Hannah Lea Neckel

floating through reality – Der Park in Pink

Seit Monaten arbeiten Hannah und Lea Neckel an „floating through reality“.

9 Min.

Hannah Lea Neckel ©Julian Lee Harather

… und werden es noch weiter tun, wenn ihre Installation „floating through reality“ in der Landesgalerie bereits der Öffentlichkeit zugängig ist.

Mehr als eine Stunde plaudern wir schon an diesem Spätsommertag, lachen, analysieren die virtuelle Welt, als ich eine Frage – wie folgt – einleite:

„Habt ihr den Barbie-Film gesehen?“

Stille. Das Lächeln der Schwestern friert ein, Lea atmet tief aus und ich erkenne die Irritation in ihrem Gesichtsausdruck.

„Warte“, versuche ich zur schönen Stimmung zuvor zurückzurudern. „Ich möchte nur fragen, wie ihr ihn gefunden habt?“ Aber jetzt hat sie mich neugierig gemacht: „Was dachtet ihr denn, was ich wissen wollte?“

Die beiden lachen wieder; sie haben sich an der Unterstellung sattgehört, sich die Haare zu färben oder auffällig zu kleiden, geschehe nur, um aufzufallen. „Das ist einfach unser Stil, das gefällt uns – und das schon seit 15 oder noch mehr Jahren“, sagt Hannah Neckel, 29, irgendwann im Gespräch und Lea, 25, ergänzt: „Ich mag’s bequem und liebe Pink, das ist alles. Wer verfasst ein Manifest darüber, wie er sich täglich kleidet?“

Und der Barbie-Film?

„Ich finde die ersten 15 Minuten super, danach kann ich keinen feministischen Ansatz erkennen: Für mich ist das ein kapitalistischer, patriarchaler Film, in dem es um Ken geht“, sagt Lea. „Und seit dem Film sagen die Leute hundert Mal öfter Barbie zu mir, sogar auf der Straße.“ Bewusst auffallen und mit den Menschen ins Gespräch kommen wollen Hannah und Lea Neckel damit, was sie künstlerisch tun. Birgit Sauer, die neue Leiterin der Landesgalerie, verfolgt schon lange ihren künstlerischen Weg und lud sie ein. Eines ist fix: Etwas Vergleichbares hat das Haus noch nicht gesehen.

Ihr seid jung aus Eisenstadt weg. Erzählt mal!

Hannah Neckel: Ich bin nach der Matura nach Wien, Lea mit 14 an die Modeschule Herbststraße.
Lea Neckel: Aber: Wir haben eine starke Verbindung ins Burgenland: Wir verbringen jeden Sonntag bei unseren Großeltern in Eisenstadt – und zwar extrem konsequent. Oma und ich kochen; ich liebe die burgenländische Küche!

Mit 14 in die Großstadt: War das einschüchternd?

Lea: Nein, gar nicht.

Hannah: Wir waren zeitgleich in Wien – und wenig später im Ausland: Lea ging mit 16 ein Jahr nach Japan, ich habe in Berlin gelebt. Ich mochte die Musik- und die Kunstszene, auch die Anonymität. Das war ein starker Kontrast zu Eisenstadt.

Lea: Ich wollte etwas ganz anderes, das war Japan auf jeden Fall (lacht). Ich habe einen Schüleraustausch gemacht, das ging super easy. Es ist so wichtig, andere Kulturen kennenzulernen, woanders einzutauchen, gleichzeitig weiß man dann das Leben zu Hause mehr zu schätzen.

Welcher Weg führte euch zur Kunst?

Hannah: Wir haben auch viele andere Jobs gemacht.

Lea: Wir waren zum Beispiel je ein Jahr unabhängig voneinander im Büro. Ich habe mir nach der Schule gedacht, ich suche mir mal einen Job, um ein „normales“ Leben zu führen. Das war schlimm. Ich war in der Schule in einer reinen Mädchenklasse, ich war schockiert über die Männer, von denen ich da plötzlich umgeben war. Danach habe ich im Theater gearbeitet und kam über das Kostümbild in den künstlerischen Bereich.

Hannah: Ich habe begonnen, an der „Angewandten“ (Universität, Anm.) Transmediale Kunst zu studieren. Zwei Jahre drauf kam Lea dazu; wir haben gemeinsam die Kunst des Plastikschweißens gelernt.

Lea: Wir haben das über Jahre perfektioniert und sind heute ein gut eingespieltes Team.
Hannah: Mittlerweile hatten wir Ausstellungen in Wien, Linz, in der Schweiz, in Deutschland.

Welche Gedanken stecken in eurer Kunst?

Hannah: Wir beschäftigen uns mit dem Kreieren von Räumen im physischen Space. Wir sind am Land zu einer Zeit aufgewachsen, in der Internet und Social Media groß wurden. Man konnte plötzlich seine eigene Welt kreieren bzw. in einer anderen Welt mit anderen zusammenkommen. Das Gefühl von dieser Online-­Utopie wollen wir in physischen Räumen manifestieren. Deswegen bedienen wir uns stark der Symbolik, der Ästhetik und der Farben unserer Online-Communitys …

Lea: … und verwenden viel Pink und Tribal Shapes (Muster, Motive, Anm.), die queere Communitys haben.

Ihr seht das Internet auch als Zufluchtsort für marginalisierte Gruppen. Inwiefern?

Lea: Am Land lebt man oft sozusagen „abgeschottet“, aber schon als wir vor 10, 15 Jahren online gegangen sind, haben wir schnell Leute mit ähnlichen Interessen gefunden. Plötzlich gab es eine queere Community, die es gerade vor allem am Land kaum gab.

Bis heute bietet die virtuelle Welt eine wichtige Möglichkeit, sich auszutauschen, gerade für Junge, die ja zunächst nicht wegkommen. Queere Menschen sind ein Beispiel, es gibt viele marginalisierte Gruppen, die online zusammen­finden und der Marginalisierung entkommen können.

Hannah: Einen solchen Raum wollen wir in der Landes­galerie kreieren, aber „in echt“.

Work in Progress. Hannah und Lea lassen sich gerne über die Schulter blicken – online und analog.

Ihr verwendet Begriffe wie „hyperfeminin“ und wendet euch explizit an FLINTA-Personen (die Abkürzung steht für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre und ­agender, Anm.). Warum?

Hannah: Weil es solche Spaces im öffentlichen Raum bis heute nicht gibt. Alles folgt patriarchalen Strukturen …

Lea: … von der Handygröße bis hin zum Auto. Wir schreiben 2024, arbeiten an femininen Räumen und schon deswegen fühlen sich viele angegriffen. Kunst und Kultur sind männlich geprägt.

Hannah: Mädchen, Frauen, queere Personen sollen auf einen Blick sehen: Ich bin willkommen.

Lea: Meinung und Gefühle beispielsweise 14-jähriger Mädchen werden bis heute entwertet; wir wollen sie einladen, sie ernst nehmen und mit ihnen im Dialog sein.

Hannah: Birgit (Sauer, Landesgalerie-Leiterin, Anm.) hat sich ein Konzept gewünscht, bei dem sich die Installation während der Ausstellungsdauer weiterentwickelt – und bei dem wir in Austausch mit den Gästinnen sein können. Darauf freuen wir uns sehr! Es wird mehrere Termine geben, an denen wir vor Ort weiterarbeiten werden. Diese Praxis verfolgen wir auch online: Wir zeigen gerne beispielsweise auf TikTok, wie wir Skulpturen bauen und unsere Inflatables machen.

Apropos: Für eure teilweise „fliegenden“ Teile wendet ihr das Plastikschweißen an. Wie funktioniert das?

Hannah: Wir schweißen zwei hauchdünne PVC-Folien mittels Ultraschall zusammen. Zuvor macht man ein Luftloch für ein Ventil, wie bei einer Luftmatratze.

Hannah Lea Neckel
© Lea Hannah Neckel

Bis heute gibt es keine femininen Spaces im
öffentlichen Raum.
Alles folgt männlichen Strukturen.

Hannah und Lea Neckel, Künstlerinnen

Viele reagieren sensibel, wenn sie „Plastik“ hören …

Lea: Vieles andere wird leider nicht hinterfragt. Wir werfen nichts weg, verwenden unsere Materialien immer weiter …

Hannah: … und haben mittlerweile einen großen Fundus. Wenn ein Teil ein Loch hat, reparieren wir es.

Lea: Zudem sparen wir beim Transport, weil wir sehr viel vor Ort machen.

Was ist die Inspiration konkret für diese Show?

Hannah: Der Schlosspark – und im Speziellen der Herzerl­teich. Der Park ist für uns biografisch super relevant, wir sind jeden Tag am Weg zur Schule oder zur Oma durchgegangen, unser Opa hat uns immer viel vom Park erzählt.

Lea: Spannend finden wir auch, dass er im privaten Besitz und trotzdem ein öffentlicher Raum ist.

Hannah: Im Schlosspark kamen immer schon verschiedene Communitys zusammen und er stand früh für aktuelle Trends und technologischen Fortschritt. So wurde eine Dampfmaschine angeschafft, sie sollte überallhin Wasser pumpen; der Fortschritt diente also der Ästhetik, um Leute zu beeindrucken. Wasser, Technologie, ein Ort, an dem man zusammenkommt, und das Herz: All das fügen wir schön zusammen.

Lea: Wir werden den Herzerlteich nachbauen. Er wird Stück für Stück intensiver zum zentralen Punkt.

Sind das alles Reflexionen auf die virtuelle Welt?

Lea: Auf jeden Fall, alles ist miteinander vernetzt.

Wie sind die Reaktionen üblicherweise, wenn ihr ganze Räume verwandelt?

Hannah: Wie stark die Wirkung von Farben und Symbolen ist und wie unterschiedlich die Leute darauf reagieren, haben wir bei der „Parallel“ (Wiener Kunstmesse, Anm.) erlebt.

Lea: Da kam es vor, dass ein 50-jähriger Mann sagte: „Hier ist alles rosa, da gehe ich nicht rein.“ Ähnliches haben wir mehrfach gehört.

Hannah: Umgekehrt kommen viele junge Leute, die lange bleiben, posen, Fotos machen und mit uns plaudern, weil sie sich wohlfühlen. Das wollen wir erreichen.

Lea: Deswegen machen wir auch bei „floating through reality“ in der Landesgalerie eigene Open-Studio-Termine, wo die Gäst*innen uns zusehen, mit uns in Kontakt treten können, wo sie den Kunstprozess hautnah erleben können.

Infos

Floating Through Reality

Ausstellung/Installation von und mit Hannah & Lea Neckel

Eröffnung: 18. Oktober, 19 Uhr, Landesgalerie Burgenland, bis 26. Jänner 2025.

www.landesgalerie-burgenland.at


„Work in Progress/Meet the Artist“-Termine:

22. November, 13 bis 17 Uhr
06. Dezember, 11 bis 15 Uhr
19. Dezember, 13 bis 17 Uhr
10. Jänner 2025, 13 bis 17 Uhr
24. Jänner 2025, 13 bis 17 Uhr

Social Media: @cybervoid69 und @69lean666

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