Sie steht auf Bühnen vor Tausenden Menschen, komponiert und ist demnächst mit Andrea Bocelli unterwegs. Zu Hause ist sie im Burgenland.

„Ich sehe mich nicht als Geigerin“

Ihr Instrument ist eine von vielen Stimmen, um die Sprachen der Musik zu sprechen, sagt Rusanda Panfili.

9 Min.

© Stefan Panfili

Mehr als sechs Millionen Aufrufe hat eines Rusanda Panfilis erfolgreichsten Videos auf You­Tube: eine Coverversion von „Chevaliers de Sangreal“ aus dem Blockbuster „The Da Vinci Code“, komponiert von Hans Zimmer. Er gilt als Rockstar der Filmmusik, seine Live-Show füllt weltweit riesige Säle und Arenen. Während diese Zeilen gedruckt werden, steht Rusanda Panfili als Solistin von „The World of Hans Zimmer“ in Taiwan auf der Bühne: vermutlich mit geschlossenen Augen, völlig eins mit der Musik und dem Publikum. „Ich verstehe nicht, wofür einige Musiker*innen Drogen brauchen“, lacht sie. „Die Emotionen der Menschen zu spüren ist so intensiv, es ist das Größte überhaupt.“
Die eingangs beschriebene Version spielt die Künstlerin mit „Panfili & ­Friends“, ihrer Herzensformation; mit ihr gastiert sie am 8. Oktober beim Liszt Festival in Raiding. Wir treffen sie nahe ihres neuen Zuhauses.

Rusanda Panfili: Schau mal, rund um uns das Wasser und an klaren Tagen sieht man bis zum Schneeberg. Deswegen sind wir nach Neusiedl am See gezogen. Es gibt für mich keinen inspirierenderen Ort als das Wasser.

So schön, dass wir uns treffen können, dein Terminkalender ist echt voll.

Ja, heute ist der einzige Tag, an dem ich für die nächsten Wochen da bin (lacht). Nach den Konzerten in Taiwan proben wir schon für das Liszt Festival und danach geht es auf die Andrea-Bocelli-Tour. Ich wurde als Crossover-­Artist eingeladen, es gefällt ihnen, dass ich verschiedene Welten kombiniere: die Klassik und die Filmmusik.

Dein Arbeitspensum klingt spektakulär, geht sich da ein Privatleben aus?

Mein Mann (der Filmkomponist Johannes Winkler, Anm.) arbeitet auch international, er komponiert zum Beispiel für Netflix. Wir leben also in derselben Welt; da herrscht ein anderes Tempo und es kann auch sein, dass ich mal drei Monate auf Tour bin oder bis spätnachts nicht aus dem Zimmer komme, weil ich an einem Projekt arbeite. Umgekehrt passiert das genauso.

Wir unterstützen uns gegenseitig, einmal bringt er mir ein Glas Wasser, das andere Mal zwinge ich ihn zum Essen; manchmal vergisst man auf so etwas, wenn man mit so viel Leidenschaft bei der Sache ist (lacht). Wir arbeiten auch zusammen und haben ein Label gegründet.

Euch verbindet auch die Liebe zur Filmmusik …

Als ich angefangen habe, mit Hans Zimmer zu arbeiten, hat für mich alles sofort einen Sinn gemacht: Ich hatte beim Spielen immer schon Bilder im Kopf, auch bei klassischen Stücken. Es ist eine schöne kreative Herausforderung, ein Skript zu lesen und sich zu überlegen: Welches Instrument, welches Thema passt dazu? Gerade kristallisieren sich Projekte für mich als Filmkomponistin heraus, ich freue mich sehr.

Du spielst Geige, seit du sechs warst, wie fing alles an?

Für die Verhältnisse der Klassik: spät. Meine Mutter spielt Geige und hat erkannt, dass ich Talent habe. Sie wollte für mich aber eine „normale“ Kindheit. Seit ich gehen konnte, habe ich mich zu Musik bewegt und gesungen, Musik hat mich immer fasziniert.

Bis heute sehe ich mich nicht als Geigerin, sondern als Musikerin und Künstlerin. Die Geige ist meine Hauptstimme; wenn man jeden Tag an einem Instrument übt, kann man dieses am besten. Aber ich entdecke ständig neue Ausdrucksformen.

Sehr früh warst du mit dem Studium dran: mit elf. Wie kam es dazu?

Die Geschichte glaube ich manchmal selbst nicht. Einmal kam ein österreichischer Geschäftspartner meines Vaters uns in Bukarest besuchen. Wie es so üblich ist, hieß es dann: „Komm, spiel dem Gast was vor.“ Er hat gesagt: „Wieso geht ihr mit ihr nicht nach Wien? Dort gibt es die besten Professoren!“
Meine Mutter hat ein Programm mit mir einstudiert und wir sind ganz ohne Erwartungen nach Wien gefahren. Ich war nicht einmal nervös, weil ich gar nicht wusste, worum es ging (lacht).

Aber gleich nach dem Vorspielen kam Professor Arenkow (renommierter Violinist, Anm.) auf meine Mutter zu und hat sie überzeugt, dass das Studium bei ihm das Richtige für mich wäre. Eine andere Mutter sagte: „Wissen Sie, wer das war? Wir versuchen seit sechs Jahren, bei ihm reinzukommen, er nimmt sonst gar keine Kinder.“ – Wir waren überhaupt nicht darauf vorbereitet und haben schließlich unser ganzes Leben umgedreht, damit ich nach Wien konnte.

Rusanda Panfili © Stefan Panfili

Ich konzentriere mich nicht mehr darauf, perfekt zu spielen, sondern die Menschen zu berühren.

Rusanda Panfili, Musikerin und Komponistin
Das war bestimmt nicht einfach …

Ich wollte das zuerst gar nicht, ich musste alles zurücklassen. Meine Mutter kam mit mir, mein Vater und mein Bruder blieben in Bukarest. Aber als ich mit Professor Arenkow zu arbeiten begann, habe ich das erste Mal gespürt: Das könnte mein Beruf werden. Das habe ich sogar als Kind verstanden. Das Ziel war die Solokarriere, aber ich mochte es immer, mit anderen Musikerinnen zu arbeiten. Ich muss nicht im Mittelpunkt stehen und nicht die Beste sein; ich will mit den Besten zusammenarbeiten.

Hat dir das Druck gemacht, als du wusstest, dass du bleiben möchtest?

Der Druck ist in der Kunstszene immer da. Im Sport auch. Man übt monatelang ein Stück und hat oft nur eine Chance, um es vor einer Jury oder einem Publikum zu performen. Viele leiden deswegen unter Lampenfieber. Wie geht es dir damit? Man lernt als Performerin schon als Kind, mit intensiven Emotionen umzugehen.

Deswegen sind Künstlerinnen oft gleichzeitig sensibel und hart. Ich kann es sehr gut halten, wenn es mir schlecht geht. Auf der Bühne ist das nicht wichtig. Heute kann ich die Energie umwandeln, das Publikum gibt mir Kraft. Es ist unglaublich, vor bis zu 20.000 Menschen zu spielen! Da gebe ich alles.

… und nach dem Konzert?

Da ist eine Leere da. Da muss man sich etwas Gutes tun: ein tolles Essen am nächsten Tag, eine Massage, ein gutes Gespräch. Nach dem Konzert gibt es bei uns keine Party, wir gehen ins Bett. Du schaffst sonst nicht in zwei Monaten und in verschiedenen Ländern 36 Konzerte auf höchstem Niveau.

Bei all unseren Begegnungen strahlst du – ich muss dich aber fragen: Kennst du auch arge Tiefs?

Natürlich, ich habe viele Enttäuschungen erlebt, auch menschliche. In Wahrheit ist das echter Erfolg: aus einem Tief rauszukommen. Davon abgesehen ist Erfolg mit Vorsicht zu betrachten. Ein Beispiel: Ich nütze Social Media für meine Kunst, da sind genug Menschen, die einen mit Absicht verletzen wollen.

Es gibt Traditionalisten, die sagen: Klassik in so einem Kleid oder mit so einem Make-up – das geht nicht. Man muss sich treu bleiben und nicht mit einer bestimmten Erwartung etwas posten. Wenn mich negative Kommentare berühren, hat das mit meinen Selbstzweifeln zu tun.

Sind die noch immer stark?

Ja, viele tolle Musikerinnen leiden unter dem Imposter-Syndrom. Bis zu einem gewissen Grad ist das nicht schlecht, nicht ständig zu denken: Ich bin so gut. Aber das habe ich nie gedacht, eher das Gegenteil (lacht).

Wie alt warst du, als deine Mama nach Rumänien zurückging?

Sehr jung, aber ich war sehr selbstständig. Das erste Mal, als sie mich allein lassen musste, war ich 13. Wir hatten Probleme mit dem Visum, das war damals streng: Damit sie bleiben konnte, musste sie viel Geld vorweisen. Das hatten wir nicht, also bekam sie nur ein Touristenvisum für einen Monat und musste dann wieder ein Monat in Rumänien sein. Als ich 15, 16 war, wurden die Abstände größer. Der Weg zum Erfolg war kein Spaziergang. Nein. Wir haben lange zu zweit auf 25 Quadratmetern gelebt, meine Familie hat ein großes Opfer für mich gebracht.

Meine Mutter hat viel geweint, weil sie meinen Vater und meinen Bruder vermisst hat. Ich habe mich schuldig gefühlt und mich gefreut, als sie zurückgehen konnte. Ich war ja schon dort, wo ich sein wollte. Heute bin ich dankbar für alles, ich fühle mich privilegiert.

Welche Bedeutung hat das Tattoo auf deinem Arm?

2019 war ich das erste Mal auf Tournee in Amerika – und hab’ mir gedacht: Amerika! Ich hab’s geschafft! (lacht) Man wächst als Osteuropäerin mit diesem Traum auf. Ein Musiker in der Band war voll tätowiert, ich habe das bewundert. Er hat gesagt, das hat ein Kumpel auf dem Hollywood Boulevard gemacht, zu dem auch Stars wie Angelina Jolie gehen – und er hat mir gleich einen Termin organisiert. Es zeigt die Geige meiner Mutter – und eine Lotusblume, die ja im Sumpf wächst. Das ist eine Metapher für mich: Ich kam aus bescheidenen Verhältnissen und durfte zu einer Blume werden.

© Stefan Panfili

Zu Gast in Raiding

Es sind allesamt herausragende Musiker*innen, mit denen die Künstlerin seit 2015 unter dem Namen „Panfili & Friends“ spielt. Zu einer leidenschaftlichen Reise durch verschiedene Länder, Kulturen und Emotionen nehmen Rusanda Panfili, Teodora Miteva, Christian Bakanic, Alfredo Ovalles, Jonas Skielboe und Sasa Nikolic am 8. Oktober beim Liszt Festival mit. Zum Eingrooven empfiehlt sich das famose Album „Primul“.

Kurzbiografie Rusanda Panfili

Rusanda Panfili © Stefan Panfili

… wurde in Chișinău, Moldau, geboren und wuchs in Bukarest auf. Mit elf Jahren wurde sie an der Musik und Kunst Privat­universität der Stadt Wien aufgenommen und studierte später auch an der Uni für Musik und darstellende Kunst Wien; zahlreiche Stipendien und Preise säumten ihren Weg. Als Solistin trat sie u. a. mit dem Jerusalem Symphony Orchestra und mit Erwin Schrotts Rojo­tango auf; seit 2016 tourt sie mit Hans-Zimmer-Projekten durch die Welt. Rusanda Panfili ist mit dem Komponisten Johannes Winkler verheiratet, das Paar arbeitet und lebt in Neusiedl am See; zuletzt erschien von ihr das Album „Andara 1980“.

www.rusandapanfili.com

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