Schaumwein gegen Homophobie
Sie polarisieren, erregen Aufsehen und sind genervt von Klischees: Wir sprachen mit einigen Mitgliedern des Vereins „DieProseccoTanten“. Im Gespräch erzählten sie von ihren Coming-outs, bösen Blicken und wie Künstliche Intelligenz der Community bei der Aufklärung hilft.
Stefan und René möchten mit ihrem Verein Jugendliche unterstützen, zu ihrer Sexualität zu stehen, und ihnen das Coming-out erleichtern. © Nicole Schlaffer
Mit Handtasche, angewinkeltem Arm, gespreizten Fingern, auffälliger Kleidung und hoher Singsang-Stimme – nein, so erschienen meine Interviewpartner nicht zum vereinbarten Termin. Aber sie wissen, dass das von vielen (Anwesende ausgeschlossen) leider immer noch oft erwartet wird, wenn sie das Wort „schwul“ hören. René, Daniel und Stefan stammen aus verschiedenen Regionen und Generationen, so unterschiedlich sind auch ihre Erfahrungen und dann aber wieder doch so gleich. René aus dem Mittelburgenland, der zwar 43 ist, aber nach 29 aufgehört hat zu zählen, entstammt einer Generation, in der manche Männer immer noch nicht mit Homosexuellen umgehen können, ohne sich bedroht oder in ihrer Männlichkeit eingeschränkt zu fühlen.
Daniel, 26, aus einem winzigen Dorf im Waldviertel, war lange Zeit der einzige Schwule in seiner Heimatgemeinde. Stefan, 24, aus Osttirol, stammt aus einer traditionellen Arbeiterfamilie, wo das Thema Sexualität nie eines war. Als Jüngster in der Runde sieht er den wesentlichsten Unterschied zwischen den Generationen: „Während diejenigen, die in meinem Alter und jünger sind, sich nicht mehr über ihre Sexualität definieren, machen das Ältere sehr stark und fragen auch die Jüngeren nach ihrer Orientierung. Meine Generation und die Jüngeren thematisieren das gar nicht mehr. Jeder ist, was er ist. Das wird nicht bewertet oder besprochen.“ Dementsprechend locker war bei ihm auch sein Coming-out. Irgendwann brachte er einen Mann mit nach Hause und seine Eltern waren überrascht, weil es bis dahin nur Frauen waren, die bei Stefan übernachteten. „Ich bin mir bis jetzt nicht sicher, wo und wie ich fix unterwegs bin. Ich tue mir sehr schwer mit diesem Schubladendenken. Warum muss ich meine Sexualität definieren? Ich will mich ausleben und schauen, wo ich mich wohlfühle. Und ich mag es nicht, wenn andere sagen: ‚Das ist jetzt eine Phase‘, das klingt abwertend. Ich habe derzeit einen Partner und fühle mich sehr wohl, aber ich will mich nicht in ein Korsett zwängen lassen, das mir eine Bezeichnung für meine Sexualität gibt.“
Daniel hingegen stammt aus einer sehr ländlichen Gegend im Waldviertel, kleinbürgerlich mit obligatorischen sonntäglichen Kirchgängen. „Ich war 16, als ich es meinen Eltern gesagt habe, im ersten Moment haben sie es nicht sehr gut aufgefasst. Darüber war ich aber nicht enttäuscht, sie kennen es halt nicht anders. Kontakte fand ich damals übers Internet und als ich volljährig war, zog ich nach Wien, da die Stadt viel offener und toleranter ist als ein kleines Dorf. Ich würde mir wünschen, dass nachfolgende Generationen das anders erleben.“
Anstrengendes Doppelleben
Renés Outinggeschichte ist hingegen komplexer. Mit Anfang 20 wurde ihm klar, dass er nicht nur – bzw. wie sich später herausstellte: gar nicht – auf Mädchen steht. Dabei habe er alle klassischen Vorurteile erfüllt: „Im Kindergarten war ich eher in der Puppenecke als in der Bauecke zu finden, in der Volksschule hatte ich einen viel besseren Draht zu den Mädchen als zu den Burschen und in der Hauptschule sind die Mädels mit ihren Geschichten immer zu mir gekommen.“ Als Jugendlicher hatte er eine Freundin, vielleicht aus dem Grund, weil es von ihm erwartet wurde. Ein damaliger Arbeitskollege sprach ihm ins Gewissen: „Er sagte: ‚Steh zu dir, dann weißt du, was du willst.‘ Und er hatte recht. Ich habe viel zu lange vor mir selbst die Augen verschlossen.“ Doch sein Outing sollte noch lange auf sich warten.
Hinter vorgehaltener Hand war es in seiner Heimatgemeinde schon ein offenes Geheimnis, doch seine Eltern wussten nichts davon. René führte ein anstrengendes Doppelleben: In Wien lebte er sich aus, während er zu Hause im Burgenland den braven Nachbarsjungen mimte. Seiner Schwester konnte er sich anvertrauen und sie unterstützte ihn, wenngleich er wusste, dass er um ein Gespräch mit seinen Eltern früher oder später nicht herumkommt.
Kurz vor seinem 30. Geburtstag war für René klar: Die Eltern mussten eingeweiht werden, da zu seiner Geburtstagsfeier auch „Schwestern“ aus Wien kommen sollten. Am sonntäglichen Mittagstisch war es dann so weit und auf die Aussage von René Richtung seiner Eltern, dass er ihnen etwas sagen müsse, bekam die Mutter leuchtende Augen und hauchte den hoffnungsvollen Satz: „Werde ich leicht Oma?“
Während seine Schwester vor Lachen fast von der Bank fiel, versuchte sich René zu sammeln und stammelte: „Nein, im Gegenteil.“ Der darauffolgende Geistesblitz der Mutter traf den Nagel auf den Kopf: „Oder ist das etwa wie in dem Film, den ich gestern im Fernsehen gesehen hab: ‚Hilfe, meine Schwiegertochter ist ein Mann‘?“ Als René bejahte, blickte seine Mutter ihn perplex an und verlautbarte ungeniert: „Du bist jetzt 30, ich wusste, da stimmt etwas nicht. Na ja, Hauptsache, du bist gesund.“ Sein Vater wechselte die Gesichtsfarbe nach Manier der Österreich-Fahne und schloss das Gespräch mit einem „Es ist dein Leben, du musst glücklich sein“ ab.
Es war geschafft, der Brocken fiel von Renés Schultern. Nun war es offiziell. Und auch wenn danach eigenartige Situationen folgten, wo sich männliche Bekannte unwohl fühlten, wenn ihnen jemand, den sie bisher ganz „normal“ behandelten, die Hand auf die Schulter legte, um sie unverbindlich auf ein Getränk in der Runde einzuladen, war René zufrieden mit seiner Entscheidung. Die manchmal „bösen und komischen Blicke“, wenn er in seinem Heimatort ein Lokal betritt, spürt er aber tatsächlich teilweise heute noch.
Unterstützung der Prosecco Tanten
Unter anderem aus diesem Grund ist es für die drei wichtig, Organisationen zu unterstützen, die Jugendlichen beim Outing und dessen Folgen helfen, sie auffangen und ihnen ihr Selbstbewusstsein zurückgeben. Das Projekt
„DieProseccoTanten“ entstand, um darauf aufmerksam zu machen, dass es nicht nur eine Art und Weise zu leben und lieben gibt. Dabei soll niemand bekehrt, sondern diejenigen unterstützt werden, die Hilfe brauchen. Und Projekte mit LGBTQI+-Hintergrund (LGBTQI = aus dem englischen Sprachraum übernommene Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer and Inter) will der Verein fördern. Dafür haben die Prosecco Tanten zahlreiche namhafte Sponsor-Firmen ins Boot geholt und auch einen eigenen Wein kreiert (siehe Info-Kasten).
Klischees
Dass diese Unterstützung in der Community immer noch wichtig ist, zeigen Situationen wie diejenigen, die René uns beschreibt: „Ich arbeite als Vinotheksleiter und berate viele Kund*innen. Einem Herrn stellte ich unlängst einige Weine vor und als wir zu den Süßweinen kamen, war sein Kommentar: ‚Das trinken ja eh nur die Warmen.‘ Ich sagte daraufhin: ‚Stimmt, den trinke ich wirklich sehr gerne.‘ Oder in einem früheren Job fuhr ich ölverschmiert in einer Lagerhalle mit einem Kran. Ein Kollege kam und warf mir vor, ich hätte ein Verhältnis mit einer Arbeitskollegin. Es reichte mir und ich sagte ihm, dass ich stockschwul sei, und seine erste Aussage war: ‚Was? Du bist schwul und kannst einen Kran bedienen?‘“ Auch Daniel machte seine Erfahrungen mit Vorurteilen (Schwule seien tuntig und laufen mit Handtaschen herum), während Stefan noch immer die Ausrufe seiner Familie im Ohr hat („Oje, jetzt krieg ich keine Enkelkinder!“). Die Liste lässt sich beliebig erweitern.
Quotenschwule
Als unsere Diskussion sich auf die Meta-Ebene verlagerte und sich um die Wahrnehmung von LGBTQI+ in der Gesellschaft drehte, begann Daniel zu sinnieren: „Aus meiner Kindheit kenne ich keinen Film, in dem Schwule vorkamen, jetzt hast du Homosexuelle in sehr vielen Filmen und Serien. Das finde ich gut, aber ich möchte nicht, dass sich die Leute belehrt fühlen. Da sollte man zu einer gewissen Subtilität übergehen.“ Stefan stimmt ein: „Früher war das mit Rassismus genauso. Von einer Zeit, in der Schwarze in Filmen undenkbar waren, ging man über zum ‚Quotenschwarzen‘ und jetzt ist es vollkommen ‚normal‘, dass Andersfarbige in den Medien überall zu sehen sind. LGBTQI+ will jetzt auch eine Quote erfüllen, wird aber in einiger Zeit auch ‚normal‘ sein. Solange wir LGBTQI+ als Minderheit sehen, werden wir auch so behandelt. Es braucht alles seine Zeit.“ Social Media und die Künstliche Intelligenz tragen ein Stück dazu bei, um dies zu forcieren. Stefan ist überzeugt, dass es nicht mehr so lange dauert wie bei anderen Themen, bis LGBTQI+ in der Gesellschaft fest verankert ist.
„Social Media fördert die Vernetzung und die Verbreitung von Informationen. Und ich war auch sehr überrascht von der Künstlichen Intelligenz. Bei einem Test gab ChatGPT sehr wissenschaftlich fundierte und ethisch einwandfreie Antworten zu den Themen Homosexualität oder LGBTQI+.“ Und bezüglich Vorurteile und Klischees hilft es ohnehin nur, sich selbst an der eigenen Nase zu nehmen – nicht nur in Bezug auf die Sexualität.
Frisch, fruchtig, spritzig mit anregender Perlenbildung und intensiven Fruchtaromen – mit einem genialen Etikett.
DieProseccoTanten
Ein Zusammenschluss aus Freunden, die für gesellschaftliche Gleichberechtigung einstehen. Das Hauptanliegen des Vereins ist es, durch verschiedenste Projekte, Aktionen und Initiativen Spenden für die LGBTQI+-Community zu sammeln. Im Sommer 2022 wurde beispielsweise das Young Trans*- & Inter*-Camp, das vom Verein Courage organisiert wird, unterstützt. Die Einnahmen aus dem Verkauf des Schaumweins „Rosa Himmel“, der in Zusammenarbeit mit dem burgenländischen Winzer Christian Kirnbauer kreiert wurde, sowie auch die coolen Tragetaschen und finanzielle Spenden von Privatpersonen und namhaften Unternehmen sind eine weitere Einnahmequelle, womit weitere Projekte unterstützt werden.