
Folkshilfe: zwischen Quetschn, Krisen und großen Bühnen
Die Folkshilfe ist bunt wie das Leben
© Vanessa Hartmann
Die Band Folkshilfe spielte sich vom Straßenpflaster in die Herzen des Landes.
Nun erscheint ihr fünftes Album: „bunt“. Und das beschreibt nicht nur ihre Musik – sondern auch ihr Leben. Ein Gespräch über Durchhaltevermögen, Dialekt, Social Media und die Kraft, weiterzugehen, wenn’s schwer wird.
Wenn Florian Ritt, Gabriel Fröhlich und Paul Slaviczek auf die Bühne gehen, passiert etwas Magisches. Dann verschmelzen steirische Quetschn, Synthesizer-Wellen und dreistimmiger Gesang zu etwas, das man nicht so recht einordnen kann – und genau das ist ihr Erfolgsrezept. „Uns wurde immer gesagt, wir passen nirgends hin“, sagt Florian, das Sprachrohr der Band, „aber jetzt passen wir genau deswegen überall hin.“

Folkshilfe ist seit über zehn Jahren unterwegs. Zuerst zu Fuß, dann mit Tourbus. Zuerst für Hutgeld, heute auf den großen Bühnen des Landes. Nova Rock, Frequency oder Starnacht am Wörthersee – die Liste ihrer Auftritte liest sich wie ein Querschnitt durch die österreichische Musikwelt. Doch der Weg dorthin war gepflastert mit Zweifeln. Mit Sätzen wie: „Mit Dialekt werdet ihr es nicht schaffen.“ Sie haben’s trotzdem gemacht. Und sie haben’s geschafft.
Mit dem neuen Album „Bunt“ geben sie ihrer musikalischen und persönlichen Entwicklung einen Namen. Denn zwischen Touralltag, Familiengründung und Bühnenrausch ist das Leben eben nicht schwarz oder weiß. Es ist vieles. Es ist laut und leise. Zärtlich und zornig. Es ist: Folkshilfe.

Folkshilfe steht für mehr Haltung statt Spaltung.
Florian Ritt
Und für Mut zur Individualität.
Wie ist eure Dynamik zu dritt – nach über zehn Jahren Bandgeschichte?
Florian: Wir harmonieren sehr gut, sonst gäb’s uns nicht mehr. Die Rollen sind klar verteilt. Früher hatten wir mehr Auftritte – aber je größer der Erfolg, desto weniger Konzerte. Früher hatten wir 50 Gigs, heuer spielen wir 15 Mal, dafür vor richtig großem Publikum. Wir lieben die Bühne, das ist der Kitt, der uns zusammenhält.
Ihr habt immer auf Dialekt gesetzt – obwohl euch alle davon abgeraten haben.
Florian: Ja, uns wurde gesagt, das geht nicht mal mehr in Wien. Aber wir haben gespürt, dass es richtig ist. Und in Holland oder Frankreich war das auch nie ein Problem. Musik ist phonetisch. Italopop verstehst du ja auch nicht, aber du fühlst’s trotzdem.
Gab’s nie den Gedanken, auf Hochdeutsch oder Englisch zu wechseln?
Florian: Nein. Du gründest keine Band, um einen sicheren Weg zu gehen. Das machst du, weil du musst. Und wenn’s sein muss, machst du halt Straßenmusik in Bordeaux, aber du ziehst es durch.
Ihr habt euch als Liveband einen Namen gemacht. Warum ist das so wichtig für euch?
Florian: Weil wir da echt sind. Live ist der Ort, an dem wir mit dem Publikum in Resonanz gehen. Das war schon so, als man uns noch nicht aus dem Radio kannte. Da standen hunderte Leute im Club, die alle Texte mitsangen. Das war der Moment, wo wir wussten: Das funktioniert. Und heuer gehen wir mit einem Team von insgesamt 24 Personen auf Tour, zuerst in Deutschland, dann in Österreich.
Ihr kommt in Deutschland auch sehr gut an …
Florian: Ja, immer schon. Besonders bis zum Weißwurscht-Äquator, also bis Baden-Württemberg und Hessen, da geht es ganz gut, dann wird’s mehr Nische. Aber wir haben auch in Berlin oder Hamburg schon Konzerte gespielt.
Euer Sound hat sich vom ersten bis zum fünften Album verändert. Wie würdet ihr diese Entwicklung beschreiben?
Florian: Am Anfang gab’s noch keinen Synthesizer, da war’s einfach Quetschn, Cajón und Gitarre. Heute ist es deutlich elektronischer. Jedes Album hatte einen eigenen Schwerpunkt. Und beim fünften sagen wir: Das Leben ist bunt – und wir auch. Und das Schöne ist: Die Fans sind unseren Weg mitgegangen und darauf sind wir sehr stolz und dafür sind wir sehr dankbar.

Wir fangen uns gegenseitig. Da reicht oft ein Blick auf der Bühne.
Gabriel Fröhlich
Wie entstehen eure Songs?
Florian: Die Ideen, Texte und Melodien kommen meist von mir. Im Studio feilen wir dann gemeinsam daran. Und auf der Bühne werden wir zur Einheit. Das ist keine One-Man-Show, das ist Teamarbeit.
Social Media: Fluch oder Segen?
Paul: Beides. Es ist viel Arbeit – wir machen alles selbst. Gabriel kümmert sich um den Content, ich mache den Videoschnitt. Klar wäre es oft entspannter ohne, aber Reichweite ist wichtig. Wer’s nicht macht, verschenkt Chancen.
Florian: Ich kenne Influencer*innen mit riesiger Reichweite, die trotzdem keine Hütte vollkriegen. Weil: Ohne gute Songs geht’s nicht. Wir sind den langsamen Weg gegangen. Haben über zehn Jahre voll reingehackelt. Keine Eintagsfliege, kein Millennium-Hit. Dafür ein starker Katalog.
Wie geht ihr mit Rückschlägen um?
Paul: Resilienz kommt durch Erfahrung. Du musst auf die Schnauze fallen, um aufzustehen – so entsteht Fortschritt.
Florian: In unserem Song „Schritt für Schritt“ heißt’s: „Das Leben ist kein Germteig, der immer aufgeht; mehr wia a Schlauch, wo ana draufsteht“. Und genauso ist es. Du kannst dich bemühen und trotzdem klappt’s nicht. Aber du gehst weiter. Schritt für Schritt.
Wie politisch ist Folkshilfe?
Florian: Wir stehen FÜR etwas, nicht GEGEN. Es wird viel emotionalisiert. Aber 80 Prozent der Menschen wollen dasselbe: in einer lebendigen Gesellschaft leben, gesund sein, gute Freundschaften, ein gutes Leben. Wir leben in komplexen Zeiten, man kann nicht alles auf einfache Antworten runterbrechen.
Der Populismus nutzt das aus – es wird immer so hart in die Ecken getrieben, viel emotionalisiert und einzelne Debatten werden hochgespielt. Das Leben ist bunt, nicht einfach.
Das Einzige, das zählt, wäre: ein tugendhaftes Leben zu führen, indem man ehrlich ist und jede Person machen lässt, was sie will, aber nicht auf Kosten anderer. Das wäre ein guter Ansatz für alle. Und dafür braucht’s mehr Haltung statt Spaltung.

Auf die Schnauze fallen und aufstehen: So entsteht Fortschritt.
Paul Slaviczek
Ihr wirkt wie eine eingeschworene Truppe. Wie bleibt man nach all den Jahren ein Team?
Gabriel: Wir kennen uns schon seit der Schulzeit, haben dann auch teilweise zusammen studiert (Anm.: Alle drei haben ein Musikstudium). Klar hat jeder mal Phasen, wo’s nicht so läuft. Aber wir fangen uns gegenseitig auf. Da reicht oft ein Blick auf der Bühne.
Florian: Wir haben sehr viel Wertschätzung füreinander. Über die Jahre passiert halt auch viel Leben. Folkshilfe steht auch für Mut zur Individualität. Und dafür, sich nicht als Opfer der Umstände zu sehen.
Wie sieht euer Leben abseits der Musik aus?
Paul: Ich habe einen 3-jährigen Sohn – und ja, er heißt Florian. Das glaubt mir keiner, aber wir hatten das schon vor der Geburt so besprochen.
Florian: Er hat seinen Erstgeborenen an mich verloren. (lacht)
Gabriel: Wehe, wenn das zweite Kind dann nicht Gabriel oder Gabriela heißt … (lacht)
Paul, wie vereinbarst du das Musiker-Leben mit dem Vatersein?
Paul: Ich hatte noch nie Probleme damit, das zu vereinbaren.
Florian: Nur seine Frau! (alle lachen)
Paul: Nein, Spaß beiseite. Wir haben uns schon so kennengelernt, sie wusste, worauf sie sich einlässt. Klar, bin ich oft unterwegs oder an Wochenenden nicht daheim, aber dafür gibt es viele Momente, in denen ich mehr da bin als andere Väter.
Zum Beispiel hab ich einen Monat lang die Eingewöhnungsphase in der Krabbelstube mitgemacht. Ich glaube, ich verbringe mehr Zeit mit meinem Sohn als so manch anderer, der einen 9-to-5-Job hat. Gabriel und Florian nehmen auch Rücksicht auf mich.
Gabriel: Wir nehmen auf die Umstände von jedem Einzelnen Rücksicht. Ich renovier grad zu Hause. Es ist voll die Baustelle daheim. Aber auch das lässt sich mit dem Musiker-Leben gut vereinen.

Das neue Album „Bunt“ erschien Ende April.
Und es verspricht, genau das zu sein: ein musikalisches Lebensmosaik voller Farben, Kontraste und Herz. Folkshilfe bleibt sich treu – ehrlich, energetisch und voller Optimismus.