Tierkommunikation: Wie wir Tiere verstehen können
Im Interview: Tierschutzombudsfrau und Tierärztin Gabriele Velich
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Was Sie über Kommunikation mit Tieren wissen sollten, welche Erziehung für welche Rasse passt und was Sie bei Welpen nicht verabsäumen sollten. Wir sprechen mit einer Expertin über Tierkommunikation und das Verstehen von Tieren.
Es ist eines der häufigsten Missverständnisse: Hunde, die beißen, sind oft nicht aggressiv, sondern ängstlich, weiß Gabriele Velich. Das kann daran liegen, dass ihr Start ins Leben nicht gerade rosig war. Sie stammen vielleicht aus einer Zucht, wo sie nicht gut behandelt und früh von der Mutter getrennt wurden und „wenn dann die neue Familie sich außer Stand sieht, mit dem Hund umzugehen, kommt er ins Tierheim“, schildert die Tierärztin.
Sosehr sich Pfleger*innen um sie bemühen, die Ressourcen sind limitiert, oft gelten solche Hunde als schwer vermittelbar und bleiben. Für sehr lange. Gabriele Velich hat eine Vision für ihre Pension. „Ich möchte ‚Langzeiteinsitzer‘ aus Tierheimen holen und sie mit meinen Hündinnen resozialisieren, damit sie eine Chance auf Vermittlung haben.“
Die Eisenstädterin hatte von Kindheit an einen guten Draht zu Tieren. Mit 16 hatte sie ihr eigenes Pferd, ging fleißig arbeiten, um es zu versorgen. Sie studierte Veterinärmedizin, das Bedürfnis, Tieren zu helfen, blieb ihr Antrieb. Nicht selten brachte man ihr eine ums Leben ringende Katze nach einem Unfall – und sie operierte selbst eine Streunerin. In ihrer Praxis ist mittlerweile auch ihr jüngerer Sohn anzutreffen, der mit ebensolcher Liebe zum Beruf zwischen der Tierklinik in St. Pölten und Eisenstadt pendelt. Tieraffin ist auch der ältere Sohn, mit ihm gründete sie den Verein „Menschen – Tiere – Lebens(t)raum“.
Seit mehr als zehn Jahren fährt sie als Tierschutzombudsfrau mit wachsamen Augen durchs Land, um Tierleid möglichst zu verhindern. Viele Wege führten sie in Schulen, „um den Tierschutz in die Herzen der Kinder zu bringen, dort liegt die Zukunft“. Ihr Verhältnis zu Hunden und überhaupt ihre Biophilie sind extrem bedeutsam, betont sie. „Ich konnte mit meinen Hündinnen vielen beibringen, wie mit Hunden umzugehen ist.“
Idealismus blieb.
Als wir Gabriele Velich um ein Interview bitten, steht ein lang ersehnter Urlaub bevor, ihr Terminkalender ist voll. „Kommen Sie trotzdem“, sagt sie bestimmt und nimmt sich für jede Frage Zeit. Wie es ihr gelang, den Idealismus beizubehalten? „Manche laufen einer Illusion nach, wenn sie sich für einen Beruf entscheiden. Ich habe das Richtige für mich gewählt. Meine Söhne sagen, ich fröne meinem Hobby, wenn ich in die Ordi gehe. Zu einem hohen Maß empfinde ich das bis heute so.“
Die Kommunikation bzw. Beziehung zwischen Mensch und Hund: Was machen wir falsch?
Gabriele Velich: Der häufigste Fehler ist es, den Hund als Menschen oder sogar als Kinderersatz zu betrachten. Die Abgrenzung ist nicht leicht: Einem Welpen Schranken zu setzen, fällt schwer, wiegt der Hund aber mal 35 Kilo, ist das fast unmöglich. Die Erziehung eines Welpen braucht ebenso viel Konsequenz wie die eines Kindes. Ich kann nicht mit einem Dreijährigen diskutieren, ob er über die Straße laufen darf, auch ein Hund muss gehorchen, wenn er sitzen bleiben muss. Das ist für beide lebensnotwendig.
Also Konsequenz von Anfang an?
Die goldene Regel ist: Man kann einem Hund nichts mit Strafe lernen, das funktioniert ausschließlich mit Belohnung. Strafe kann dem Hund nur unerwünschte Verhaltensweisen abstellen. Strafe ist aber, wenn sie überhaupt funktionieren soll, sehr schwierig einzusetzen, denn sie soll ihn beeindrucken. Doch wer seinen Hund liebt, wird ihn kaum beeindruckend strafen können, somit ist Strafe schon sinnlos. Also sprechen wir lieber von Konsequenz von der Jugend an.
Zur Erziehung durch Hundemütter gibt es tolle YouTube-Videos; eines mag ich besonders (siehe QR-Code unten): Eine Golden-Retriever-Mutter kommt in den Raum und ihre Welpen rasen auf sie zu. Sie bellt und fletscht alle laut an, erst wenn sich keiner mehr bewegt, dürfen sie trinken. Das zeigt: Erziehung braucht eine gewisse Konsequenz, aber man darf nicht generalisieren. Bei manchen Hunden klappt es nur mit Liebe, manche brauchen ein bisschen Strenge dazu und manche auch noch ein bisschen Aufregung, damit die Strenge ankommt.
Welche Zeichen sollten wir alle verstehen?
Solange ein Hund uns mit aufgerichteten Ohren, wedelndem Schwanz und mit „freiem“ Körper anschaut, ist die Welt in Ordnung. Wenn er zu starren beginnt, der Körper steif wird und er die Ohren anlegt, ist Vorsicht geboten. Wobei prinzipiell gilt: Niemals einen Hund angreifen, ohne vorher zu fragen. Nicht jeder Hund, der mit dem Schwanz wedelt, ist freundlich. Das ist oft nur ein Zeichen für Aufregung.
Gestik und Mimik können freudig sein und der Kontaktaufnahme dienen, mit dem Knurren sagt er: Ich will das jetzt nicht. Das ist die letzte Instanz, bevor er beißt. Wird ihm das Knurren abgewöhnt, kriegt man einen Hund, der gleich beißt, wenn ihm etwas nicht passt. Die Körpersprache bei Hunden variiert aber; man muss individuell auf sie eingehen.
Reagieren unterschiedliche Rassen auch auf Erziehung unterschiedlich?
Ja, daher sollte man sich gut beraten lassen, bevor man sich einen Hund anschafft. Es gibt Rassen, die generell einfacher zu händeln sind als andere. Manche wollen von Anfang an gefallen, machen für Leckerli alles und sind daher leicht erziehbar. Dazu kommen noch individuelle und geschlechtsspezifische Unterschiede. Angenommen, ein Hund reagiert nicht auf „Sitz!“, dann „diskutiert“ die Hündin mit Ihnen: „Soll ich das jetzt machen oder nicht?“ Der Rüde aber „diskutiert“: „Wer bist du, dass du mir ein Kommando stellst?“ Umso wichtiger ist es, früh mit der Erziehung von Welpen zu beginnen und als Ersthund vielleicht doch besser eine Hündin zu wählen. Dinge, die einem Welpen noch leicht zu lernen bzw. abgestellt werden können, fallen beim erwachsenen 40-Kilo-Rüden deutlich schwerer. Heute gilt der Mensch als gleichgestellter Partner, es ist nicht mehr zulässig, von Dominanz zu sprechen. Ob das bei allen Rassen funktionieren wird, gilt es abzuwarte
Um das Sozialverhalten zu trainieren, haben Sie Ihre Welpenspielgruppe initiiert. Worum geht es?
Das Wichtigste: Menschen deuten Mimik und Gestik der Hunde häufig falsch, ein gut sozialisierter Hund deutet sie aber richtig. Ich arbeite mit meiner erfahrenen Hündin: Sie ist ein Riesenschnauzer, stark, selbstbewusst, aber gutmütig. Das Gefahrenpotenzial, das von ihr ausgeht, ist sehr gering; sie ist es gewohnt, mit Kleinen zu spielen. Sie lernen: Sie ist die Chefin.
Sie nimmt sofort wahr, wer der Unruhestifter ist, wer andere dominieren will, wer Angst hat. Ein Beispiel: Vom Aufmüpfigen fordert sie Demut ein, sie lässt es nicht gelten, wenn er davonrennt. Der Mensch würde das als Flucht vor Angst deuten und dem Einhalt gebieten. Aber der Welpe muss lernen: Flucht nützt in dem Fall nichts. Wird er im Fluchtverhalten bestätigt, läuft er später auch dem Besitzer davon, löst womöglich in einem anderen Hund den Jagdtrieb aus und wird vielleicht gebissen. Ich habe die Verlässlichkeit, dass meine Hündin nicht zubeißt, aber sie läuft so lange hinter ihm her, bis er sich endlich ruhig verhält, wenn sie ihn beschnüffelt. Nach zwei, drei Mal hat es der junge Hund verstanden.
Man sollte also immer mit einer Welpenschule starten?
Ich halte das für extrem wichtig. Bei uns geht es weniger um Kommandos, sondern darum, gewisse Dinge zu erkennen und rechtzeitig zu korrigieren. Frauerl und Herrl profitieren auch durch das Beobachten, um Hunde besser zu verstehen.
… und wenn man das mit einem Welpen verabsäumt hat?
Auch wenn ein Hund älter ist, kann man in der Gruppe noch einiges am Sozialverhalten verändern. Bei einem acht- oder neunjährigen Hund würde ich die Grenze ziehen; da ist dann meistens schon so vieles eingefahren. Ebenso sollte man sich vor Augen halten, was korrigiert werden „muss“. Schließlich haben Hunde auch einen Charakter. Wenn beispielsweise einen Hund kleine Kinder verunsichern und die eigenen ohnehin schon groß sind, muss man sich die Frage stellen, ob man dann nicht lieber einfach bestimmte Situationen meidet.
Was muss man über Katzenkommunikation wissen?
Alarmzeichen sind bei der Katze ein schlagender Schwanz bzw. angelegte Ohren. Um sie zu neutralisieren, kann man versuchen, ihr zuzublinzeln und dann den Blick ein wenig abzuwenden. Katzen können wild miteinander balgen, sie schonen einander nicht. Warum sollten sie mit uns anders umgehen? Aber Achtung: Uns schützt kein weiches Fell. Ein Unterschied: Hunde haben Skrupel, Frauerl oder Herrl richtig zu beißen – Katzen nicht, sie sind Freigeister. Erziehen kann man sie kaum.
Über welches Tier sollten wir beim Thema Körpersprache noch reden?
Hunde sind feinfühlig, beobachten uns den ganzen Tag, aber Pferde sind noch sensibler. Ich mag das „Natural Horsemanship“-Training; es basiert darauf, das Vertrauen bei der Bodenarbeit aufzubauen. Ein Pferd kann man beispielsweise im Kreis vor sich hertreiben, nur indem man konzentriert auf den Hinterfuß schaut; Pferde können auf ganz kleine Zeichen reagieren. Weil sie Menschen gut spiegeln, eignet sich diese Arbeit auch für Führungsseminare. In der Interaktion mit dem Pferd merken viele erst, welchen Druck sie ausüben – und lernen, wie sie den auch zurücknehmen können.