Warum Social Freezing Frauen mehr Selbstbestimmung ermöglicht
Wir haben mit zwei Frauen über ihre Beweggründe für Social Freezing gesprochen.
© Tiny Feet
Was bislang nur im Ausland möglich war, soll nach einer Entscheidung des VfGH künftig auch in Österreich erlaubt sein: Social Freezing. Warum das Einfrieren von Eizellen Zeit schenkt und Druck nimmt – wir haben mit zwei Frauen über ihre Beweggründe gesprochen.
Mein Körper, meine Regeln!
Karriere, Familie, ein eigenes Haus – und das am besten alles mit Anfang 30. Aber was, wenn man karrieretechnisch noch etwas länger am Ball bleiben möchte, der richtige Partner fehlt? Oder man sich mit der Kinderplanung einfach noch etwas Zeit lassen will? Wäre da nicht das Problem mit der Fruchtbarkeit. „Das optimale Fruchtbarkeitsalter bei Frauen liegt zwischen 20 und 30 Jahren, danach minimiert sich die Eizellreserve mit steigendem Alter und auch die Qualität der Eizellen nimmt stetig ab“, erklärt Dr. Birgit Huber, Kinderwunsch-Expertin bei der Kinderwunschklinik Tiny Feet. Die Lösung: Social Freezing, also das Einfrieren von Eizellen aus nicht-medizinischen Gründen, um die Fruchtbarkeit für die Familienplanung zu einem späteren Zeitpunkt zu erhalten. Wie Egg Freezing funktioniert, was der aktuelle Beschluss des Verfassungsgerichtshofs für Frauen bedeutet und warum Social Freezing ein wichtiger Schritt in Richtung Selbstbestimmung ist.
Ein Meilenstein: Social Freezing bald in Österreich erlaubt
Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) Ende Oktober, wonach das Verbot des sogenannten „Social Egg Freezing“ verfassungswidrig ist und mit 1. April 2027 aufgehoben werden muss, ist das Einfrieren von Eizellen aktuell in aller Munde. Bislang war dies nur aus medizinischen Gründen möglich, die die Fortpflanzung einschränken könnten, wie etwa eine chronische gynäkologische Erkrankung oder bei Chemotherapie. Männer hingegen können ihre Spermien bereits seit Jahrzehnten kryokonservieren.
Die Entscheidung des VfGH: Es würden keine ethischen Probleme durch Social Freezing entstehen, und auch ein möglicher sozialer Druck auf Frauen sei kein ausreichender Grund für das Verbot. „Der Wunsch, ein Kind zu haben und daher eine natürliche oder medizinisch unterstützte Methode der Fortpflanzung zu verwenden, ist Teil des Privatlebens und damit ein Grundrecht nach der Europäischen Menschenrechtskonvention“, hieß es seitens des VfGH. Eine Entscheidung, die vor allem für Frauen viel bedeutet und ein Freiheitsschlag in Sachen Selbstbestimmung über den eigenen Körper ist, und auch von Kinderwunsch-Expertinnen und Experten in Österreich begrüßt wird: „Frauen können heute frei entscheiden, wann und unter welchen Umständen sie Mutter werden möchten. Social Freezing bietet dafür eine medizinisch sichere Möglichkeit und unterstützt eine Lebensplanung, die sowohl persönliche als auch berufliche Ziele berücksichtigt“, betont etwa der Kinderwunsch-Experte und Reproduktionsmediziner Priv.-Doz. DDr. Michael Feichtinger, Leiter des Wunschbaby Instituts Feichtinger. Die Zulassung von Social Freezing sei damit nicht nur ein medizinischer Fortschritt, sondern auch ein Signal für gesellschaftliche Offenheit und Selbstbestimmung. „Die Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer zeitgemäßen Reproduktionsmedizin in Österreich“, so Feichtinger. Auch für die Kinderwunschklinik Tiny Feet stellt diese Entscheidung einen Meilenstein für Frauen dar, um ihre Familienplanung selbst zu bestimmen. „Mit Social Egg Freezing wird Frauen nun auch in Österreich ermöglicht, ihren Kinderwunsch selbstbestimmt zu planen – damit wird die vollkommene Entscheidungsfreiheit bei der Fortpflanzung endlich Realität“, so Dr. Rudolf Rathmanner, Gründer von Tiny Feet.
Weniger Druck, mehr Selbstbestimmung
Dass Social Freezing eine neue Art von Freiheit und selbstbestimmter Lebensplanung ermöglicht, können auch Marlene (44) (Name von der Redaktion geändert) und Tanja (32) bestätigen. Beide Frauen haben ihre Eizellen bereits einfrieren lassen und damit den Druck in Sachen Kinderwunsch und Familienplanung für sich reduziert. Doch der Weg dahin war für beide, insbesondere Marlene, nicht unbedingt einfach.
Zwei Frauen sprechen über ihre Erfahrungen
Marlene, 44
Marlene war 35 Jahre alt, als sie die Entscheidung traf, ihre Eizellen einfrieren zu lassen. Eine Trennung veranlasste sie 2017 dazu, sich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen und sich über die Möglichkeiten von Social Freezing im Ausland zu informieren. „Ich war damals ein ziemliches Unicorn und kannte niemanden, der das schon gemacht hatte, aber ich wusste genau, das ist das Richtige für mich, weil ich einfach Angst hatte, meine Fruchtbarkeit zu schnell zu verlieren. Ich brauchte einfach mehr Zeit und weniger Druck“, so Marlene im Gespräch mit der NIEDERÖSTERREICHIN. Ihre Wahl fiel schließlich auf eine Klinik in Brünn, etwa zwei Stunden von ihrem Wohnort Wien entfernt. Nachdem sie alle gesundheitlichen Risiken abgeklärt und unzählige Untersuchungen, Ultraschalls und Bluttests durchgeführt hatte (diese waren in Österreich möglich), konnte sie mit der hormonellen Stimulation beginnen. „Ich habe durch YouTube-Videos gelernt, mir selbst Spritzen zu geben“, erinnert sich Marlene.
Ich habe durch YouTube-Videos gelernt, mir selbst Spritzen zu geben“
Marlene, 44
Im weiteren Verlauf wurden ihr bei einem Eingriff unter Vollnarkose in Brünn schließlich Eizellen entnommen und kryokonserviert. Die Kosten für die Entnahme und Einlagerung – damals noch etwas günstiger als heute, etwa 1500 Euro pro Eingriff und etwa 500 Euro Gesamtkosten für die Lagerung – trug Marlene selbst. Die heute 44-Jährige ist mittlerweile sogar einen Schritt weiter und hat sich für Solo-Mutterschaft entschieden. Sie möchte mithilfe eines Samenspenders und künstlicher Befruchtung Mama werden – ganz ohne Partner. Auch das ist aktuell nur im Ausland möglich, weshalb sie sich nun in einer Klinik in Madrid ihre Eizellen aus Brünn künstlich befruchten und einsetzen ließ. Eine selbstbestimmte Entscheidung, auf die sie stolz ist und die sie jederzeit wieder so treffen würde.
Tanja, 32
So geht es auch Tanja, die ihre Eizellen vor einem Jahr krykonserviere ließ. Für die 32-Jährige ging es bei ihrer Entscheidung ebenfalls darum, den Druck zu reduzieren und selbst über ihre Familienplanung bestimmen zu können. „Ich war in einer sehr jungen Partnerschaft und habe einfach gedacht, ich bin jetzt 31, wenn ich ein, zwei Kinder möchte, vielleicht sogar drei, dann müsste ich relativ bald beginnen. Ich will meinen Partner aber auch besser kennenlernen, zusammenziehen – eben die üblichen Schritte einer Beziehung durchlaufen, ohne den Druck der sinkenden Furchtbarkeit zu spüren.“, so Tanja. Auch ihr Job und die Karriereplanung spielten eine große Rolle, denn als Frau in einer Führungsposition ist sie aktuell noch nicht bereit, in ihrem Berufsleben für die Kinderplanung zurückzustecken.
Ich will die üblichen Schritte einer Beziehung durchlaufen, ohne den Druck der sinkenden Furchtbarkeit zu spüren.
Tanja, 32
Ursprünglich wollte auch sie den Weg ins Ausland gehen, um ihre Eizellen einfrieren zu lassen. Nach einigen Kontrolluntersuchungen stellte ihre Gynäkologin allerdings Endometriose fest und so konnte sie die Kryokonservierung schließlich doch in Österreich durchführen. Tanjas Umfeld reagierte gemischt auf ihre Entscheidung. Während ein Großteil dem Thema positiv gegenüberstand und neugierig war, gab es auch kritische Stimmen: „Die kamen tatsächlich aus dem Familienbereich, und manche meinten, das geht jetzt dann alles schon in Richtung ‚Designer-Baby‘“. Das führt die 32-Jährige unter anderem auf die immer noch große Wissenslücke rund um Fruchtbarkeit zurück. Wie wenig Österreicherinnen und Österreicher tatsächlich darüber wissen, zeigt auch eine aktuelle Studie von „Die Fruchtbar – Verein Kinderwunsch Österreich“. Demnach fühlen sich 83 Prozent der in Österreich lebenden Menschen schlecht über Fruchtbarkeit, Kinderwunschbehandlungen und die gesetzlichen Regelungen informiert.
Mit dem Tabu brechen
Ob sie es wieder tun würden? Darauf antworten beide Frauen mit einem absolut überzeugten „Ja“! Sowohl Marlene als auch Tanja hat das Einfrieren ihrer Eizellen neue Freiheit geschenkt und ihnen mehr Zeit verschafft. Warum sie so offen über ihre Entscheidung sprechen? Beide möchten mit dem Tabu brechen und zu einem breiteren Diskurs über Social Freezing und die damit einhergehende Selbstbestimmung beitragen. „Das ist, glaube ich, das, was vielen Frauen fehlt – echte Geschichten, die erzählt werden“, betont Marlene, die mit ihrer eigenen Story bereits andere Frauen in ihrem Umfeld dazu ermutigt hat, denselben Schritt zu gehen. Auch Tanja möchte junge Frauen dazu bewegen, sich genauer über das Thema zu informieren, ihre Möglichkeiten zu kennen und so eine für sie richtige Entscheidung zu treffen: „Wenn du das Gefühl hast, du willst irgendwann Kinder und du merkst, dass es aus unterschiedlichen Gründen – weil du keinen Partner hast oder es aktuell nicht reinpasst – gerade nicht geht, dann mach es!“
5 Fragen an Dr. Birgit Huber
Kinderwunsch-Expertin bei Tiny Feet

Wie funktioniert Egg Freezing?
Der Prozess beginnt mit einer medizinischen Abklärung und einer hormonellen Stimulation über etwa zehn Tage. Danach werden die Eizellen unter kurzer Sedierung entnommen und mittels Vitrifikation schockgefroren. So können sie über viele Jahre sicher gelagert und später für eine Kinderwunschbehandlung genutzt werden.
Welche medizinischen Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Für Social Freezing benötigen wir in erster Linie eine gute ovariellen Reserve, die wir über Hormonwerte wie AMH und Ultraschall beurteilen. Wichtig ist auch ein allgemein guter Gesundheitszustand, damit die hormonelle Behandlung und die Eizellentnahme sicher durchgeführt werden können.
Gibt es eine Altersgrenze?
Da es aktuell in Österreich noch nicht erlaubt ist, gibt es auch derzeit keine gesetzliche Altersgrenze für das Social Egg Freezing. Aber der Verfassungsgerichtshof hat darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber begleitende Maßnahmen wie Altersgrenzen oder Aufklärungs- und Beratungspflichten einführen könnte. Frauen müssen auf jeden Fall gut beraten und aufgeklärt werden. Wir wissen, dass ab 35 die Eizellqualität deutlich sinkt und dass es ab ca. 38 zunehmend schwer wird, genug reife Eizellen pro Zyklus zu gewinnen.
Klappen die Eizellenentnahme und das Einfrieren gleich beim ersten Mal?
Ja, die Eizellenentnahme und auch das Einfrieren klappen fast immer beim ersten Versuch – aber die gewünschte Anzahl an Eizellen wird oft NICHT mit nur einem Zyklus erreicht. Es ist sinnvoll, um die 15 Eizellen einzufrieren, damit die Frau später eine reelle Chance auf eine Schwangerschaft hat. Im Schnitt entstehen pro Zyklus 8-14 Eizellen, aber nur ein Teil davon ist reif. Wie viele Durchläufe nötig sind, hängt vom Alter der Frau und der Eizellreserve ab. Im Durchschnitt braucht es 2-3 Durchläufe.
Wie hoch sind die Kosten und was übernimmt die Krankenkasse?
Die Kosten pro Durchlauf betragen ca. 4000 Euro. Die Krankenkasse übernimmt nichts. Dazu kommen noch monatliche Lagerungsgebühren.
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