Die Künstler Katrin S. Weidhofer und Florian Lang mit Tochter

Kunst-Couple im Gespräch

Früher hat’s mehr gescheppert, heute inspirieren einander Katrin S. Weidhofer und Florian Lang. Warum diesmal ihr und der „Anderen“ das Rampenlicht gehört.

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Katrin Weidhofer, Florian Lang © Vanessa Hartmann

Vor gut zwei Jahren ist sie Mama geworden. Was da alles in wenigen Monaten passierte, hat sie erstaunt und beschäftigt. „Da beginnt ein Programm in dir und es läuft. Der Körper baut sich wie selbstverständlich um und erfüllt seine Aufgaben“, erzählt sie, während die kleine Rosalie nachmittagsschläfrig auf der Couch kuschelt. Um sie herum leuchtet das Atelier ihrer Eltern in vielen Farben, einen Platz haben auch schon ihre ersten Werke gefunden.

„Das Mutterwerden ist eine intensive Erfahrung: Zuerst gibst du die Kontrolle über deinen Körper ab und gleichzeitig übernimmst du die Verantwortung für ein neues Lebewesen“, beschreibt Katrin S. Weidhofer.
Seit gut sechs Jahren sind die Künstlerin mit oberösterreichischen Wurzeln und der Künstler Florian Lang aus Stinatz ein Paar. Als ihre Rosalie erst ein Jahr alt war, haben sie sich über eine gemeinsame Ausstellung drübergetraut. Der Erfolg war groß, aber hinter den Kulissen brodelte es durchaus. Sie kamen zu dem Schluss, dass es als kunstschaffendes Paar mit Baby nur klappen kann, wenn sie mit Zeit und Ressourcen haushalten und einander abwechselnd die Bühne überlassen.

So kam es, dass Florian Lang im vergangenen Jahr das Offene Haus Oberwart mit seinen großformatigen Collagen, extravaganten freistehenden Figuren und bewegten Werken – er erweckt sie quasi mit Animationsfilmen zu neuem Leben – bespielte.

Heuer gehört das Rampenlicht ihr. „Wobei es bei uns nichts mehr gibt, wo nicht jeweils die andere Person in irgendeiner Form involviert ist“, verraten sie. Das liegt zum Beispiel daran, dass sie beide Collagen schaffen, in denen verschiedene Techniken, Materialien – und Fotografien – verschmelzen. Nicht selten stellen sie einander Fotos zur Verfügung, die später furchtlos verfremdet auf den Werken hervorblitzen.

Die Entstehung einer Collage ist sozusagen eine Reise, das fertige Bild lässt die Betrachter*innen oft über den Prozess rätseln. Katrin S. Weidhofer und Florian Lang lassen sich in die Karten blicken und öffnen im Frühjahr ihr südburgenländisches Atelier im Rahmen der Initiative des Landes „offen“. Zuvor aber, und zwar schon ab 1. März, wird Katrin S. Weidhofer aktuelle Arbeiten, die gerade entstehen, im OHO präsentieren. „Die Andere“ lautet der Titel.

Lange im Kokon.

„Den Weg zur Kunst zu suchen, war nicht leicht“, sagt sie. „Ich kraxle aber gerne über Hindernisse.“ Katrin S. Weidhofer wuchs in Oberösterreich auf, ging später nach Wien; sie schrieb, malte, zeichnete, nähte, baute Lampen und machte Musik, „aber ich bin nie auf die Idee gekommen, Künstlerin sein zu können“, erzählt sie. Sie hatte Sprachen und Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert, da brachte sie die metaphorische Warnung eines Freundes ganz schön ins Grübeln. „Er meinte, ich sei wie ein Schmetterling im Kokon, der nur am Baum hängt, und wenn ich so weitermache, werde ich eines Tages einfach runterfallen, ohne je meine Flügel entwickelt zu haben.“

Daraufhin packte Katrin S. Weidhofer ihre Bilder in eine Mappe und bewarb sich 32-jährig an der „Angewandten“. Die Mama, die heute sehr stolz ist, schlug die Hände zusammen: „Nicht schon wieder studieren!“ Für Katrin war aber plötzlich alles stimmig. „Die Professorin, die mich aufnahm, sagte zu uns: ,Ich hoffe, ihr seid verwirrt, genau dann entsteht was.‘ – Und ich hab’ mir gedacht: Ich bin endlich am richtigen Ort.“

Konflikte als Inspiration.

Sie war im siebenten Monat mit Rosalie schwanger, als sie ihre Diplomprüfung machte. Das Thema Weiblichkeit, das ihr schon immer als unerschöpfliche Inspirationsquelle diente, wurde um eine bedeutende Facette reicher. Ihr Antrieb sind die Fragen, die sie beschäftigen: Wie bin ich innerlich? Wie verhalte ich mich äußerlich? Was wird von mir erwartet? Welche Konflikte und Widersprüche entstehen dabei? Wie verändert die Mutterschaft mich und meinen Körper?

Die Leinwand ist ihre Gefährtin; sie skizziert nichts, sagt sie: „Ich arbeite aus mir heraus, intuitiv, ohne zu planen und ohne zu wissen, was ich genau tue. Natürlich ist das im Leben anders, aber auf der Leinwand kann ich mich austoben, da kann auch etwas schiefgehen, da ist kein Fehler ein Fehler.“

Den ersten Anstoß gibt zumeist ein Foto; ihre Energie bestimmt die Richtung. Die Reise setzt Katrin S. Weidhofer dann mit Farbe fort, im Finale folgt die Stickerei. Schon lange suchte sie nach einem Weg, ihre vibrierenden Linienzeichnungen auf Leinwand zu übertragen. „Im Lockdown habe ich im Haus meiner Eltern alte Stickereien von mir gefunden und hatte die Lösung.“

Den Titel der Ausstellung „Die Andere“ versteht sie als Bezeichnung „für die eigenartigen Wesen in meinen Bildern, die mich manchmal anschauen oder auch nicht. Sie sind meine Gegenwelt, die ich aus mir freilasse, sie können machen und sein, was sie wollen, sie sind unangepasst und nähren mich so.“

Ob das womöglich aus der Sehnsucht entsteht, aus Rollen auszubrechen? „Sich anpassen zu können, ist im zwischenmenschlichen Leben wichtig. Es ist vielmehr ein Bedürfnis, mich auszuweiten, mich auszustrecken, mir mehr Platz zu nehmen.“ Das bezieht sich auch auf die emotionale Palette. „Frauen wird oft das Gutsein zugeschrieben. Aber wir haben alle anderen Gefühle auch. Mich interessiert auch das Annehmen von negativer Innerlichkeit wie Wut und Hass; ich glaube, wir Frauen sind aber gut darin, das auszubalancieren.“ Das passiert auch in ihren Arbeiten: „Die Wesen, die da auftauchen, sind manchmal irritierend, unheimlich oder angriffslustig, ich muss erst eine Beziehung zu den Bildern aufbauen. Das tue ich, indem ich Elemente einbaue, die beruhigen; ich verbinde Irritierendes mit Annehmlichem.“

Südburgenlandblumen.

„Bei Katrin geht es um die Weiblichkeit, bei mir steht ganz groß drauf: Bub“, lacht Florian Lang. „Ich sage bewusst nicht ,Mann‘, weil ich das alles mit einem Augenzwinkern sehe“, zeigt er auf seine Werkfragmente: schöne Frauen, verspiegelte Brillen und Zombies warten wie Puzzleteile auf ihren Einsatz. „Für manche ist das vielleicht düster, aber ich komme musikalisch aus der Heavy-Metal-Szene – ich finde das lustig.“

Tatsächlich wählt Florian Lang, dessen künstlerische Laufbahn in seiner Jugend begann, einmal mehr eine überraschende Kombination: Friedhofsgrusel und Co. platziert er pointiert auf floralen Bildern, für die er seit Jahren im Burgenland Pflanzen sammelt, presst und trocknet und sie mit unterschiedlichen Techniken behutsam und akribisch in Szene setzt.

Was ist gemalt oder gezeichnet, was ist von woanders entnommen? Florian Lang macht daraus kein Geheimnis und spielt damit auch gerne: „Bei mir geht es stark um die Realitätskonstruktion. Die findet in allen Medien statt. Selbst wenn du über uns die Wahrheit schreibst: Es ist bereits durch deinen Filter gelaufen.“

Katrin und Florian sind einander übrigens bei einer Vernissage in Wien begegnet. „Die erste Frage war: Wie pickst du deine Collagen?“, erzählt sie. Er – nur zwei Jahre älter – war auf dem Gebiet quasi ein alter Hase. „Sie hat sich mit meiner Technik zehn Jahre Scheitern erspart“, lacht er. Ob nun die Liebe zu Collagen und Musik oder ihr Geschmack bei Büchern und Filmen – die Vielzahl der Parallelen verblüffte ihn sofort, „wir sind diametral gleich“, sagt er.

Ihre kunstschaffenden Geister zu fusionieren, war kein Spaziergang, gestehen sie. Dass sie in ihrem individuellen Tun keine Einschnitte in Kauf nehmen wollen, liegt auf der Hand; heute halten sie danach Ausschau, wo sie einander bereichern können. Konkret ist für die Zukunft von bewegten Bildern und Musik die Rede, die nichts ersetzen, sondern ihr aktuelles Schaffen erweitern sollen.

Und wie es sich so lebt als „Artist Couple“? „Wunderschön, furchtbar – und komplex“, schmunzelt er, sie pflichtet ihm bei: „Anfangs hat’s ordentlich gescheppert, es war für uns eine gute Übung, unsere Egos beiseitezustellen. Der Vorteil ist: Wir kennen beide die ‚Ups and Downs‘ im Künstlerdasein – und die Emotionen, die dazugehören. Wir haben gelernt, voneinander zu lernen, uns gegenseitig zu inspirieren.“

Katrin S. Weidhofer: „Die Andere“: Vernissage: 1. März, 19.30 Uhr, Offenes Haus Oberwart (bis 20. März).
„offen“: 5. Mai, Nordburgenland, und 26. Mai, Mittel- und Südburgenland; bildendekunstburgenland.at

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