudenken, wie hilfreich diese Infos wirklich sind – sie sind oft nicht heilsam.“ Bei längeren Affären sei es natürlich legitim, nachzufragen, wie lange diese aufrecht war.
fremdgehen verzeihen heißt Loslassen
Haben sich beide dazu entschieden, die Beziehung trotz der Untreue weiterzuführen, geht es ans Eingemachte. Beziehungsarbeit muss ab diesem Zeitpunkt von beiden Seiten geleistet werden: „Verzeihen ist ein Zwei Personen-Prozess“, so Claudia Bernt. „Die Person, die fremdgegangen ist, mag vielleicht glauben, dass ihr nach einem Geständnis und einer Entschuldigung die Hände gebunden sind, aber so ist es nicht.“ Die betrügende Person kann versuchen, das Verhalten mit aktivem Handeln wiedergutzumachen. Wie das geht?
„Man muss in die Verantwortung kommen und versuchen, der anderen Person zu zeigen, dass es einem ernst ist.“ Die Bereitschaft, die Beziehung reparieren zu wollen, steht also an erster Stelle. Gleichzeitig muss die betrogene Person den Prozess des Loslassens und Vergebens in Gang setzen. „Als Person, die betrogen wurde, fühlt man sich oft ohnmächtig und ausgeliefert. Man möchte die Kontrolle zurück“, erklärt Bernt. Stark kontrollierendes Verhalten wäre aber hinderlich. Jetzt heißt es, das Vertrauen wieder aufzubauen.
Angst loslassen, Vertrauen üben
„Paare könnten versuchen, sich daran zu erinnern, welche Handlungen zu Beginn ihrer Beziehung vertrauensstärkend waren“, rät die Expertin. Was hat uns Sicherheit gegeben? Was hat das Vertrauen wachsen lassen? – das wären dabei hilfreiche Fragen. „Oft sind es tiefgehende Gespräche, sich wieder bewusst Zeit füreinander zu nehmen, kleine Aufmerksamkeiten wie ein Post-It mit einer liebevollen Botschaft zu hinterlassen“, schlägt die Therapeutin vor.
Welche Bereiche in der Beziehung mehr Aufmerksamkeit brauchen und wo schon vor dem Seitensprung Risse zu finden waren, wäre eine Maßnahme für den nächsten Schritt. „Wahrscheinlich kann man Untreue nie vergessen. Man könnte sagen, dass dieses Verhalten unverzeihlich war“, so Claudia Bernt. „Aber man kann versuchen, zu vergeben.“
Mit dem Alter gelassener?
In der Parship-Studie gab mehr als die Hälfte der Befragten zwischen 18 und 29 Jahren an, dass für sie heimliche Telefonate oder SMS bereits als Untreue gelten. Menschen über 50 sahen das Lockerer: 66 Prozent sagen, dass einmaliger Sex für sie nicht unbedingt als Seitensprung zu betrachten ist.
Wir haben nachgefragt: Können Frauen verzeihen?
„Würde mir mein Partner fremdgehen, wäre das für mich nicht per se ein Grund, die Beziehung zu beenden. Fragen wie: Warum kam es dazu? War es „nur“ ein Kuss oder „nur“ Sex? Wurde eine emotionale Bindung aufgebaut? Inwieweit zeigt er Reue und kämpft um mein Vertrauen?, wären für mich entscheidend. Grundsätzlich bin ich ein Fan von Verzeihen, aber alles in Maßen.“
Tanja, 37
„In meinen bisherigen Beziehungen bin ich bereits drei meiner Ex-Partner fremdgegangen – und alles andere als stolz darauf. Grund war für mich jedes Mal die nachlassende Zuneigung und die abflauende Aufmerksamkeit, die sich im Laufe der Partnerschaft eingeschlichen hat. Ich fühlte mich nicht mehr ausreichend wertgeschätzt. Angesprochen habe ich mehrmals, was mir fehlt, geändert hat sich dann nur für ein, zwei Wochen was. So wurde ich anfällig für die Schmeicheleien anderer Männer.“
Kathi, 39
„Als ich jünger war, war ich mir sicher, dass ich einen Seitensprung niemals verzeihen könnte. Doch als ich in meiner ersten Beziehung steckte und die Zeichen von Untreue immer mehr wurden, habe ich doch mehr verziehen als mir lieb war. Das Schlimmste an der ganzen Situation ist die Scham, die man als Betrogene fühlt. Dieses „es ist schon wieder passiert“, nur weil man nicht stark genug war zu gehen. Jahre später habe ich immer noch ein Problem damit, jemandem mein Vertrauen zu schenken und mir selbst zu verzeihen, dass ich mich so behandeln ließ. Das Schamgefühl bleibt bis heute.“
Amira, 29
„Ich glaube, ich könnte einen Seitensprung nicht verzeihen. Für mich ist die Intimität mit meinem Partner irgendwie heilig. Denn genau darum geht es: Dass man keine Intimitäten mit anderen teilt, die der Beziehung vorbehalten sind. Ist es erst einmal passiert, könnte ich mich glaube ich nicht von dem Vertrauensmissbrauch erholen. Aber wie es ist, 30 Jahre lang mit einer Person zusammen zu sein, weiß ich wiederum auch nicht – vielleicht relativiert sich nach so langer Zeit so manches und ich kann eine Beziehung pragmatischer betrachten.“
Steffi, 30