5 Elemente bestimmen unser Leben

Das Ziel der Tibetischen Medizin ist es, alle drei Körperprinzipien im Gleichgewicht zu halten.

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Über die Elemente Erde, Wasser, Feuer, Wind und Raum steht der Mensch in Kontakt mit dem Universum. Diese fünf Elemente manifestieren sich im Menschen durch die drei dynamischen Prinzipien Lung (Wind), Tripa (Feuer) und Beken (Wasser und Erde). Sind diese im Ungleichgewicht, geraten Geist und Körper aus dem Einklang. Dr. Florian Ploberger, Tibetologe und Allgemeinmediziner, im Gespräch mit der BURGENLÄNDERIN.

Dr. Florian Ploberger, Tibetologe in Wien
© Florian Ploberger

Was ist das Besondere an der Tibetischen Medizin?

Dr. Florian Ploberger: Tibetische Medizin ist ein medizinisches Heilsystem aus der Himalaya-Region, dessen Ursprünge auf die Bön-Tradition zurückgehen. Der wichtigste Text der Tibetischen Medizin, bekannt unter der deutschen Bezeichnung „Vier Tantra der Tibetischen Medizin“, wurde im 8. Jh. verfasst, im 12. Jh. überarbeitet und dient seitdem als das Grundlagenwerk. Prinzipiell sind sämtliche traditionelle Heilformen wie TCM, Ayurveda und Tibetische Medizin einander ähnlich, sie unterscheiden sich durch die philosophischen und religiösen Hintergründe.

Worin unterscheidet sie sich von der TCM und klassischen Schulmedizin?

Die Tibetische Medizin ist in der Kultur und Religion der Tibeter, dem Buddhismus, verankert und gibt überaus präzise Antworten auf Fragen wie beispielsweise: Warum werden wir krank? Die TCM ist taoistisch orientiert. In der Tibetologie gilt Unwissenheit als Ursprung aller Krankheiten. Wir wissen oft nicht, wie wir uns verhalten, uns bewegen, was wir meiden und was wir essen sollen. Tibetische Medizin ist sehr gut in der Prävention, weil sie Dysbalancen ausgleicht, bevor Krankheiten wirklich manifest sind. Aber natürlich kann sie auch zur Behandlung diverser Krankheitsbilder eingesetzt werden. Eine weitere Stärke liegt in der Unterstützung der Rekonvaleszenz.

Ist der Konstitutionstypus die Ausgangsbasis für die Therapie?

Vor der Therapie wird eine präzise Diagnose gestellt, die sich u. a. an den Konstitutions­typen orientiert. Die Tibeter denken in 3 Lebensabschnitten, von 0 bis 16 herrscht Beken vor, von 16 bis 60 Tripa und von 60 bis 120 sind wir in der Lung-Phase. Tibeter gehen davon aus, dass wir eine maximale Lebenserwartung von 120 Jahren erreichen können. In den verschiedenen Phasen dominieren unterschiedliche Zustände und Dysbalancen: So sehen wir in der Tripa-Phase mehr entzündliche Erkrankungen, ab 60 mehr Schlafstörungen und Unruhezustände, mehr Abnützungen der Knochen und Gelenke.

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Wie wichtig sind Konzentration und Leistungsfähigkeit im Alltag?

Speziell unsere Konzentrationsfähigkeit hängt laut Tibetischer Medizin vom Zustand von Lung ab. Die Ursachen von Lung-Krankheitsbildern sind mannigfaltig: Schlafmangel, Überarbeitung, zu viel Sport, intensives Stillen, aufputschende Nahrungsmittel, Zeitverschiebungen, Ablenkungen durch TV und Social Media. Tibeter sprechen darüber hinaus von einem Übermaß an Begierde nach Qualitäten oder Dingen, die wir nicht haben, als Ursache von Lung-Krankheitsbildern und somit reduzierter Konzentrationsfähigkeit. Unsere Gesellschaft ist nicht zufrieden mit dem, was sie hat – alles wird schneller, größer, auszehrender; es kommt zu Lung-Krankheitsbildern wie z. B. Panikattacken und Schlafstörungen, Herzrhythmusstörungen, aber auch reduzierter Leistungsfähigkeit. Ziel könnte es sein, an der Kultivierung des Geistes zu arbeiten: freudvoll, liebevoll, gleichmütig und mitfühlend zu werden.

Warum sind wir beim Wechsel der Jahreszeiten müde und erschöpft?

Laut Tibetischer Lehre stehen in den Jahreszeiten verschiedene Elemente im Vordergrund: Im Winter wird die „Feuchtigkeit“ im Körper bewahrt, wenn es warm wird, wird diese freigesetzt, was u. a. zu Frühjahrsmüdigkeit, rheumatischen Beschwerden, aber auch Allergien führen kann. Wir sind nicht getrennt von unserer Umwelt zu betrachten.

Wie wirken die Kräuterrezepturen?

Laut tibetischen Texten gibt es keine Pflanzen ohne medizinischen Wert. Das bezieht sich hauptsächlich auf den Ort, an dem die Pflanzen wachsen, die Zeit, zu der sie gesammelt werden sollten, auf ihren „Geschmack“, ihr Aussehen sowie auf die astrologischen Aspekte, die zu berücksichtigen sind, und darüber hinaus, ob Pflanzen kühlende oder wärmende Eigenschaften haben. Tibetische Medizin ist durch den Einsatz von Mehrstoff­gemischen charakterisiert, wobei Kombinationen den Haupteffekt verstärken und die Nebenwirkungen verringern sollen. Stellen Sie sich dies als Schlüssel-­Schloss-Prinzip vor, das auf vielen verschiedenen Ebenen gleichzeitig wirkt.

Was fasziniert Sie an der Tibetischen Medizin?

Ich durfte tibetischen Ärzten begegnen, die mich als Persönlichkeiten berührt haben. Diese Menschen strahlen und weisen inspirierende Qualitäten auf. Tibetische Medizin bereichert mich als Mensch und unterstützt mich in meiner täglichen Arbeit.

Jeder Mensch hat gemäß der Tibetischen Lehre seinen individuellen Konstitutionstyp.
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