Geschenke für alle

An einem der inspirierenden Kunst-Orte: Sabine Kritsch-Schmall und Eva Maltrovsky präsentieren in Wander Bertonis Gritschmühle einen etwas anderen Reiseführer.

4 Min.

MIT EXPERTISE UND HERZ. Eva Maltrovsky und Sabine Kritsch- Schmall: „Kunst-Orte“ (Edition lexliszt12). © Bassam Halaka/lexliszt12

Manchmal verschmelzen die Skulpturen so harmonisch mit der Landschaft, dass man zwei Mal hinsehen muss, um das von Menschen Gemachte zu entdecken. Und manchmal erheben sie sich mit solcher Monumentalität aus der Landschaft, dass man sie von Weitem sieht. Künstlerinnen aus vielen Nationen arbeiteten ab Ende der 1950er rund um Karl Prantl beim „Symposion Europäischer Bildhauer“ in St. Margarethen und entlang der „Fluchtstraße“ stehen die Werke von rund 60 Teilnehmerinnen der „Brücke von Andau“-Symposien.
Das sind zwei der mehr als 30 Kunst-Orte, die Sabine Kritsch-Schmall und Eva Maltrovsky im gleichnamigen Buch (lex liszt 12) vorstellen. „Inspirierende Streifzüge durchs Burgenland“: Der Untertitel lässt erahnen, dass es sich hierbei um eine etwas andere Art von Reiseführer handelt. Ihre fundierte Kunstexpertise und ihre Neugier führten die zwei Frauen schon mehrmals zu Kooperationen zusammen – das bisher letzte Projekt: die wissenschaftliche Aufarbeitung der Sammlung Breitenbrunn, wo ab den 1960ern eine internationale Avantgardekunst-Szene pulsierte. Ebendort beschlossen die beiden, eine Lücke zu schließen. „Das Burgenland assoziiert man meistens mit den Seefestspielen Mörbisch oder der Oper in St. Margarethen; wir wollen darauf aufmerksam machen, wie viel qualitätsvolle bildende Kunst hier zu finden ist“, erklärt Sabine Kritsch-Schmall. „Es gab bisher keine Zusammenschau. Unser Buch ist kein klassischer Reiseführer, wir bieten Anregungen, um eine ganz Tour zu den Kunst-Orten zu machen, oder sie häppchenweise zu erleben. Dabei haben wir auch ein gutes Stück Kunstgeschichte festgehalten“, ergänzt Eva Maltrovsky.

Qualitätsvoll

„Aufnahmekriterium“ war, dass die Orte jederzeit öffentlich oder zumindest gegen Voranmeldung besucht werden können; private Ateliers sind nicht inkludiert, das hätte den Rahmen gesprengt. Sabine Kritsch-Schmall war viele Jahre Kulturredakteurin beim ORF Burgenland, „die meisten Kunst-Orte und die Initiatorinnen kenne ich persönlich. Wir sind durch das Land gefahren, haben sie besucht und nur jene Orte reingenommen, wo aktuell qualitätsvolle Kunst erlebbar ist“, sagt sie. „Kunst muss berühren, zum Denken anregen.“ Mit Begeisterung schenkten sie beispielsweise Peter Pilz’ „Land Art Eisenberg“ gleich mehrere Seiten. „Es wurden dort Künstlerinnen eingeladen, kleine Häuschen in Erinnerung an eine verschwundene Roma-Siedlung zu bauen; das sind wichtige historische und politische Anspielungen und gleichzeitig können sie für Arbeitsaufenthalte für Künstlerinnen genutzt werden“, beschreibt Eva Maltrovsky, die auch selbst Ausstellungen in der ebenfalls im Buch vorgestellten NN-fabrik in Oslip kuratiert. Der Skulpturengarten dort ist eines der vielen Beispiele, welche internationalen Netzwerke rund um burgenländische Künstlerinnen – in dem Fall um den zu jung gestorbenen Johannes Haider – im Laufe der Jahre entstanden sind. Zu sehen sind etwa Arbeiten von Pavel Schmidt und Paul Wiedmer.

Das Land zog ab den 1960ern ­förmlich Künstlerinnen an, nicht zuletzt weil alte Gebäude relativ preisgünstig zu bekommen waren. Das trug dazu bei, dass Kunstschaffende auch viel wertvolle historische Baukultur retteten; ­­Dreh- und Angelpunkt dabei war häufig Landeskonservator Alfred Schmeller.

Zuzug tut gut

Zuletzt gewannen auch Gasthäuser aus den 1950er-Jahren Sympathiepunkte. In einem solchen in Schattendorf siedelte sich etwa der Vorarlberger Künstler Tone Fink an; seine Tochter Katharina und Siggi Hofer kuratieren dort Ausstellungen. „Selbst im gekachelten Badezimmer gibt es dort Installationen“, verrät Sabine Kritsch-­Schmall. Künstlerischer Zuzug tut dem Land auch insofern gut, weil Junge häufig nach dem Studium in Wien nicht mehr wiederkehren. „Ich würde mir mehr Galerien und Möglichkeiten, auszustellen, für junge Künstlerinnen wünschen“, sagt Sabine Kritsch-Schmall.

Parallel sollte aber auch gute Kunstvermittlung forciert werden, findet sie. „Natürlich kann ich Besucherinnen mit der Kunst auch allein lassen, aber fundierte Vermittlung ist ganz wesentlich, um Kunst zu verstehen.“ Ein Geschenk seien freilich private Betreiberinnen, die mit viel Herzblut hinter ihren Kunst-Orten stehen. „Wenn beispielsweise im Idealfall die Künstlerin Fria Elfen (*1934) durch ihr Haus und die Ausstellung in Breitenbrunn führt, ist das höchst beglückend.“

© Edition lexliszt12

„Kunst-Orte“:
Buchpräsentation und Gespräch mit den Autorinnen
und Waltraud Bertoni:
September, 16 Uhr, Gritschmühle Winden am See
(Wander Bertonis letzte Wirkungsstätte).

Abo

Sichern Sie sich Ihr BURGENLÄNDERIN-ABO