Paula schickt Kuss

Paula Lambert empfiehlt: „Schnaxelt was das Zeug hält!“

Paula Lambert, die wohl bekannteste Sex-Expertin Deutschlands, im Gespräch über Sexualität, Kinderkriegen, Nacktheit im Fernsehen und ihre eigene Lebensgeschichte.

7 Min.

Paula Lambert © Lydia Gorges

Ihre Fernsehsendungen, allen voran „Paula kommt“, sind legendär, ihr Paula Power Circle wächst, die Podcasts laufen wie geschmiert, die Bücher sind ein Dauerbrenner und nun geht sie auch noch auf Sex Education Tour und kommt dabei nach Österreich. Grund genug, sie zum Interview zu bitten. Sie sitzt in Berlin in ihrem Häuschen, wo sie mit ihren beiden Söhnen, einem Gastkind aus der Ukraine, zwei Hunden und zwei Katzen lebt – und ich sitze im Burgenland.

Die moderne Technik macht’s möglich: Als eine komplett ungeschminkte Paula Lambert mich an einem sonnigen Herbstmorgen am Bildschirm begrüßt und mit mir gleich mal die österreichische Nationalratswahl Revue passieren lässt, freue ich mich einfach nur über ihre Offenheit, ihre Einstellung und ihre Natürlichkeit. Doch schon bald ist’s genug mit der Politik, schließlich wollen wir uns den freudigen Aspekten des Lebens widmen: Liebe und Sex. Dass diese Dinge für viele gar nicht so freudig sind, ist leider auch Tatsache. Mit ihrer entwaffnenden Ehrlichkeit und ihrem scharfsinnigen Humor spricht Paula Lambert über Sex, Beziehungen, ihre eigene Lebensgeschichte und was sie uns allen in Sachen Liebe beibringen kann.

Was hat sich beim Thema Sex in den letzten Jahrzehnten verändert?

Paula Lambert: Frauen trauen sich heute viel mehr, sich das Recht rauszunehmen, eine gleichberechtigte Sexualität einzufordern. Bei Männern merkt man auch eine Veränderung, aber langsamer. Wenn Männer aller Kulturen endlich lernen würden, ihre Gefühle ernst zu nehmen und zuzulassen, und sie nicht mit Hass überdecken, so wie es in der Politik derzeit der Fall ist, hätten wir weniger Probleme auf dieser Welt.
Manche beschweren sich, dass wir heutzu­tage übersexualisiert sind …

Es stimmt, dass heute vieles mit Sex aufgewertet wird, das ist manchmal unnötig, weil Sex dadurch banalisiert wird, aber andererseits ist es ein gutes Werkzeug, um den Leuten beizubringen, sich die eigene Gefühlslage zu dem Thema näher anzuschauen. Wenn du vernünftig Sex haben willst, ist das Körperliche nur Nebensache, emotional ist da viel mehr los. Warum binde ich mich an bestimmte Menschen? Welche Erwartungshaltungen habe ich? Wie gehe ich mit Verletzungen um?

Du warst mal in einer TV-Sendung vier Wochen lang nackt. Woher nimmst du dein Selbstbewusstsein?

Der Schlüssel zum Glück ist, wenn du offen mit deinen Unvollkommenheiten umgehst, dann haben die Leute nichts, wo sie reinstechen können. Die pieksen nur, wenn du etwas verbirgst oder dich für etwas schämst. Und bei der Sendung war es so, dass ich das große Ganze dahinter gesehen habe – nämlich was es anderen hilft, wenn ich das mache. Am Anfang war es mir zwar etwas peinlich, aber ich hab’ schnell festgestellt, es interessiert niemanden, wie ich aussehe.

An alle, die Hemmungen haben, kann ich nur appellieren: Probiert FKK! Am Anfang fühlst du dich vielleicht komisch, zum Beispiel wenn du nackt Tischtennis spielst – der menschliche Körper ist schon komisch gebaut, Pferde sind anatomisch schöner (lacht). Aber du wirst schnell merken, der Körper spielt keine große Rolle. Es zählt nur, ob du ein guter Mensch bist oder nicht. Die Person, die dich hemmt, bist immer du selbst.

Paula
Paula Lambert © Lydia Gorges

Thema Body Count (Anm.: Anzahl der bisherigen Sexualpartner*innen) bei Frauen: Auf der einen Seite wird Selbstbewusstsein gefeiert, auf der anderen Seite gibt es noch immer viele Vorurteile …

Bei einer meiner Shows kam die Aussage von einem Mann, dass es ihn verunsichere, wenn eine Frau einen hohen Body Count hat. Als ich fragte, was für ihn ein hoher Body Count sei, antwortete er: 30. Da gab es schon erstes Gelächter von Frauen im Publikum …

Männer können doch froh sein, wenn Frauen Erfahrung haben. Diejenigen, die sich davon einschüchtern lassen, sind vermutlich unsicher und haben Angst vor dem Vergleich. Ich kann nur sagen, liebe Frauen: Schnaxelt herum, was das Zeug hält, dann wisst ihr, was ihr wollt und was nicht! Frauen dahingehend zu verurteilen, wie viele Sexualkontakte sie bereits hatten, ist so rückständig und peinlich im Jahr 2024 – das geht gar nicht.

Deine eigene Kindheit war keine einfache und du sprichst auch offen darüber, dass einige Menschen besser keine Kinder hätten bekommen sollen. Wie meinst du das?

Als meine Eltern mich zeugten – das war übrigens in Österreich (lacht) – waren sie noch blutjung. Meine Mutter hatte Drogenprobleme und kam aus einem sehr lieblosen Elternhaus. In meinen ersten Jahren lebte ich bei Pflegeeltern und als ich dann mit ungefähr sechs Jahren zu meiner Mutter kam, hatte sie null Gefühl dafür, was ein Kind emotional braucht. Ich habe heute keinen Kontakt mehr zu ihr, nur zu meinem Vater sporadisch. Als ich selbst Kinder bekam, spürte ich, wie leicht es ist, ein Kind zu lieben – und ich würde meine beiden Jungs um nichts in der Welt mehr hergeben.

Doch trotzdem sage ich, dass Elternschaft absolut brutal ist. Ich hab’ das jahrelang alleine gemacht – und ich bin zwar intelligent und wirtschaftlich sicher, aber selbst für mich war es ein totaler Kampf. Und ich sage ganz klar: Wenn ihr emotional nicht stabil seid, dann solltet ihr euch das mit dem Kinder­kriegen gut überlegen. Ganz bedenklich find’ ich, wenn man durch Kinder etwas wieder gutmachen will – denn dann kommen die ja schon mit einem Job auf die Welt.

Wir beleuchten in dieser Ausgabe auch das Konzept der Polyamorie. Ist das deiner Meinung nach die Lösung für die He­rausforderungen der Monogamie?

Nein, denn das, was Beziehungen so kompliziert macht, nämlich menschliche Interaktion auf emotionaler Ebene, ist bei polyamorösen Beziehungen ja mehrfach vorhanden. Grundsätzlich gilt natürlich: Jede*r soll machen, was er/sie will, solange es sich für alle Beteiligten gut anfühlt. Meines Wissens nach entwickeln viele Menschen in polyamorösen Geflechten Bindungsprobleme, weil die Zuverlässigkeit der Bindung für uns immens wichtig ist. Der wichtigste Ratschlag für Beziehungen zählt bei Polyamorie mehrfach: kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren!

Hast du – neben der Wichtigkeit der Kommunikation – noch ein paar andere ultimative Beziehungstipps?

Erstens: Nach drei Monaten Beziehung normalisieren sich die Hormone und dann sieht man erst, ob man das überhaupt will. Davor also keine fundamentalen Entscheidungen treffen.

Zweitens: Nicht in jeder Person eine:n potenzielle:n Partner:in sehen. Wenn man sich ständig denkt, also das ist jetzt sicher der/die Richtige, dann hat man ein Problem, an dem man dringend arbeiten sollte. Drittens: Du musst nicht der/die perfekte Loverin sein und keine Millionen auf dem Konto haben. Du musst ein:e gute:r Kommunikator:in und vor allem sicher mit dir selbst sein. Dann hast du eine tolle Chance auf eine gute Beziehung.

Und an alle Jugendlichen da draußen: Kümmert euch zuerst emotional um euch selbst, bevor ihr euch um andere kümmert. Das gilt aber auch für die, die das im Alter immer noch nicht können!

Wie gut kennst du Österreich und was dürfen die Gäste von deiner Show erwarten?

Mit meinem Programm bin ich das erste Mal in Österreich, ansonsten bereise ich euer Land privat sehr gerne. Dieses Jahr war ich schon fünf Mal in Wien! Ich liebe Tafelspitz und Kaiserschmarrn. Doch was ich bemerkt habe: Die Menschen in Österreich brauchen dringend mehr zum Lachen – und darum komme ich!

Paula lächelt
Paula Lambert © Lydia Gorges

About Paula Lambert

  • geb. 1974 als Susanne Frömel in München
  • lebt seit 1994 in Berlin
  • gelernte Journalistin (arbeitete für Magazine wie Geo, Die Zeit und mare)
  • begann 2005 eine Sexkolumne für das Männermagazin GQ zu schreiben
  • dann folgten mehrere Bücher (u. a.: „Keine Panik, ich will nur Sex“, „Eine Frau mit Penetrationshintergrund“, „Finde dich gut, sonst findet dich keiner“, „Geh schon mal in dich, das Glück kommt dann nach“)
  • viele TV-Sendungen, z. B.: „Unter fremden Decken – auf der Suche nach dem besten Sex der Welt“, „Im Bett mit Paula“, „Paula kommt“, „Für Emma und ewig“, „No Body is perfect – das Nacktexperiment“, „Tagesfrau“, „Sex Crime Stories“
  • Podcasts: „Paula Lieben Lernen“ und „4 Brüste für ein Hallelujah“
  • Paula Lamberts Sex Education Tour – einziger Österreich-Termin: 10.11., Globe Wien

www.paulalambert.de

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