Selfie

Als wäre keine Kamera da

Filmemacherin Kristina Schranz trainierte, motzte ihr Handy auf und marschierte los. Mehr als 300 Kilometer legte sie zu Fuß zurück, wir sahen vorab die Doku dazu und trafen sie zum Interview.

7 Min.

© Kristina Schranz

Es ist 7 Uhr am Morgen, müde und etwas tollpatschig stolpern die flauschigen Eulenküken in Richtung „Wohnungstür“ am Dach des Eselstalls. Kristina Schranz und Sabine stehen mit dem Fernglas am Aussichtsturm Sandeck und strahlen über das ganze Gesicht. Den Augenblick kann man nicht stellen. Er lebt auch von der Intimität, weil die Filmemacherin allein mit der vermutlich kleinsten Möglichkeit zu filmen, nämlich bloß mit einem gepimpten Handy, auf Tour war. Die Szene entstammt Kristina Schranz’ Doku „Unterwegs auf dem Bernsteintrail“. Herzerwärmend sind dabei nicht nur die gefiederten Babys, sondern auch die spontane Reaktion zweier Menschen, die das hautnahe Erleben eines kleinen Naturspektakels verbindet. „Solche Momente sind das Schönste an meinem Beruf“, sagt die Nationalpark-Rangerin. „Ich wusste, dass da Schleiereulenküken wohnen, aber dass sie sich so präsentieren, dass ich sie so schön herzeigen kann, das ist ein besonders cooles Gefühl.“

Kristina Schranz
Kristina Schranz © Doris Leeb

Bernsteintrail-Doku

„Honigkuchenpferdproduction“ nennt Freund und Kollege Sebastian Schreiner – er schneidet ihre Filme – das Tun der mehrfach preisgekrönten Filmemacherin aus Oberwart. Kristina Schranz interessiert sich nicht etwa für gefiltertes Trallalala, aber sie richtet den Fokus und manchmal quasi die Lupe auf jene besonderen Dinge, an denen wir nicht selten vorbeilaufen.

Die Bernsteintrail-Dokumentation wird am 14. April im Rahmen der Reihe „Erlebnis Österreich“ ausgestrahlt (siehe Info); sie entstand in Zusammenarbeit mit dem ORF Burgenland. Ich durfte sie vorab sehen und kam aus dem Staunen nicht heraus, welche Schätze sie während ihrer Wanderung hob. Sie bringt zum Schmunzeln, wenn sie mit dem Pater edle Tropfen aus dem Messweinautomaten in Illmitz verkostet.

Es bewegt sehr, als Gesprächspartnerin Christine in Neckenmarkt ihre Erinnerungen an 1989 und die über die Weinberge flüchtenden DDR-Familien beschreibt. Und Kristina Schranz weckt die Sehnsucht nach Wald, wenn sie ihre Kamera beim Wandern auf die mächtigen Baumkronen am Geschriebenstein richtet. Wenn es passt, plaudert sie mit den Menschen im Dialekt; ihren Fragen wohnt stets die Wertschätzung gegenüber den Interviewpartner*innen inne.

Präzise

Kristina Schranz studierte Dokumentarfilmregie an der HFF München. Sie ist eine präzise Planerin, doch wenn sie mit der Kamera unterwegs ist, ob nun mit Filmteam oder allein, ist sie im Moment; nichts wirkt gestellt, vielmehr scheint es, als würde die Tatsache, dass ein Gespräch später gesendet werden soll, in den Hintergrund rücken. So war das auch bei der Kinodoku „Vakuum“ über die Corona-Pandemie und ebenso bei der TV-Doku „Picture on – Ein Dorf wird zur Bühne“.

Bernsteintrail Karte
© Burgenland Tourismus

Mehr als 300 Kilometer zu Fuß – wie kamst du auf den Bernsteintrail?

Kristina Schranz: Ich habe mich mit dem Thema Glück beschäftigt und einen Film gesehen, in dem es unter anderem darum ging, was Menschen tun möchten, wenn sie nur noch einen Monat lang zu leben hätten. Am glücklichsten waren die, die mehr in Beziehung gegangen sind und sich ihren Hobbys gewidmet haben. Ich bin gerne auf Reisen und habe nach einer Möglichkeit gesucht, wie ich das in meinem Beruf ausleben kann. Ich wollte unterwegs und in der Natur sein – und mit Menschen in Kontakt gehen. Auf der Suche nach einem Wanderweg bin ich auf den Bernsteintrail gestoßen.

Deine Wanderung war voll geplanter, aber auch spontaner Begegnungen. Welche Menschen triffst du gerne?

Wie auch im Privatleben: inspirierende Menschen, die ihrer Leidenschaft nachgehen, die eine Begeisterung für das Leben haben. Ich versuche, mich mit Menschen zu umgeben, für die es trotz Herausforderungen auf der Welt keine Option ist, den Kopf in den Sand zu stecken. Wir müssen rausgehen, miteinander reden, dann ist Hoffnung da. Mein Film ist auch touristisch, aber genauso wichtig sind mir meine Gesprächspartner*innen: ob das nun die Rangerin ist, die so eine Naturverbundenheit hat, oder der passionierte Wanderer Stefan Balaskovics, der schon zwei Mal den Jakobsweg gegangen ist. Ihm verdanke ich, dass ich keine Blasen an den Füßen hatte.

Was ist das Geheimnis?

Es müssen natürlich Schuhe sein, die gut eingetragen sind – aber auch die Socken dürfen nicht neu sein. Außerdem habe ich ein Paar jeweils ein paar Tage getragen, die haben dann zwar gerochen, aber ich hatte keine Blasen (lacht).

Dafür gab es dann vom Duftbauer Eukalyptus-Blätter in die Schuhe. Das hast du via Social Media gezeigt.

Viele kennen Stefan Zwickl für seine Lavendelfelder, aber wer weiß schon, dass er auch Eukalyptusbäume hat?! Ich habe nicht nur die Bernsteintrail-Doku gemacht, die jetzt gezeigt wird; ich habe schon während der Wanderung im September täglich dem ORF Burgenland Interviews gegeben und Videomaterial; wir haben zeitgleich auch Social-Media-­Beiträge gepostet. Das inspirierte einige, gleich Etappen des Trails zu gehen.

Wie sah deine Vorbereitung aus?

Täglich sechs bis acht Stunden jeweils 20 bis 28 Kilometer wandern: Ich wusste, darauf muss ich mich professionell vorbereiten. Ich habe mir einen Trainer gesucht, Clemens Schüle verdanke ich, dass ich so fit bin. Ziel war, dass ich vergesse, dass das eine arge körperliche Leistung ist, damit ich in das Inhaltliche und die Freude gehen kann. Ich habe dafür gute drei Monate trainiert und meine Ernährung umgestellt. Ich habe mir einen Rucksack gekauft, Gewichte reingegeben und bin damit auf das Laufband.

Du hast mit dem Handy gefilmt. Das klingt easy, unterscheidet sich aber freilich von einem Urlaubsvideo. Wie sah dein Equipment aus?

Erstaunlich ist, dass man mit so einem kleinen Ding 4K filmen kann, aber damit der Film fernsehtauglich wird, brauchte es ein Zusatzequipment. Ich habe viel recherchiert und bin beispielsweise auf eine australische Firma gestoßen, die eigene Tongeräte für mobile Reporter entwickelt hat. Mir war ein sauberer Ton und dass das Bild nicht wackelt, sehr wichtig; ich habe mir dann quasi von unterschiedlichen Technikanbietern aus einzelnen Bausteinen mein eigenes Videokit zusammengebastelt.

Wenn du auf die mächtigen Bäume am Geschriebenstein schwenkst, will ich mir sofort die Wanderschuhe anziehen – auch die Musik trägt dazu bei.

Es war mir wichtig, dass die Musik möglichst vielseitig ist, dass viele Lieder dabei sind, die auch viele kennen. Für die Szene haben wir einen Song von „Cari Cari“ verwendet – und weil die Band aus dem Burgenland kommt, ist das auch ein Statement. Die Etappe durch den Wald gehörte für mich zu den schönsten Erfahrungen. Beim Wandern wurde die Naturverbundenheit, die ich immer schon in mir spüre, noch stärker.

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Kristinas Arbeiten Für Kino und TV

„Unterwegs auf dem Bernsteintrail“ wird im Rahmen von „Erlebnis Österreich“ am 14. April um 16.30 Uhr auf ORF2 ausgestrahlt (danach in der TVthek). Schönes und pointiertes Videomaterial gibt es zusätzlich u. a. via Instagram @kristina.schranz. Weitere spannende dokumentarische Arbeiten sind „picture on – ein Dorf wird zur Bühne“ (2022), „Vakuum“ (2021), „Ars moriendi oder die Kunst des Lebens“ (2018) und „Spielfeld“ (2017). Unter dem Titel „Meer“ zeigte Kristina Schranz im Vorjahr Analogfotografien und eine Videoinstallation, die während einer Segelreise in Griechenland entstanden sind.

Nähere Infos und weitere Projekte: www.kristinaschranz.com

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