Anpacken und nicht jammern
Dancing Star, Spitzengastronomin, Hotelière, Genussmensch, Großmutter, Mutter und Ehefrau – ein volles Leben, und das seit 62 Jahren. Wir trafen Eveline Eselböck zum ganz persönlichen Talk über die Anfänge bis heute.
Eveline Eselböck © Vanessa Hartmann
Ihren Mann Walter kennt sie schon seit der Volksschule. Doch erst als Jugendliche lernen sie sich lieben. Und zwar als Walter eines Abends gemeinsam mit der Dorfschönheit die Disko von Evelines Vater betrat. An diesem Abend half Eveline hinter der Bar aus, sie war erst 15. Ihre Blicke trafen sich und es dauerte nicht lange, bis Walter die Dorfschönheit nach Hause brachte und alleine wieder zurückkam. Das war der Beginn einer mittlerweile 47-jährigen Beziehung. Die Heirat folgte recht schnell, denn der Pfarrer, der neben Evelines Elternhaus in St. Margarethen wohnte, hieß es gar nicht gut, dass dort ein Mann ein und aus ging, obwohl das junge Paar nicht verheiratet war. „Wir dachten uns, heiraten wir halt. Kann ja nix passieren“, lacht Eveline. „Mein Vater musste sogar noch unterschreiben, weil ich minderjährig war. Wir hatten eine kroatische Hochzeit mit ganz viel Tradition und Spaß.“ Zwei Jahre später kam Tochter Barbara zur Welt, etwas mehr als ein Jahr danach Stephanie. Eveline arbeitete bei Walter in der Mühle, davor absolvierte sie die Handelsschule. Als Walters Eltern sehr früh verstarben, stand das junge Paar vor der Entscheidung, wie es weitergehen soll. Die Mühle in St. Margarethen wurde verkauft und ein Teil des Hauses in Schützen, in dem sie wohnten, wurde zu einem Lokal umfunktioniert. „Wir sind in der Nacht aufgewacht und haben gesagt, wir machen ein Jugend–Lokal in Schützen. Einen Treffpunkt für junge Menschen aus der Umgebung.“ Der „Taubenkobel“ eröffnete 1984 und war von Beginn an beliebt in der Region und darüber hinaus, vor allem auch bei Künstler*innen. „Wir haben mit minus 100.000 Schilling begonnen. Zudem kam, dass Walter und ich nicht kochen konnten. Er machte den DJ, ich bewirtete die Gäste. In der Küche hatten wir einen Koch, der einfache Sachen wie Toast oder gefüllte Zucchini zubereitete. Geputzt haben wir selber und es ging sich gerade so alles aus mit den Kosten.“
Klick hat’s gemacht
Das nördliche Burgenland war immer gut besucht und besiedelt von und mit Künstler*innen aus verschiedenen Bereichen. Einer davon hatte eine Schauspielagentur in München, wo Mario Adorf, Helmut Qualtinger, -Erich Schleyer u. v. m. unter Vertrag waren. „Der Herr Lenz kam gerne zu uns und hat uns immer gelobt, aber er sagte: ‚Ihr könnt nicht kochen. Fahrt nach München zu einem Österreicher, der dort ein Lokal hat, und schaut euch dort die Küche an.‘“ Schon bald darauf standen Eveline und Walter Eselböck bei Eckart Witzigmann im Lokal. Das war die Trendwende. Daraufhin machte es bei Walter Klick. „Er war wie besessen ab diesem Zeitpunkt, er wollte unbedingt auch so kochen können. Wir haben bei meinen Eltern angerufen und gesagt: ‚Ihr müsst jetzt für einen Monat die Kinder nehmen.‘ Wir waren dann wochenlang unterwegs und haben uns alle Lokale angeschaut, die uns Witzigmann empfohlen hat, haben uns Notizen gemacht und Gespräche aufgezeichnet. Ich bin mit dem Maßband überall rein und hab sogar die Tischtücher abgemessen.“
Nach ihrer Rückkehr ins heimatliche Schützen wurde der „Taubenkobel“ von Grund auf umgekrempelt, das war 1988. Walter legte all seine Kraft in das Erlernen der Kochkunst und wurde schon sieben Jahre später, 1995, Koch des Jahres. „Interessant war, dass alle unsere Gäste total mitgegangen sind mit uns und unserem Konzept. Wir hatten nie Probleme. Alle waren offen für die Veränderungen.“ Eveline machte in dieser Zeit als eine der ersten Frauen die Sommelier-Ausbildung an der Weinakademie in Rust, besuchte sehr viele Winzer*innen national und international. Schon damals, kurz nach dem Weinskandal Mitte der 80er, war sie von der bio-dynamischen Entwicklung überzeugt. Ihre Tochter Stephanie führt diese Vision bis heute am Gut Oggau mit ihrem Mann Eduard Tscheppe weiter.
Wenn du negativ auf die Dinge zugehst, brauchst du gar nicht erst anzufangen.
Eveline Eselböck
Im Jahr 2000 wollten sich Eveline und Walter wieder neu erfinden, denn ein bisschen Angst schwang schon mit. „Es ging alles so schnell, wir wollten die Bodenhaftung nicht verlieren. Wenn du in dieser Liga spielst, musst du andere Produkte verwenden, die natürlich teurer sind, also musst du die Preise erhöhen. Deswegen haben wir das kleine Bauernhaus neben dem ‚Taubenkobel‘ gekauft und dort die ‚Greisslerei‘ eröffnet – ein bodenständiges Lokal, wo man jeden Tag essen oder Kaffee trinken hingehen kann.“
Hinschmeißen kam nicht in Frage
Obwohl zwei Lokale schon Arbeit genug waren, betonte Eveline im Gespräch, dass ihr Leben nicht nur aus dem „Taubenkobel“ und der „Greisslerei“ bestand. 15 Jahre lang schrieb sie für das Magazin Profil die Weinkolumne „Schönertrinken“, war zwei Jahre Präsidentin der Vereinigung von Luxushotels und Restaurats „Relais & Châteaux“. Wird einem das nicht manchmal auch alles zu viel und denkt man bei großen Herausforderungen ans Aufgeben? „Alles hinschmeißen kam für uns nie infrage. Wir hatten so viel Verantwortung, den Mitarbeiter*innen und der Bank gegenüber und auch unseren Kindern. Barbara und Stephanie waren immer dabei, haben bei den Ausflügen dann halt auf der Bank im Restaurant geschlafen oder bei den Winzern auf der Wohnzimmercouch.“
Bei so einem stressigen Leben im Alter noch fit und gesund zu sein, ist keine Selbstverständlichkeit. „Was viele in der Gastronomie verabsäumen, ist, sich Auszeiten zu nehmen. Wir hatten im Jänner immer geschlossen und nutzten diese Wochen für Kuren und Erholung. Wir machen seit 35 Jahren drei Mal die Woche Yoga, komme, was wolle. Wir waren auch oft in Indien und haben uns viel mit Ayurveda beschäftigt.“
Das Arbeiten und Leben mit dem Partner gemeinsam sieht Eveline als Vorteil. Es gibt viel mehr Verständnis – denn den 16-Stunden-Tag haben beide durch-gemacht. Und das Geheimnis einer langjährigen, guten Beziehung? „In den letzten 47 Jahren gab es natürlich viele Krisen. Aber wenn du jemanden hast, der dich mitzieht und stark bleibt, wenn es dir schlecht geht, dann hält das.“
Neue Dinge
In eine dieser Krisen stürzte Eveline vor einigen Jahren, als sie sich aktiv aus der Gastronomie zurückzog und an ihre Tochter Barbara und deren Mann Alain Weissgerber übergab. „Am Anfang stand ich in der Früh auf, zog mich an und dachte: ‚Wohin gehe ich jetzt? Ich brauch’ ja nicht mehr ins Lokal.‘ Das war hart.“ Doch Walter fing seine Frau auf und organisierte für sie einen einmonatigen Italienisch-Kurs in Venedig, ein lang gehegter Traum von Eveline.
Ebenso war es für sie eine willkommene Abwechslung, als der ORF wegen Dancing Stars an ihre Tür klopfte, wenngleich zu Anfang auch Skepsis mitschwang. „Zuerst dachte ich mir: ‚Oh Gott, warum sollte ich das machen?‘ Aber meine Kinder und Enkelkinder waren so begeistert von der Idee. Und dann dachte ich, ich muss das machen. Wir Frauen ab 60 müssen mutiger sein. Wir sind raus aus dem Geschäft, werden auf Partys vielleicht übersehen, haben nicht mehr das jugendliche Auftreten. Aber uns gibt es noch. In der Zeit von 30 bis 60 tut sich so viel, du baust dir dein Leben auf, gründest eine Familie, ein Heim, eine Karriere. Aber die Zeit von 60 bis 90 ist genauso lang. Und was soll ich jetzt tun? Ganzen Tag im Kaffeehaus sitzen? Viele Frauen in meinem Alter haben ihr Leben ihrem Mann oder den Kindern gewidmet und in der Pension stehen sie da und werden darauf reduziert, gut kochen oder putzen zu können. Ich möchte zeigen, dass wir mit 60+ noch neue Dinge probieren können und uns neu auf das Leben einlassen können.“
Eine Pension in der Pension
Heute leben Eveline und Walter in Rust und leiten in der Pension eine Pension – das „Drahteselböck“. Auf die Frage, ob es noch etwas gibt, das sie menschlich überraschen kann, lacht die 62-Jährige: „Nein! Meine Tochter hat erst letzte Woche gesagt: ‚Wenn man dich hat, braucht man keine Antidepressiva.‘ Ich war immer positiv, auch den Menschen gegenüber. Natürlich erlebst du in der Gastro viele Sachen, die nicht immer nur toll sind. Aber der Tag ist gleich, ob ich nun gut oder schlecht drauf bin – da entscheide ich mich lieber für das Erste. Wenn du negativ auf die Dinge zugehst, dann brauchst du gar nicht erst anzufangen. Anpacken und nicht jammern.“ Am Familientisch können schon auch mal die Fetzen fliegen. Es wird offen über alles kommuniziert, die Unterhaltungen sind lebhaft bis emotional. „Meine zwei Schwiegersöhne haben es am Anfang sicher nicht leicht gehabt“, erinnert sie sich mit einem Schmunzeln. Junge Menschen sind für Eveline wie ein Lebenselixier, ebenso das Rausgehen aus der Komfortzone, etwas Neues zu probieren, Bewegung zu machen, die Natur und die frische Luft zu genießen. Sie ist der Überzeugung, dass jede Frau an etwas Bestimmtes denkt, wenn es darum geht, was sie schon immer machen wollte, es sich aber nie getraut hat oder es zeitlich nicht schaffte. In der Pension sei genau dafür dann Zeit.
„Jede Frau, die in ihrem Leben Kinder zur Welt gebracht hat und/oder einen Beruf hatte, die kann ja was. Seid von euch selbst überzeugt, zweifelt nicht an euch. Der Zweifel ist der Tod einer wirklich guten Veränderung!“