Warum die Mammografie ein wenig wehtun darf. Doris Glocknitzer-Mad, Leiterin Brustgesundheitszentrum Eisenstadt

Bestärkende Zukunftsmusik

Wird eines Tages keine Chemo mehr nötig sein? Wir stellen Brustkrebs-Spezialistin Doris Glocknitzer-Mad die wichtigsten Fragen rund um Brustkrebsvorsorge.

7 Min.

© Vanessa Hartmann

Sie war sieben Jahre alt, als sie es klar formulierte: „Ich werde Medizin studieren.“ Heute ist Doris Glocknitzer-Mad Chirurgin und Leiterin des Brustgesundheitszentrums Eisenstadt im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder. Sie war maßgeblich am Aufbau dessen beteiligt und erfüllt ihre Mission mit so viel professionellem Engagement und Herzblut, dass sie beim Ranking der Top-90-Frauen im Burgenland durch die Jury auf Platz eins gewählt wurde. Wir trafen Doris Glocknitzer-Mad zum Interview.

Ihre Abteilung ist seit 2017 als Brustgesundheitszentrum zertifiziert.
Welche Bedeutung hat das?

Doris Glocknitzer-Mad: Das steht für die Qualität unserer Arbeit; wir haben eine Reihe an Richtlinien zu erfüllen, um das Zertifikat zu behalten. Wir sind ein interdisziplinäres Team aus Fachärztinnen für Chirurgie, Radiologie, Onkologie, Pathologie, Breast Care Nurses, Psychologinnen und Physiotherapeutinnen. Im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen Patientinnen mit – ich spreche bewusst nicht allein von Karzinomen – Veränderungen in der Brust.

Salopp gefragt: Was kann alles los sein in der Brust?

Die Brust besteht aus verschiedenen Geweben und ist sehr komplex: Da sind die Milchläppchen, die Milchgänge, wo die Milch in Richtung Brustwarze transportiert wird – in allen Bereichen können Veränderungen stattfinden. Die können gutartig sein, jede Brust darf Zysten haben, die können sich mit Blut füllen, wenn man sich verletzt, es können Entzündungen und Rötungen auf der Haut entstehen. Es gehört abgeklärt, diese Dinge können harmlos sein.

Warum die Mammografie ein wenig wehtun darf. Doris Glocknitzer-Mad, Leiterin Brustgesundheitszentrum Eisenstadt
© Vanessa Hartmann
Warum müssen wir zur Vorsorge, was sind die aktuellen Fakten?

Die Mammografie hilft, Brustkrebs in einem sehr frühen Stadium zu erkennen: Eine zwei bis drei Millimeter kleine Veränderung würde man nie ertasten; die Wahrscheinlichkeit, in diesem Stadium geheilt zu werden, liegt aber bei 95 bis 98 Prozent. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Zeit hat der Tumor zu metastasieren.

Wie oft sollte man selbst abtasten?

Einmal im Monat, am besten zwischen dem fünften und zwölften Zyklustag. Es gibt Anleitungen und Videos, aber es funktioniert auch intuitiv. Man stellt sich nackt vor den Spiegel und schaut: Sehe ich Veränderungen? Dann hebt man die Arme und schaut erneut. Unter der Dusche hält die eine Hand die Brust von unten nach oben, mit der zweiten tastet man von oben nach unten; ebenso gehören die Achseln abgetastet. Wenn man das immer wieder macht, fallen Veränderungen auf.

Wann geht man zur Vorsorgeuntersuchung?

Bislang wurde mit einem Brief zwischen 45 und 69 Jahren eingeladen, das wird nun auf 40 Jahre herabgesetzt. Wenn man Sorge hat, kann man sich schon früher für das Screening-Programm anmelden (www.frueh-erkennen.at).

In einem sehr frühen Stadium stehen die Heilungschancen bei bis zu 98 Prozent.

Doris Glocknitzer-Mad, Leiterin Brustgesundheitszentrum Eisenstadt

Manchmal trifft es ganz junge Frauen …

Je jünger die Patientin ist, desto wahrscheinlicher ist, dass es sich um familiär bedingten Brustkrebs handelt. Den hat man nicht automatisch, wenn Mutter oder Tante erkrankt sind, sondern wenn bei einer entsprechenden Untersuchung eine genetische Mutation entdeckt wird. Das ist eine wichtige Information im Hinblick auf Vorsorge- und Therapiemöglichkeiten; bei genetisch bedingtem Brustkrebs ist auch Eier­stockkrebs häufiger, aber es macht natürlich einen Unterschied, wenn die Rede von einer 25 Jahre jungen Frau ist, die vielleicht einen Kinderwunsch hat.

Es ist genau zehn Jahre her, als Angelina Jolies Fall teilweise sogar für Entrüstung sorgte. Wie stehen Sie heute dazu?

In Fachkreisen war das damals schon nicht exotisch, sondern die Therapie der Wahl: Jolie ließ sich nicht die Brüste abnehmen – wie es teilweise hieß –, sondern die Brustdrüsen entfernen und hat auch eine Sofortrekonstruktion erhalten. Keine Frau muss mehr Sorge haben, dass sie entstellt wird, es gibt sehr schöne Operationsmöglichkeiten mit Silikon oder Eigengewebe.

Wieso ist eine Mammografie unangenehm bis schmerzhaft?

Je stärker die Kompression der Brust zwischen den zwei Platten ist, desto besser ist die Bildqualität; das tut einer Frau, die ein sehr dichtes Brustgewebe oder eine große Brust hat, weh.

Warum die Mammografie ein wenig wehtun darf. Doris Glocknitzer-Mad, Leiterin Brustgesundheitszentrum Eisenstadt
© Vanessa Hartmann

Es gibt viele neue Immuntherapien. Die Hoffnung liegt darin, irgendwann den Tumor ohne Chemo oder Operation zu besiegen.

Doris Glocknitzer-Mad
Mammografie und Ultraschall: Wieso braucht es beide?

Weil sich die zwei Methoden ergänzen. Einzelne Veränderungen sieht man nur in der Mammografie, beispielsweise Mikrokalk, andere nur beim Ultraschall. Zusätzlich kann eine Magnetresonanz-Mammografie gemacht werden. Wichtig zu wissen: Am Bild kann man nur sagen, ob etwas gut- oder bösartig aussieht, erst mit der Biopsie lässt sich Krebs diagnostizieren.

Diagnose Brustkrebs: Welche Möglichkeiten hat man heute?

Es gibt sehr viele Arten von Brustkrebs, jede braucht eine eigene Art von Behandlung; deswegen sind Fachärzt*innen so wichtig. Manche Patientinnen werden gleich operiert und erhalten danach meist eine Strahlentherapie, andere brauchen vor der OP eine Kombination aus Chemo- und Immuntherapie. Es gibt mittlerweile viele neue Immuntherapien.

Was passiert dabei?

Bei Immuntherapien werden keine giftigen Substanzen verwendet, die Zellen abtöten. Es sind Medikamente, die bestimmte Funktionen der Zelle hemmen. Es kann sein, dass wir in ein paar Jahren keine Chemotherapie mehr brauchen. Auch Immuntherapien haben Nebenwirkungen, aber nicht so massive. Die Hoffnung liegt darin, dass man in Zukunft nicht den ganzen Körper und jede Zelle behandelt, sondern konkret Tumorzellen zerstören kann.

Warum die Mammografie ein wenig wehtun darf. Doris Glocknitzer-Mad, Leiterin Brustgesundheitszentrum Eisenstadt
Im Interview. Doris Glocknitzer-Mad leitet ein interdisziplinäres Team, das sich mit viel Herzblut für Frauengesundheit engagiert.
© Vanessa Hartmann
Begegnen Sie Frauen, die „sehr spät“ kommen?

Ja, leider. Besonders für ältere Frauen ist das noch immer ein Tabuthema. Kürzlich war eine Dame wegen einer anderen Sache da und bei der Aufnahme fiel auf, dass ein Knoten bereits durch die Haut gewachsen war. Bei jüngeren Frauen gilt wiederum: Je größer die Brust, je dichter das Gewebe, umso schwieriger ist es, die Brust abzutasten; auch viel Fettgewebe kann das erschweren und es könnte sich sogar ein größerer Knoten in der Brust befinden. Aber: Weil der Knoten groß ist, bedeutet es nicht, dass es Metastasen gibt. Hingegen kann theoretisch ein vier Millimeter kleiner Tumor schon metastasiert sein. Wir haben die ältere Dame biopsiert, es war Brustkrebs. Aber sie hatte keine Metastasen.

Vorsorge bedeutet Früherkennung. Kann man präventiv etwas tun?

Es gibt bei keiner Krebsart den Faktor. Aber es gibt Dinge, die man beeinflussen kann. Beim Menschen entstehen jeden Tag Krebszellen; die Immunabwehr erkennt sie und tötet sie ab. Ist sie entgleist, kann das Immunsystem eine Zelle übersehen. Das kann in jungen und älteren Jahren sein. Man weiß: Wenn das Immunsystem gut funktioniert, ist das Krebsrisiko geringer. Das bedeutet: auf eine gesunde Lebensführung achten. Dazu gehören eine ausgewogene Ernährung, Bewegung, ausreichend Schlaf und möglichst wenig Stress – und dass man nicht raucht.

Warum die Mammografie ein wenig wehtun darf. Doris Glocknitzer-Mad, Leiterin Brustgesundheitszentrum Eisenstadt
© Vanessa Hartmann

kontakt

Brustgesundheitszentrum:

Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Eisenstadt,
Johannes-von-Gott-Platz 1
Tel.: 02682/601-2710

Ambulanzzeiten:
Donnerstag von 8 bis 12 Uhr oder nach telefonischer Vereinbarung
Österreichisches Brustkrebs-Früherkennungsprogramm

www.frueh-erkennen.at

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