Kateryna Titova feiert Liszt wie einen Rockstar …
… und huldigt seinem Werk in Raiding in vielen Facetten: als Entertainment, zum Lernen und Genießen
Kateryna Titova © Serhiy Horobets
Ihre langen dunklen Haare blitzen unter einer Baseballkappe hervor und sie trägt ein lässiges Shirt – so meldet sich Kateryna Titova zum Zoom-Interview, im Hintergrund umrahmt von prachtvollen Fresken des Palais Lichtenau in Potsdam. „Ich spiele hier regelmäßig Konzerte, heute bin ich zum Üben hier“, sagt die Pianistin, die als Wunderkind von Nicht-Musikereltern entdeckt wurde und deren künstlerisches Heranwachsen schließlich unzählige Preise begleiteten. Heute ist sie selbst Mutter zweier Söhne und tritt weltweit auf, nach Raiding kommt sie zum dritten Mal – und zwar mit großer Vorfreude.
Du bist Artist in Residence beim Liszt Festival in Raiding. Wie kam es dazu und wie erlebst du die Zusammenarbeit?
In Raiding stimmt für mich alles. Es erwarten mich ein Konzertsaal und Instrumente von hoher Qualität – und das Wichtigste: das Intendantenduo. Johannes und Eduard Kutrowatz sind nicht nur herausragende Musiker und Menschen. Sie machen außerdem eines der besten Festivals, die ich jemals erlebt habe. Sie schenken den Künstler*innen volles Vertrauen, das gibt es praktisch nirgendwo anders mehr, aber nur so können wir uns von der besten Seite zeigen. Diese besondere Verbindung spürt man auch beim Publikum. Oft sagen die Menschen, sie verstehen nicht viel von klassischer Musik. Aber das ist auch nicht notwendig. Man muss nur bereit sein, anzunehmen, was angeboten wird. In Raiding passiert genau das. Ich werde heuer zum dritten Mal kommen, weil mir dort wirklich von Beginn an alles gefallen hat.
Welche Bedeutung hat Franz Liszt für dich?
Große Dinge passieren nicht einfach so im Leben. Meine Eltern waren keine Musiker, ich wurde sozusagen als Naturtalent entdeckt. Ich war erst elf Jahre alt, als mir mein Klavierlehrer das erste Mal Liszt zum Spielen gegeben hat. Das war in Charkiw, in der Ukraine, es ist schrecklich, wie sehr diese Stadt durch den Krieg zerstört wurde, aber meine Musikschule steht noch. Ich bekam dort eine unglaublich gute Ausbildung – und spielte eben schon in einem Alter Liszt, in dem man das normalerweise noch nicht tut, weil seine Musik sehr virtuos ist. Später hatte ich auch noch in Frankreich einen Lehrer, der wiederum beim international anerkannten Liszt-Experten Yakov Milstein studiert hatte. Liszt inspiriert mich außerdem als Mensch: Er hat immer alle zu sich eingeladen und war großzügig. Das ist auch mein Credo: Wir teilen, was wir haben.
„Himmel und Hölle, Liebe und Tod“ – was erwartet das Publikum am 14. Juni?
Eine gute Mischung aus Liszt-Kompositionen. Das Publikum bekommt etwas zum Genießen, Entertainment – und darf auch etwas lernen, ohne dass jemand vorher Bücher lesen muss (lacht). Musik ist für mich Musik, ich will keine Spießigkeit oder Grenzen, weil man irgendetwas nicht kombinieren sollte. Natürlich müssen Ungarische Rhapsodien sein, auch virtuose seriöse Werke wie die große Dante-Sonate werde ich spielen und „3 Liebesträume“ zum Innehalten. Das ist ein sehr vielseitiges Programm, so arbeite auch ich selbst als Künstlerin. Agent*innen haben mir so oft gesagt: „Kateryna, du musst eine Richtung wählen.“ – Aber nein, nicht mit mir!
Deine Söhne sind 8 und 10, du lebst mit deiner Familie in Deutschland und trittst als Pianistin international auf. Wie gelingt dir das?
Mit sehr viel harter Disziplin, Disziplin ist der Weg zur Freiheit. Das habe ich in Deutschland gelernt (lacht). Und außerdem: mit einem sehr starken Willen, als Pianistin meine Unabhängigkeit behalten zu wollen. Mir wurde vor ein paar Jahren klar, wie sehr ich das möchte: eine unabhängige Karriere mit regelmäßigen Konzerten. Dieser Weg geht nicht ohne Disziplin: Ich plane Monate voraus, setze mir selbst Deadlines. Wobei man das auch nicht übertreiben darf, es muss noch Raum für künstlerische Spontaneität bleiben.
Ich will gerne eine gute Mama sein, aber eben nicht nur. Ich möchte meinen Kindern auch ein Vorbild sein und ich halte es für die beste Erziehung, meinen Söhnen ehrlich zu zeigen, was ich mache, wer ich bin. Du würdest doch auch nicht zwei Jahre am Strand sein wollen und nur Blinys (eine Art Pfannkuchen, Anm.) für deine Kinder kochen? Ein Monat wäre vielleicht schön (lacht).
Da bin ich ganz deiner Meinung. – Es gibt auch viele Videos von dir online und es ist wundervoll, dir dabei zuzusehen, wie du dich mit geschlossenen Augen am Klavier in der Musik verlierst. Was geht dabei in dir vor?
Das ist gar keine leichte Frage. Es beginnt schon damit, dass ich nicht gerne Konzerte mit Noten spiele. Es gibt mittlerweile tolle Möglichkeiten, mit dem iPad muss man gar nicht mehr umblättern. Trotzdem stört mich das. Mit den Noten spielen ist für mich persönlich etwas sehr Bodenständiges, natürlich übe ich mit Noten. Das ist wie beim Sport: Du trainierst, wenn du was erreichen willst.
Aber beim Konzert gilt für mich das Gegenteil. Ein Konzert ist immer ein einmaliges Kunstwerk und es geht um diesen magischen Moment, der mit dem Publikum verbindet, du spürst ihn sozusagen gemeinsam. Das gibt den Zuhörer*innen und mir sehr viel Kraft und Energie, es ist fast wie eine Droge, ohne die man dann nicht mehr sein will. Nur dass das eben sehr echt ist und überhaupt nur möglich, weil ich es noch gelernt habe, wirklich tief in die Materie zu gehen. Diese moderne Tendenz, oberflächlich zu sein, alles zu vereinfachen, ist hingegen nichts für mich.
Liszt Festival Raiding
- 8. Juni: Jubiläumsgala 40 Jahre KlavierDuo Kutrowatz
- 13. Juni: Orchester Wiener Akademie mit Martin Haselböck
- 14. Juni: Kateryna Titova
- 15. Juni: Academia Allegro Vivo mit Vahid Khadem-Missagh
- 16. Juni: Divinerinnen
- 21. Juni: Claire Huangci
- 22. Juni: Janoska Ensemble, ensemble minui
- 23. Juni: Orchester Wiener Akademie, Martin Haselböck
Weitere Infos & Tickets: lisztfestival.at
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MEHR ÜBER DIE AUTORIN DIESES BEITRAGS:
Viktória Kery-Erdélyi ist Redakteurin bei der Burgenländerin, hört und schreibt sehr gerne Lebensgeschichten von Jung und Alt, bemüht sich, Menschen, die sich gegen Ungerechtigkeiten engagieren und die Welt zu einer besseren machen wollen, eine Stimme zu geben. Sie studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft und ist zweifache Mama.