Apfel-Paar: Birgit Braunrath und Georg Hurka / HURKAS wunderbare Streuobstwiese

Alles Apfel: Beim Neo-Landwirte-Paar Braunrath & Hurka

Wie Birgit Braunrath und Georg Hurka auf die Idee kamen, einer alten Streuobstwiese neues Leben einzuhauchen.

8 Min.

Birgit Braunrath und Georg Hurka © Martina Berger/HURKAS wunderbare Streuobstwiese

Die Wühlmäuse waren von der Hüpferei über ihren Köpfen durchaus beeindruckt. Sie packten ihre sieben Zwetschken – und verließen das frisch angelegte Hügelbeet, erzählt Georg Hurka. Er hatte gelesen, dass sie Unruhe nicht ausstehen konnten. Die schonende biologische Strategie bescherte ihm leider nur einen kurzzeitigen Triumph, „sie zogen in den Gemüsegarten um“. Seit 1. April 2023 gehören solche Anekdoten zum neuen Leben von Georg Hurka und Birgit Braunrath. Zum Schmunzeln sind sie wohl erst mit etwas zeitlichem Abstand, was nachhaltig entschädigt, sind die köstlichen Apfel-Säfte, für die das Neo-Landwirte-Paar erst kürzlich auch im Wiener Museumsquartier gefeiert wurde – und die Schönheit seines Hofes mitsamt seiner Streuobstwiese.

„Feste Schuhe wären gut“, schreibt Birgit Braunrath noch eine Nachricht, ehe ich mich auf den Weg zu ihnen nach Deutsch Kaltenbrunn mache. Dem Gefälle ihres Grundstückes ist es gewissermaßen zu verdanken, dass ihre Streuobstwiese nicht einer „klassischen“ Obstplantage weichen musste, als diese en vogue wurden. Große Traktoren wären dort chancenlos gewesen.

Mehr als 50 Apfel-Sorten

Am Tag der Kaufvertragsunterzeichnung ist das Paar mit Matratze und Milch für den Kaffee angerückt, seither ist der ehemalige Stall, den bereits der Vorbesitzer in ein charmantes Haus umwandelte und von dessen Wohnzimmer aus sich magische Sonnenuntergänge beobachten lassen, ihr Lebensmittelpunkt.

Direkt daneben befindet sich der mit einem Holzzaun eingefasste Gemüsegarten; ausschließlich mit Brennesseljauche gestärkte Salate, Paradeiser, Paprika, Bohnen und vieles andere mehr gedeihen dort. Welche anderen Juwelen ihr Grundstück noch bietet, erschließt sich den beiden Stück für Stück, erzählen sie, während wir einem ausgetretenen Pfad folgen. Nussbäume und Uhudlerreben, Birnen, Pfirsiche und verschiedene Beeren gibt es dort, besonders reich beschenkt haben sie zuletzt die Zwetschkenbäume, beschreibt Birgit Braunrath. „Im ersten Jahr hatten wir keine einzige Zwetschke, heuer haben 16 bis 20 Bäume getragen.“ 48 Stunden lang ließ sie die Zwetschken bei niedriger Hitze im Rohr zu einem herausragenden Powidl werden, „ohne ein Gramm Zucker“, betont sie stolz.

Georg Hurka im Apfelbaum und Birgit Braunrath hält ihm eine Schüssel für die gepflückten Äpfel hin
Arbeitsintensives Paradies: Mehr als 50 Apfelsorten gedeihen auf der Streuobstwiese der Neo-Landwirte. © Martina Berger / HURKAS wunderbare Streuobstwiese

Das Herzstück der Streuobstwiese sind die Apfelbäume. Was die beiden zuvor nicht wussten: Als der Sortengarten Burgenland in Kalch vor vielen Jahren aufgebaut wurde, bekam ihre heutige Streuobstwiese für mehr als 50 Sorten jeweils den Zweitbaum, der Garten fungiert quasi auch als Back-up. „Über seltene Sorten kannst du oft gar nichts nachlesen, auf vieles musst du selber draufkommen. Bei uns ist jeder Baum anders und hat andere Bedürfnisse, der eine wächst in die Höhe, der andere in die Breite“, zeigt Georg Hurka auf einzelne Bäume.

Keine Altersdiskriminierung

Alle Generationen sind dort vertreten; gute 100 Jahre lebt ein Apfelbaum, fällt er um, darf er dennoch bleiben; er dient dann etwa als Igelhotel. Die Artenvielfalt auf „Hurkas wunderbare Streuobstwiese“ lockt auch Forschende etwa von der Uni für Bodenkultur an; unter die Lupe wurden schon der Bestand an Fledermäusen, Wildbienen, Heuschrecken und Tagfalter genommen. Ein Ornithologe jubelte über nicht alltägliche Vogelarten wie den Pirol, Birdlife montierte sechs Nistkästen für Zwergohreulen.

„Bis zu dem Baum sollten wir noch gehen“, sagt Birgit Braunrath und zeigt begeistert auf ein ziemlich schiefes Exem­plar, aber mit eindeutigen Lebenszeichen. „Wir haben ihn aufgebockt und gerettet, da wussten wir noch gar nicht, wie besonders er ist.“ Erst beim Abgleich mit der Apfel-Sortengarten-Datenbank stellte sich heraus, dass es den Erstbaum gar nicht mehr gab. Die Gefahr ist nun gebannt, „wir haben erst gestern lange Ruten runtergeschnitten, sodass es acht, neun Bäume von der Sorte geben wird“, sagt Georg Hurka euphorisch. Dabei kam die Leidenschaft nicht über Nacht. Sie begann durchaus zögerlich, mit einem Stück Wald im mittleren Burgenland, das er geerbt hatte, verrät er.

Schwer verliebt

Apfel: Birgit Braunrath und Georg Hurka stehen vor einem Apfelbaum mit roten Äpfeln
© Martina Berger / HURKAS wunderbare Streuobstwiese

Die Eisenstädterin Birgit Braunrath war Mama von zwei Kleinkindern, damals eins und vier, und Journalistin, als sie Georg Hurka kennenlernte. Er war Partner in einem Architekturbüro und „wollte keine Frau mit Kind, wie mir seine Freunde später erzählt haben“, lacht sie. „Das ist 22 Jahre her und wir haben die beiden gemeinsam großgezogen.“ Die Familie lebte in Mödling; Birgit Braunrath porträtierte zahlreiche Menschen für den KURIER, schrieb Seite-1-Kolumnen und welche mit Beagle Daria. Georg Hurka machte Städtebau, „am liebsten waren mir sozialer Wohnbau, Kindergärten und Schulen“.

Nach gut 30 Jahren als Journalistin kommt ein Angebot, das sie mit Freuden annimmt: Head of Corporate Newsroom für einen internationalen Mikroelektronik-Konzern. Drei Tage Office in Leoben, zwei Tage Homeoffice – der Job schien perfekt, noch dazu, weil er sie dorthin führte, wovon sie schon als Junge geträumt hatte, nämlich in die PR.

Doch auch bei ihrem Partner war einiges im Umbruch; ein Burn-out lag zwar schon Jahre zurück, hatte aber Denkprozesse in Gang gesetzt. „Ich habe mich gefragt: Was kann ich über die berühmten 65 hinaus machen? Ich wusste: Wenn ich etwas mit Natur und Landwirtschaft tun möchte, muss ich jetzt anfangen“, erzählt er.

„Eine zweischneidige Geschichte: Einerseits habe ich ihm seit Jahren gesagt, dass er auf einen Bauernhof gehört, andererseits war ich froh, dass ich grad mein Leben mit den neuen Herausforderungen sortieren konnte“, sagt Birgit Braunrath. „Ich habe eine Tour zusammengestellt und wir haben uns Höfe angeschaut. Ich wollte es probieren: auf Kleinstfläche anbauen, vor allem zur Selbstversorgung, und den Überschuss verkaufen. Der Hof sollte sich nur irgendwann selbst erhalten können“, sagt Georg Hurka. „Als ich dann diesen Hof gesehen hab’, hab’ ich gesagt: Hol die Sachen, hier bleiben wir“, verrät seine Partnerin.

Birgit Braunrath und Georg Hurka liegen auf der Wiese unter Apfelbäumen
© Martina Berger / HURKAS wunderbare Streuobstwiese

Apfel-Ernte mit Familie und Freund*innen

Freunde schüttelten den Kopf über das Wagnis, er ließ sich nicht beirren, besuchte im Lungau einen Kurs für Permakultur – der Fokus liegt dabei auf natürlichen Ökosystemen – und machte die Ausbildung zum Obstbaumwärter. 2024 war kein Spaziergang. „Ich arbeite in Leoben mehr als Vollzeit, auch an meinen beiden Homeoffice-Tagen – und letztes Jahr haben 60 Apfelbäume getragen. Wir hatten von Juni bis Oktober jedes Wochenende Freunde und Verwandte bei uns, die uns bei der Ernte geholfen haben“, erzählt Birgit Braunrath.

„Wir pressen auch selber. Das war immer die Idee, den Apfel von Anfang bis Ende zu versorgen, so können wir experimentieren, welcher Apfel mit welchem zusammenpasst“, beschreibt Georg Hurka, dessen Ehrgeiz durch die Entdeckung der alten Streuobstwiesenkultur auf Hochtouren läuft. Geerntet wurde in Phasen, immer jeweils die Seite, die bereits reif war, und es blieb auch bewusst Obst an den Bäumen für Rehe und Vögel. „Wir bekommen viel vom Garten und wollen der Natur auch viel geben.“ – Das fiel grad beim aromatischen Uhudler gar nicht leicht, „wir haben einer Fasanfamilie zugeschaut, wie sie die Trauben abgefressen hat“, lacht Georg Hurka. „So haben es alle sechs Jungen bis zum Herbst geschafft.“

Sorgen bescherte ihnen die Trockenheit im August; die Bäume warfen die Hälfte der Äpfel ab. „Die kurioseste Zeit des Jahres“ folgte für Birgit Braunrath im September: „Ich habe eine Sturmnacht nicht geschlafen, weil ich mir gedacht hab’, jetzt sind alle Äpfel unten. Am nächsten Tag haben wir gesehen, dass es einen Birnenbaum umgehaut und die Dachfenster eingedrückt hat, aber die Äpfel waren alle oben. Darauf folgte meine zweite schlaflose Nacht: Wer wird das alles ernten?“

Apfelsaft-Degustation

Es wurde geerntet, gepresst, schonend pasteurisiert – und in kleine, 0,25-Liter-Flaschen gefüllt. „Unsere Säfte sind arbeitsintensiv, wir machen keinen 0815-Apfelsaft, den trinkt man, wenn man wirklich einen Gusto drauf hat“, erklärt der Obstbauer und zückt seine Liste für die Verkostung. Dort hat er den Chargennummern zugeordnet, welche Apfel-Sorten für die einzelnen Cuvées gepresst wurden. Dann schenkt er ein, schnuppert, nimmt einen kräftigen Schluck und deutet mir, es ihm gleichzutun.

Vier Streuobst-Cuvées verkoste ich zunächst – und schmecke die feinen Unterschiede. Noch intensiver sind diese bei den reinsortigen Säften; mein Gaumen freut sich über Ilzer Rosen, Bohnapfel und Perlrenette. Während Georg Hurka den Apfel-Sommelier gibt, zaubert Birgit Braunrath raffinierte Häppchen dazu: Und zwischen meinen vielen Hmms über Bergkäse mit Powidl oder Pastete mit Aronia, alles auf selbst gebackenem Brot, verrät sie noch ein kleines Betriebsgeheimnis: „Das Ziel, das ich sehr verfolge, ist, dass wir eine alkoholfreie Speisebegleitung zusammenbringen, ein sehr schönes Thema!“

Apfel: Produkte von "HURKAS wunderbare Streuobst­wiese"
© Martina Berger

Winterbaumschnitt-Kurs

auf „HURKAS wunderbare Streuobst­wiese“, Deutsch Kaltenbrunn:

28. Februar bis 2. März mit Permakultur-Experte Richard Mahringer; inkl. Mittagessen, Kaffee, Jause: € 180,–

Infos & Anmeldung:
hurkas@wunderbarestreuobstwiese.at

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