Agostina Suazo – crazy Pinselstrich

Agostina Suazo © viewitlikejenni/Jennifer Vass

Agostina Suazo’s Bilder ziehen mich als Betrachterin in eine andere Welt und wecken sofort positive Emotionen in mir – die bunten Farben, die klaren Linien, die originellen Muster, die unterschiedlichen Ausdrücke auf den Gesichtern der Frauen, die provokativen Posen. Im Atelier der Künstlerin, das gleich neben ihren Wohnräumen im Schloss Kohfidisch angesiedelt ist, unterhalten wir uns – umgeben von Farbtöpfen, Pinseln, Staffeleien und bunten, hohen Wänden.

Dass Agostina Suazo überhaupt in Österreich landete, war „Zufall“, und dass sie dann auch hier blieb, wohl Schicksal. Aufgewachsen ist sie nämlich in der 7-Millionen-Seelen-Stadt Santiago de Chile, wo Diktatur herrschte. Später verschlug ihr Weg sie nach Mexiko, wo sie ihre Ausbildung als Restaurateurin und Kunstlehrerin abschloss und vier Jahre dort arbeitete.

Die Liebe, weißt du …

Ihr weiterer Lebensweg sollte jedoch ein anderer sein. 2010 entschied sie sich für eine 5-wöchige Indienreise mit ihrem Bruder. Doch bereits nach nur 16 Stunden in diesem ihm fremden Land wollte ihr Bruder unbedingt aufgrund seines Kulturschocks wieder retour und sie flogen über Frankfurt am Main zurück. Dort entschied Agostina, nicht vorzeitig nach Hause zu fliegen, sondern die Reise alleine weiterzuführen und sich die schönsten Städte Europas näher anzusehen. Nach einigen Stationen landete sie in Wien.

Drei Stunden nach ihrer Ankunft in der Bundeshauptstadt lernte sie ihren zukünftigen Mann und heutigen Ex-Mann kennen. „Ich habe mein gesamtes Leben in Mexiko hinter mir gelassen und bin einfach geblieben. Die Liebe, weißt du …“, resümiert die heute 48-Jährige mit einem Lächeln.

Ohne gute Englischkenntnisse und komplett ohne die deutsche Sprache zu beherrschen, blieb Agostina mit ihrer Liebe in Wien und arbeitete als Au-pair. „Es war hart. Ich konnte meine Leidenschaft nicht zu meinem Beruf machen, weil meine Diplome und Ausbildungen hier nicht zählten; stattdessen war ich plötzlich als Au-pair für drei Kinder zuständig.“

An den Wochenenden fuhr sie mit ihrem Mann stets in dessen Heimat im Südburgenland, wo sie bei Künstler Norbert Art-Uro die Wandmalerei erlernte. „Norbert hat mir die Angst vor großen Flächen genommen. Als Restaurateurin war ich es gewohnt, sehr detailliert mit ganz feinen Linien Ausbesserungsarbeiten zu machen. Doch Norbert brachte mir bei, mit meinem ganzen Körpereinsatz zu malen.“

Vor Gericht

Zwei Jahre später zog Agostina mit ihrem Mann gänzlich ins Südburgenland und 2014 bekamen sie ihren gemeinsamen Sohn Diego. Sich in dieser ländlichen Gegend einzufinden, fiel ihr nicht immer leicht – bis heute. Diego ist in der Schule und in seinem Freundeskreis sehr gut integriert. Doch nicht immer waren es nur positive Erlebnisse, die Mutter und Sohn erfuhren. „Diego sieht zwar ‚anders‘ aus, aber er ist durch und durch Burgenländer, das merkt man spätestens dann, wenn er den Mund aufmacht! (lacht)

Aber einmal wurden wir im Freibad von zwei älteren Damen als ‚schmutzige Zigeuner‘ und ‚Gesindel‘ beschimpft und wir sollen ‚dorthin verschwinden, wo wir hergekommen sind‘. Da realisierte Diego zum ersten Mal, dass er anders aussah als die meisten. Er war total verwirrt, es war ein Drama und hat Monate gedauert, bis er sein Selbstvertrauen wieder aufgebaut und diese Situation verdaut hatte.“ Agostina zog gegen die beiden Frauen vor Gericht – und gewann.

Empathie

Dieses und viele andere Erlebnisse (positiv sowie negativ) verarbeitet die Künstlerin in ihren Bildern. So auch den Moment, als sie sich entschied, sich von ihrem Mann zu trennen – das war 2020. Seither lebt das Paar in Freundschaft getrennt und Diego ist eine Woche bei seinem Vater und eine Woche bei seiner Mutter. In ihre Bilder legt Agostina all ihre Emotionen und Gedanken.

„Als ich mich für die Trennung entschied, begann ich mich sehr intensiv mit mir selbst zu beschäftigen. Wer bin ich, wo will ich hin, was soll ich tun? Da hab ich begonnen, Frauen zu malen. Zuerst waren ihre Gesichter auf jedem Bild verdeckt, doch mit der Zeit habe ich sie gezeigt, ihren Ausdruck. Inspiriert werde ich neben meinen Erlebnissen auch von Farben.

Die lateinamerikanischen Farben sind meine Leidenschaft, die Bunt­heit symbolisiert für mich das Leben.“ Ihre zweite Leidenschaft ist heute die Wandmalerei, wobei sie davon träumt, nicht nur traditionelle Landschaftsbilder als Auftragsmalerei zu verwirklichen, sondern ihre Kunst, ihre Frauen auf große Wände im städtischen Bereich zu bringen, wo sie von vielen Menschen gesehen werden. In Wien ist dahingehend bereits einiges in der Pipeline, doch auch dem Burgenland bleibt Agostina treu – im Mai startet sie mit der künstlerischen Bemalung der Kapelle im Schloss Kohfidisch, wo sie sich auf 300 m2 Wandfläche austoben wird.

„Dass ich gut malen kann, weiß ich. Ich möchte aber auch zeigen, wer ich bin. Die Leute glauben, ich bin komplett crazy – und damit haben sie wahrscheinlich auch recht (lacht). Als Geschiedene am Land ist man leider noch immer etwas Exotisches, hinzu kommt meine Herkunft. Deshalb male ich in letzter Zeit sehr viele Bilder von Schuhen. Dabei geht es um Empathie. Stell dir vor, du gehst in den Schuhen von anderen … Ich würde mich freuen, wenn die Menschen offener wären für die Gefühle und Lebenswelten anderer.“

Ihr Atelier öffnet Agostina Suazo nach Voranmeldung oder bei Veranstaltungen:

Tag der offenen Tür im Rahmen von Bildende Kunst Burgenland

• 26. Mai, 10 – 18 Uhr

Gartentage im Schloss Kohfidisch

• 1. & 2. Juni, 10 – 18 Uhr

Kramuri im Schloss Kohfidisch

• 21. & 22. September, 10 – 18 Uhr

www.agostinasuazo.com

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MEHR ÜBER DIE AUTORIN DIESES BEITRAGS:

Mag. Nicole Schlaffer ist Chefredakteurin der BURGENLÄNDERIN und liebt es, Menschen und Ereignisse in spannende schriftliche Storys zu verpacken. Sie behält gerne den Überblick und sucht nach Lösungen, nicht nach Problemen. Gutes Essen & Trinken, Bücher und das Kommunizieren mit Menschen sind ihre Leidenschaften. Sie ist zweifache Mutter und bevorzugt es, an Orte zu fahren, an denen sie davor noch nie war.