Leah Kuch: Leah sitzt auf einem Sofa und ihr Blick geht nach rechts

Lea Kuch brennt für Gerechtigkeit

Für positive Veränderungen muss man aufstehen und Risiken eingehen – das brachte der Investigativjournalist Kurt Kuch seiner Tochter bei, ehe er viel zu früh starb. Das ist genau zehn Jahre her. Lea Kuch erzählte uns, warum sie nie eine Zigarette anrührt und wie sie sein Erbe weiterträgt.

8 Min.

Lea Kuch © Vanessa Hartmann

Für positive Veränderungen muss man aufstehen und Risiken eingehen – das brachte der Investigativjournalist Kurt Kuch seiner Tochter bei, ehe er viel zu früh starb. Das ist genau zehn Jahre her. Lea Kuch erzählte uns, warum sie nie eine Zigarette anrührt und wie sie sein Erbe weiterträgt.

Der große Saal im Offenen Haus Oberwart war komplett gefüllt. Selbst neben den Sesselreihen standen die Menschen Schulter an Schulter. Als Lea Kuch auf die Bühne trat, schienen alle die Luft anzuhalten. Sie hat viel zu jung, mit erst zwölf Jahren, ihren Vater verloren. Kurt Kuch, der unerschrockene Investigativjournalist und zuletzt stellvertretender News-Chefredakteur, wurde nur 42 Jahre alt.

Wo Kurt Kuch zu fragen und wühlen begann, bröckelten bald korrupte Fassaden, bis sie oft zu Staub zerfielen und Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden mussten. Zu seinen bekanntesten Geschichten zählten jene über die Causa Hypo-Alpe-Adria oder über die Eurofighter- und die Buwog-­Affäre; internationale Größen wie die Washington Post, USA Today oder die Süddeutsche Zeitung zitierten ihn.

Ich hatte immer ein großes Bedürfnis nach Gerechtigkeit, das hat mir mein Papa vorgelebt.

Lea Kuch

Und dann kam der Lungenkrebs – und riss Kurt Kuch innerhalb einiger Monate aus dem Leben. Zuvor aber bündelte er noch seine Kräfte, um sich für die Anti-Rauch-Initiative „Don’t Smoke“ zu engagieren (Ziel war u. a. Rauchfreiheit in der Gastronomie). Er wusste, wovon er sprach: Drei Packerl Zigaretten hatte er zuvor pro Tag geraucht.

Auf die Frage, was seine ersten Gedanken nach der Diagnose waren, sagte er im News-Interview: „Dass ich die Hochzeit meiner heute 12-jährigen Tochter nicht erleben würde. Da ist alles vorbeigezogen: ihre Matura, ihr erster Freund – dass ich bei allem nicht dabei sein würde, nur weil ich Trottel geglaubt habe, ich muss rauchen. Ich hätte mich in dieser Sekunde selbst umbringen können vor lauter unendlicher Blödheit.“

Leah Kuch: Leah steht mit den Armen verschränkt
Lea Kuch © Vanessa Hartmann

Carpe Diem. Erinnerungen an Kurt Kuch

Zehn Jahre nachdem ihr Papa gestorben war, stand Lea Kuch nun also vor Kurzem auf der OHO-Bühne und hielt ein Buch in ihren Händen, auf dessen Cover er abgebildet war. Der Titel: „Carpe Diem. Erinnerungen an Kurt Kuch“ – herausgegeben von Lea und Elke Kuch, seiner Witwe. Sie schlug es auf und las jenen Text, den sie ihm gewidmet hatte. Und auch jenes Gedicht, das sie als Kind schrieb, als er starb.

Das war herzzerreißend und schön. In einer Zeit, in der es oft an Empathiefähigkeit zu mangeln scheint, fühlten hunderte Menschen mit der jungen Frau mit.

Das Buch enthält eine Vielzahl an bewegenden Geschichten – verfasst von Familie, Freund*innen und namhaften Persönlichkeiten. Und es erfüllt auch den Wunsch, den Lea Kuch in jungen Jahren hatte. „Ich wollte Freunde und Freundinnen bitten, Geschichten über ihn aufzuschreiben, das habe ich aber nicht geschafft.

Ich wollte meinen Papa mehr kennenlernen, weil ich selbst zu wenig Zeit mit ihm hatte“, sagt Lea Kuch, als wir sie zum Interview treffen. „Ich finde es schön, dass jetzt alle die Möglichkeit bekommen, ihn nicht nur über die Geschichten, die er geschrieben hat, sondern die andere mit ihm erlebt haben, kennenzulernen.“

Woran erinnerst du dich gerne aus deiner Kindheit?

Lea Kuch: Mein Papa hat immer viel gearbeitet, er ist vor allem am Wochenende heimgekommen und hat da auch viel telefoniert – aber ich habe ihn dafür auch bewundert: Ich bin ihm mit einem Spielzeugtelefon nachgelaufen. Meine Eltern machten gerne Feiern bei uns, Grillfeste mit vielen Freund*innen, das mochte ich sehr. In Erinnerung ist mir auch geblieben, dass wir oft zu Burgen und Schlössern gefahren sind, das hat Papa fasziniert, ich fand’s ein bisschen langweilig (lacht).

Dafür haben wir im Auto viel Musik gehört, das war ein großer Verbindungspunkt und prägt mich bis heute: Rock und ein bisschen Metal. Wir hatten ein Lieblingslied, das wir immer gehört haben, ich wünschte, ich wüsste, welches das war – vielleicht „Mr. Brightside“ von The Killers? Wie hast du seinen Beruf erlebt? Ich hab’ das Gefühl gehabt, dass er gut in seinem Job ist, dass er ein wichtiger Mensch ist, das hat mich fasziniert.

Leah Kuch: Portrait von Leah Kuch
Lea Kuch © Vanessa Hartmann

Ich begleite niemanden zum Rauchen hinaus – viele lassen es dann selbst bleiben.

Lea Kuch

Vor allem, als er krank wurde und das öffentlich gemacht hat, waren immer wieder Kameras und bekannte Menschen bei uns daheim. Meine Mama hatte sich karenzieren lassen und wir haben viel Zeit gemeinsam verbracht. Wir haben ihn begleitet, aber der Fokus war darauf, viele gemeinsame Erinnerungen zu schaffen. Wie real die Gefahr war, habe ich gar nicht mitgekriegt.

Er hat auch immer wieder gesagt, dass er nicht sterben wird, ich habe darauf vertraut. Wie war das für dich, als er mit der Diagnose an die Öffentlichkeit ging? Ich habe mir damals nicht so viele Gedanken gemacht, heute bin ich sehr froh darüber, weil er viele angeregt hat, aufzuhören, und mit der Initiative „Don’t Smoke“ viel zum Nichtraucherschutz beigetragen hat, was meine Tante (die Ärztin Daniela Jahn-Kuch, Anm.) sehr intensiv weitergeführt hat.

Wie geht es dir mit dem Thema Rauchen?

Ich rauche nicht und habe es auch nicht probiert. Eine Zeit lang war ich sehr sensibel, wenn Leute in meiner Umgebung geraucht haben, und habe sie dazu angehalten, aufzuhören. Das habe ich irgendwann nicht mehr gemacht, aber wenn heute meine Freund*innen zum Rauchen rausgehen wollen, begleite ich sie nicht mehr – und dann gehen sie oft selber auch nicht.

Lea Kuch und ihr Bedürfnis nach Gerechtigkeit

Hat dich der Beruf deines Papas gereizt?

Als Kind wollte ich Detektivin werden: Sachen herausfinden und Dinge aufdecken (lacht). Als Jugendliche habe ich lange über Journalismus nachgedacht, ich wollte ihm ein bisschen nacheifern, bis mir bewusst wurde: Die Fußstapfen kann ich nicht ausfüllen. Es ist besser, ich finde meinen eigenen Weg.

Sein Erbe führst du anders weiter …

Ich hatte immer ein großes Bedürfnis nach Gerechtigkeit, das hat er mir vorgelebt. Ich konnte eine gute Mischung aus dem, was ich für ihn weitertragen kann, und meinem Weg finden.

Ich mache gerade meinen Master in Psychologie, Kinder- und Jugendpsychologie interessiert mich sehr. Meinen Schwerpunkt möchte ich vor allem auf Entwicklungsstörungen und Neurodiversität legen, weil ich mitbekomme, wie gut es für die Entwicklung von Kindern ist, wenn man möglichst früh richtig ansetzt.

Leah Kuch: Leah von oben – sie hält ihr Buch in den Händen und man sieht die Schrift
Lea Kuch © Vanessa Hartmann

Viele Kinder, die sich in der Schule schwertun, werden schnell abgestempelt, oft heißt es, sie wären „aggressiv“, und das führt oft zu einem Teufelskreis, weil sie irgendwann selber glauben, dass sie „schlecht“ sind, und sich nicht mehr richtig bemühen. Manchmal führt das in die Depression. Ich hoffe sehr, dass ich hier positiv Einfluss nehmen kann.

Dein Papa galt quasi als furchtlos, was war sein Antrieb?

Es hat ihn frustriert, zuzusehen, wie Ungerechtigkeiten passieren, er hat beschlossen, was dagegen zu tun. Dafür muss man Risiken eingehen, das hat er getan, er hatte viel Mut. Er wollte eine bessere Zukunft, vielleicht auch für mich. Er hat mir beigebracht: Wer schweigt, stimmt zu. Für eine positive Veränderung muss man aufstehen und aktiv sein.

Wie erlebst du die Welt heute? Was wünschst du dir?

Mein Papa hätte viel zu tun! – Es müsste dringend was für die Rechte von queeren bzw. Transpersonen getan werden, sehr viel für die Umwelt, und ich finde es furchtbar, welch großer Rückschritt bei Themen wie Rassismus und Ausländerfeindlichkeit passiert ist.

Wenn ich mit Geschichte-Student*innen rede, sagen sie oft, sie würden am liebsten durch die Welt rennen und schreien: „Die Zeichen! Seht ihr nicht die Zeichen?!“ (Sie meint etwa gefährliche nationalistische Tendenzen, Anm.) Wir diskutieren viel, hinterfragen kritisch, tauschen Meinungen aus und überlegen, wie das Individuum zu Veränderungen beitragen kann.

Noch eine ganz private Frage: Hattest du professionelle Begleitung, um den Verlust von deinem Papa durcharbeiten zu können?

Ja, ich war immer wieder in Therapie. Ich habe als Kind lange seinen Tod verdrängt und mir irgendwann eingeredet, dass er eigentlich nur untergetaucht ist und wiederkommt, wenn sich die Lage wieder beruhigt hat. Der zehnte Todestag war emotional sehr aufreibend, aber ich nutze jetzt die Chance, seinen Tod endgültig aufzuarbeiten.

Ich will mit den Menschen, die hier sind, mehr Zeit verbringen, weil man nie weiß, wann man stirbt. Auch deswegen ist es wichtig, Risiken einzugehen, mutig zu sein. Das war für mich jetzt, dieses Kapitel im Buch für meinen Papa zu schreiben.

Leah Kuch: Carpe Diem Buchcover
Carpe Diem. Hg. von Lea & Elke Kuch, edition lex liszt 12. Außerdem neu: Sonderbox „Edition Kurt Kuch“, mit Unterstützung des Landes wurde eine Reihe von vergriffenen Büchern zusammengestellt, die Teil seiner Sammlung waren. Beides erhältlich über shop.lexliszt12.at © lex liszt 12

MEHR ÜBER DIE AUTORIN DIESES BEITRAGS:

© Vanessa Hartmann

Viktória Kery-Erdélyi ist Redakteurin bei der Burgenländerin, hört und schreibt sehr gerne Lebensgeschichten von Jung und Alt, bemüht sich, Menschen, die sich gegen Ungerechtigkeiten engagieren und die Welt zu einer besseren machen wollen, eine Stimme zu geben. Sie studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft und ist zweifache Mama.

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