Süsse Träume
Lena Zachs war eine gute Schülerin, für alle war klar: Sie studiert nach der Matura. Nur für sie nicht. Sie verlor ihr Herz in der Stadt der Liebe – an die Patisserie.
Lena Zachs © Lena Zachs
Lena konnte das nicht wissen und im Nachhinein betrachtet, ist es auch gut so. Ich habe seit Jahren eine Hassliebe zu Macarons. Ich mag die Konsistenz, die Kombination aus den zart knusprigen Hälften mit der Creme, aber ich gab ihnen in meinem Leben so viele Chancen, die immer wieder aufs Neue verspielt wurden: Ich biss herzhaft in pinke Macarons, in der Hoffnung, einen Hauch eines beerigen Fruchtgeschmacks zu erhaschen. Ich verkostete gelbe Macarons, weil ich Zitronen liebe. Was ich zumeist geschmeckt habe: Eischnee mit Zucker.
Macarons-Flüsterin in Marz
Dann besuchten wir Lena Zachs in Marz. All die Fotos auf ihrem Instagram-Kanal und der Duft in ihrer Backstube versprachen himmlische Offenbarungen. Und jetzt raten Sie einmal, was sie vorbereitet hatte? Richtig: Macarons. Gut, dass ich ein höflicher Mensch bin und meine Gedanken für mich behielt, denn: Die himmlische Offenbarung kam in der Tat. Ich schmeckte beim ersten Macaron Marillen, beim zweiten Salzkaramell, beim dritten Zwetschken, beim vierten … Okay, ja, irgendwann war es auch Zeit für ein Interview.
Lena wuchs in Marz auf, als jüngere von zwei Schwestern. Von Kindesbeinen an liebte sie die Natur – und Papas Werkzeugkoffer; sie half gerne, wenn es etwas Handwerkliches zu tun gab. Sie besuchte das Gymnasium in Mattersburg, mochte Mathe und Latein. Doch die Zukunftsvision wollte sich einfach nicht einstellen. „Ich habe die Studienübersicht rauf- und runtergelesen – und dachte mir nur: Was wäre das geringste Übel?“, schmunzelt sie. Eine Ausbildung zur Fluglotsin hätte sie interessiert, aber aufgrund des Mindestalters für die Ausbildung hätte sie nach der Matura ein Jahr warten müssen, das gefiel ihr nicht. Nach einem Berufsorientierungsworkshop wollte sie ihre Zweifel nicht mehr verheimlichen und fragte daheim: „Muss ich denn studieren?“ – Mama, die nach der Matura ein Wirtschaftsstudium abschloss und später, als die Töchter aus dem Gröbsten heraußen waren, noch ein Philosophie- und ein Ethik-Studium dranhängte, sagte: „Nein, musst du nicht.“ Papa war zunächst skeptisch. Oma schlug die Hände zusammen: „Dann brauchst du gleich die Matura auch nicht.“
Ich liebe den Gedanken, dass meine Torte auf einem Geburtstagstisch steht und den Menschen Freude bereitet.
Lena Zachs, Patissière
An der zweifelte Lena allerdings nicht. Und als sie eines Tages in Wien fasziniert von dessen gleichmäßiger Füllung ein Eclair genoss, traf es sie wie ein Blitz: Das wär’s doch! Sie bat prompt um ein Schnupperpraktikum und absolvierte ein solches noch in den Ferien vor dem Maturajahr – und war schwer verliebt: in die Patisserie.
„Im Sommer war in dem kleinen Betrieb nicht so viel los, der Meister nahm sich viel Zeit für mich. Ich wurde nicht zum Blech-Abwaschen eingeteilt, sondern durfte gleich an Cheesecake und Zitronentarte ran“, schwärmt sie. Gleich nach der Matura machte sie dann tatsächlich die Lehre zur Konditorin; bereut hat die 21-Jährige das keinen Moment. „Ich liebe das, was ich tue: die unendlich vielen Möglichkeiten an Torten und Techniken, all die schönen Zutaten! Es kann unmöglich fad werden“, sagt sie. „Und ich liebe den Gedanken, dass meine Torten inmitten eines Geburtstagsfestes oder einer Hochzeit stehen und den Menschen Freude bereiten.“
Lena Zachs hatte eine schöne Lehrzeit, sie bekam auch genügend Raum, selbst zu gestalten. Im Anschluss daran arbeitete sie noch in einer weiteren Wiener Patisserie, aber sie spürte, dass sie noch längst nicht am Ziel angelangt war.
Auf nach Frankreich
„Ich wollte unbedingt nach Paris, ich war von Anfang an fasziniert von der französischen Patisserie“, verrät Lena. Wenn schon, denn schon: Sie schrieb sich an der renommierten Ferrandi-Akademie ein; für die Möglichkeit ist sie ihren Eltern dankbar, betont sie. Vier Monate lebte sie in der vibrierenden Metropole, „wo die Gehsteige Tag und Nacht voll sind“, lacht sie. Die Hälfte der Zeit hatte sie Unterricht, die andere Hälfte Praxis. Sie habe viel Neues gelernt, von der Herangehensweise über Techniken bis hin zu Kniffen, wie man etwa einen zu intensiven Geschmack ausgleicht; darüber hinaus lernte sie von den anderen Teilnehmer*innen, die aus der ganzen Welt kamen. „Ich habe erfahren, wie einzelne Desserts in Südamerika, der Türkei, Usbekistan oder China gemacht werden. Eine sehr coole Erfahrung.“
In ihrer Freizeit betrieb sie quasi Patisserie-Hopping, Paris habe noch einmal mehr ihren Blick für Genauigkeit und Details geschärft. „Ich habe gelernt: Es zählt jeder Arbeitsschritt. Bei uns ist ein Croissant oft in einer Stunde fertig. In Frankreich achtet man penibel auf die Konsistenz der Zutaten und der Teig wird für eine Nacht in den Kühlschrank gegeben, ehe er verarbeitet wird.“ Croissants gehören übrigens zu Lenas Lieblingen und am liebsten bäckt sie Tartes, auf die sie kunstvoll feine Cremes dressieren kann.
Zukunftspläne
Lena Zachs’ Motivation, selbst loslegen zu dürfen, wurde in Paris schließlich so groß, dass sie noch dort online mit dem ersten Unternehmerinnenkurs am WIFI begann. Mittlerweile ist sie im nervenaufreibenden Finale; es fehlt nur noch ein Teil ihrer Meisterprüfung. Oma konnte leider Lenas schillernden Karrierestart nicht mehr erleben, dafür verwirklicht die Enkelin in ihrer früheren Küche ihre süßen Träume. Seit 2021 bäckt und zaubert sie dort für Kundinnen, was das Herz begehrt: von Weihnachtskeksen über Pralinen bis hin zu Hochzeitstorten. Um das Geschäft anzukurbeln, nützt sie von Beginn an Instagram, sie bastelte sich ihre Website selbst und auch eine Kooperation mit einem Blumengeschäft, das ihre Cupcakes verkaufte, erwies sich als gute Werbung.
In naher Zukunft möchte Lena Zachs weiter auf Auftrag backen. „Später will ich mein eigenes kleines Geschäft haben, vielleicht in Eisenstadt – nach Pariser Vorbild. Ich möchte eine volle Vitrine, sodass man sich spontan etwas holen kann, und außerdem Frühstück anbieten, weil ich es selbst liebe, zu frühstücken“, strahlt sie. Und was? „Im Winter ein wärmendes Porridge, im Sommer ein Smoothie Bowl, jedenfalls immer sehr viel Obst – und dazu gibt es ausschließlich schwarzen Kaffee. Ich liebe Süßes, aber irgendwo muss ich den Zucker einsparen“, lacht sie.
Apropos:
Mit ein Grund, warum Lena sich unbedingt selbstständig machen wollte, war, weil sie stets mit akribischer Sorgfalt ihre Zutaten auswählen will. Die Patissière aus Marz betont: „Ich werde nie meine Eidotter aus dem Tetra Pak gießen.“
erlesene Zutaten
Lena Zachs’ Devise: Alles, was Sinn macht, in Bio-Qualität und so regional und saisonal wie möglich. „Wenn im Winter jemand eine Erdbeertorte von ihr will, geht er mit einer Bratapfeltorte raus – und ist glücklich“, lacht Michi Zachs, Lenas Mama. Ihre Fruchtpürees bereitet Lena selbst zu: Marillen werden beispielsweise in der Saison eingemacht oder eingefroren. Nüsse kauft sie stets im Ganzen und röstet und mahlt sie selbst; sie setzt sich auch im Detail mit den Produzent*innen auseinander. So bezieht sie beispielsweise ihre Haselnüsse vom Marchfeld, der Honig kommt von einem Imker in Marz, die Schokolade von Zotter. Auf Wunsch zaubert Lena Zachs auch vegane Köstlichkeiten.