Schauspielerin Autor: Katharina Susewind und Clemens Berger sitzen auf der Couch mit ihrem Hund

Hinter den Kulissen: Die Schauspielerin und der Autor

Sie ist die Erste, die seine Texte liest, er der Erste, der ihr Feedback gibt, wenn sie in eine neue Rolle schlüpft. Das ist wertvoll und gleichsam eine Herausforderung, sagen Autor Clemens Berger und Schauspielerin Katharina Susewind.

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Katharina Susewind Clemens Berger © viewitlikejenni

In seinem neuen Roman „Haus des flüssigen Goldes“ konstruiert der Autor Clemens Berger eine schräge Utopie. Aber ihr werdet später womöglich staunen: Die Geschichte hat einen wahren Kern. Die Art, wie sein Buch polarisiert, ist ungewöhnlich: Die, die es lesen, finden es – inklusive der Autorin dieser Zeilen – fesselnd. Die, die es ablehnen, lesen es gar nicht. Aus Empörung, dass ein Mann sich an das „heilige“ Thema Muttermilch wagt. Seine Partnerin Katharina Susewind hingegen ist eine „absolute hype woman“ für den Roman, wie sie selbst sagt (quasi eine bestärkende Stimmungsmacherin). No na, könnten Sie jetzt denken, die Partnerin. Aber: Die aus Berlin stammende Schauspielerin greift den schreibenden Vater ihrer gemeinsamen Tochter keineswegs mit Samthandschuhen an. Sie ist vielleicht sogar seine härteste Kritikerin.

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Die Schauspielerin

Katharina, du bist Schauspielerin, warum hast du zunächst Jus studiert?

Ich wollte Richterin werden. Ich hatte mir schon mit 13 zu Weihnachten das Grundgesetz (Verfassung Deutschlands, Anm.) gewünscht und fand die Vorstellung, über Konflikte zu entscheiden, fantastisch. Ich hab’ sogar das erste Staatsexamen gemacht. Aber ich hab’ auch in der „Maxim Gorki“-Studentengruppe gespielt, ich wollte auf der Bühne sein. Also habe ich eine Aufnahmeprüfung an der „Ernst Busch“ gemacht, das ist das deutsche Pendant zum Max Reinhardt Seminar – und es hat gleich funktioniert. Aber Jus interessiert mich weiterhin.

Was magst du am Schauspiel?

So viel! Wenn ich spiele, habe ich keinen Durst, keinen Hunger und muss nicht einmal aufs Klo. Da bin ich so im Moment, das ist allumfassend, ich mag diesen Zustand.

Du hast mit namhaften Theaterleuten zusammengearbeitet: Claus Peymann, Peter Stein, Luc Bondy …

Ja, ich wurde da gleich reingeworfen. Claus Peymann (Intendant am Berliner Ensemble, Anm.) hatte mich im dritten Studienjahr am Schirm, er war bei der Auswahl sehr an den jungen Leuten interessiert. Er hat sie auch schnell fertigmachen können. Aber wenn du sein Vertrauen hattest, war das toll, dann wurdest du gestärkt. Mich mochte er, es hat jahrelang gut funktioniert am Berliner Ensemble. Dann war ich auch bald bei den Salzburger Festspielen, dort haben wir uns kennengelernt.

Schauspielerin Autor: Clemens Berger und Katharina Susewind stehen nebeneinander und sie hält einen Hund
© Jennifer Vass

Der Autor

Wie habt ihr euch kennengelernt?

Katharina: Bei Faust I oder II?
Clemens: Beide auf einmal, endlos (lacht). Ich hab’ da gerade in Salzburg unterrichtet und war in den Ferien Writer in Residence bei der Sommerakademie. Ich hatte alle Beziehungen und Affären beendet, wollte ein neues Leben beginnen, nur schreiben, laufen gehen und auf keinen Fall eine Frau kennenlernen. Dann hat mir eine Studentin ihr Ticket geschenkt, ich bin da widerwillig hin – und in der Pause kam eine andere Studentin mit dieser Frau.
Katharina: Du kamst zu mir! Und dann hat er mich gefragt, ob wir mal gemeinsam frühstücken wollen. Nett, aber auch irgendwie eigenartig: frühstücken?
Clemens: Ich habe in meiner Überheblichkeit gesagt, du kannst dich melden, meine E-Mail-Adresse steht auf der Website. Aber als einige Tage nix kam, war ich enttäuscht.
Katharina: Ich hab’ gelesen, dass er eine Lesung hatte. Ich dachte mir: Ah, der mit dem Frühstück. Ja gut, ich kann ja mal eine E-Mail schreiben und hingehen.
Clemens: Und die E-Mail war so betont cool, dass ich schmunzeln musste.

Du hast alles falsch gemacht, sie kam trotzdem. Was ist da nonverbal zwischen euch passiert?

Katharina (lacht): Ja, da war gleich eine Anziehung. Ich habe mich bei der Lesung aber extra in die letzte Reihe gesetzt, weil ich mir dachte: Wenn das furchtbar ist, bin ich raus. Dann war’s aber sehr, sehr gut – und ich bin sehr bald mit dir nach Wien mitgefahren. Das war 2011. Wir haben seither viel durch. Begonnen hat es mit einer Fernbeziehung. Die auszuhalten ist arg: Man sieht sich alle zwei, drei Wochen, freut sich, streitet am Anfang und streitet, wenn man wieder fährt.
Clemens: Ich mochte das Leben in zwei Städten. Ich konnte leichter weg, weil schreiben kann ich ja überall.
Katharina: Später war ich am Staatstheater Darm­stadt, aber nach zwei, drei Jahren hatte ich Lust, nur zu singen, ich hatte ja auch Gesang studiert – und dann wurde ich schwanger. Es war der richtige Zeitpunkt: Ich war bereit, woanders zu leben. Ich zog nach Wien und wir lebten während der Pandemie in unserer Baby-Bubble.
Clemens: Ich bin jeden Tag sieben Kilometer mit ihr spaziert. In der Zeit begann ich die „Briefe an Amalia“ zu schreiben (erschien jahrelang in Die Presse, Anm.), 2020 kam mein Roman „Der Präsident“ heraus und wir waren das erste Mal als „Familienzirkus“ unterwegs: Ich war Stadtschreiber in Weißenburg, Bayern; wir sind über den Sommer hin, ich hatte den Auftrag, ein großes Theaterstück zu schreiben, da spielt fast der ganze Ort mit.

Dieses Theaterstück hat uns wieder gezeigt, wie gut wir zusammen­arbeiten können.

Katharina Susewind, Schauspielerin


Wie habt ihr das als Familie erlebt?

Katharina: Ich habe dort auch einen Gesangsabend mit meinem Pianisten aufgeführt und war viel für Amalia da. Ich co-arbeite mit Clemens ständig in gewisser Weise, weil wir uns immer feedbacken, ich bin die Erste, die seine Texte liest, das war von Anfang an so.

Ausgehend vom zu jung verstorbenen Investigativjournalisten Kurt Kuch hat Clemens das Theaterstück „Aufdecken!“ geschrieben, Katharina spielt die Hauptrolle. Premiere war im Jänner im OHO. Habt ihr bald festgestellt, dass ihr gut miteinander arbeiten könnt?

Katharina: Manchmal zoffen wir uns richtig. Aber das Stück hat uns wieder gezeigt, wie gut wir zusammenarbeiten. Dass wir uns schonungslos alles sagen können.
Clemens: Wenns auch zuerst schwer anzunehmen ist.

Bei Kritik heißt es zwar oft, es ist nicht persönlich gemeint, aber …

Clemens: Es ist immer persönlich. Es geht um meinen Text. Ich weiß nicht, was persönlicher sein sollte. Ich kann das im ersten Moment nicht annehmen, ich bin auch stur, aber oft lese ich es mir später noch mal durch und komme drauf, dass sie recht hatte.
Katharina: Es ist besser geworden. Zuerst ist er meistens bei der kleinsten Anmerkung wie eine Katze, die ins Wasser soll, manchmal knallen Türen. Aber es ist so wertvoll, wie wir füreinander da sind. Diese Spitzen werden mit der Zeit abgeschliffen, werden weicher.

In deinem neuen Roman „Haus des flüssigen Goldes“ floriert eine Firma, die Muttermilch verkauft. Wie bist du auf die Idee gekommen?

Clemens: Ich bin in der Zeit, als Katharina Amalia gestillt hat, darauf gestoßen: Vor allem in den USA und in England verkaufen viele Frauen ihre Milch online zu sehr günstigen Preisen. Das hat mich nicht losgelassen.

Dein Buch wirft etwa Fragen auf wie: Wem gehört die Muttermilch? Wer darf über sie bestimmen?

Katharina: Heldin ist eine alleinerziehende Mutter, ich finde es empowernd. Ich hab’ es gelesen und bin mit einer starken Energie aus dem Zimmer raus. Hier geht’s zum einen um die Kapitalisierung einer intimen Ware, aber auch darum, dass Stillen Care-Arbeit ist.

Die Frauen bekanntermaßen ständig gratis leisten.

Katharina: Stell dir vor, es könnten Frauen, die viel Milch haben, fantastisch Geld damit verdienen.

Noch einmal zum Theaterstück: Ihr spielt „Aufdecken!“ seit Anfang Jänner an verschiedenen Orten, demnächst auch in Wien. Wie kam es zur Produktion?

Clemens: Peter Wagner (er führt mit Valentina Himmelbauer Regie, Anm.) hat mich gefragt, ob ich zum zehnten Todestag von Kurt Kuch ein Stück, einen Monolog, schreiben würde. Ich hatte bald die Idee im Kopf, dass seine Assistentin ein Kuvert mit einem USB-Stick kriegt, das sie erst zehn Jahre nach seinem Tod öffnen darf. Ich wollte auf keinen Fall eine Heiligengeschichte schreiben. Es sollte darum gehen, wofür sein Name, sein Vermächtnis steht: für aufdecken, mutig sein und sich nix scheißen.

Spieltermine und Infos:

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