Elke Winkens: Schwarz gekleidete Frau sitzt auf einem schwarzen Sofa mit einem schwarzen Labrador

Ein Gespräch mit einer „neuen“ Elke Winkens

Zum Filmstart von „How To Be Normal Or The Oddness Of The Other World“.

9 Min.

© Christian Hartmann

„Wir wollen dir nur helfen“, sagt Elfie (Elke Winkens) und deckt den Tisch mit Geschirr und Besteck aus Plastik. Sie hat die frischen Ritz­wunden gesehen. Ihre Tochter Pia ist psychisch erkrankt, sie ist erst vor Kurzem nach einem Klinikaufenthalt wieder zu Hause. Ihre Eltern umkreisen sie quasi auf Zehenspitzen, dabei implodieren gerade auch ihrer beider Leben.

„How To Be Normal Or The Oddness Of The Other World“ lautet der Titel jenes Kinofilms, den wir hier anteasern. Nach seinem viel bejubelten Kurzfilm „Erdbeerland“ (2012) ist dies das Spielfilmdebüt von Regisseur Florian Pochlatko. Und es ist spektakulär: dramatisch, verwirrend, poetisch, humorvoll, aufwühlend. Während das Leid der jungen Erwachsenen in einem Moment beinahe unerträglich ist, klebt ihr in der nächsten Szene eine Scheibe Käse im Gesicht.

Die Grenzen zwischen Pias Gedanken und der Realität verschwimmen – und inmitten dieses intensiven Filmerlebnisses spielt eine Schauspielerin, die man zuletzt kaum in einer vergleichbaren Rolle gesehen hat: Elke Winkens. Sie spielt Pias Mutter.

Neue Rolle

Sie haben in Ihrer Laufbahn oft Krimis und Komödien gespielt, zuletzt wieder viel Kabarett. Diese Rolle ist etwas ganz Neues. Wie kam es dazu?

Elke Winkens: Irgendwann habe ich das Kabarett nicht mehr gespürt. Ich wollte keine Witze-Sendungen mehr, keine Jury mehr für TV-Shows, obwohl immer wieder Anfragen kamen. Es war ein schleichender Prozess, aber zum Schluss ging es schnell. Ich bin von einem Solo-Kabarett-Abend von der Bühne und habe zu meinem Mann gesagt: Ich mache das nicht mehr. Ich wollte auch nicht mehr in der Öffentlichkeit stehen, ich wollte ein bisschen Rückzug. Ich kann mir auch jetzt nicht vorstellen, allein auf einer Bühne zu stehen, es sei denn für ein Theaterstück.

Ich war gut ein Jahr auf der Suche in mir: Kann ich diesen Beruf überhaupt noch machen? Ist da noch etwas mit der Schauspielerei? Dann war ich eines Tages am Hochkar in einem Chalet und sah einen Film mit Corinna Harfouch, in dem sie erklärt, dass sie die Anti­depressiva absetzt – ihre Familie protestiert. Plötzlich war mir klar: Das will ich machen, solche Rollen will ich spielen. – Es hat keine fünf Tage gebraucht und es kam dieses Drehbuch.

Elke Winkens: Frau vor rotem Samtvorhang hält sich das graue Samtsakko zu
© Christian Hartmann

Ich wusste nicht mehr: Kann ich noch Künstlerin sein? – Dann kam dieses Drehbuch.

Elke Winkens, Schauspielerin

Wow, jetzt habe ich Gänsehaut.

Ich auch! Weil in dem ganzen Jahr davor war mir nicht einmal mehr klar, ob ich überhaupt noch Künstlerin sein kann. Ich durfte bald mit dem Regisseur telefonieren und Flo (Pochlatko, Anm.) sagte: „Mann, Elke, ich will das mit dir machen.“ – Das war sehr, sehr schön.

Vor ein paar Jahren haben Sie in einem Podcast gesagt, dass Sie ein spiritueller Mensch sind. War das ein spiritueller Moment? Konnten Sie sich das trotz Kriege und Krisen beibehalten?

Ja. Aber ich male mir nicht einen roten Punkt auf die Stirn, sage Ooohm und hoffe darauf, dass alles kommt. Ich schaue um 19.30 die ZIB1 und um 22 Uhr die ZIB2, naiv bin ich in dieser Welt nicht. Aber ich glaube schon an die Kraft der Anziehung, an „What goes around comes around“. Wer sein Karma verunreinigt, darf sich nicht wundern.
Es erfordert heute jedenfalls mehr Arbeit, sich aufrecht und positiv zu halten. Wenn der Kopf die Toilette ist, muss man immer schön dazwischen aufmachen und saubermachen, weil so viel von Außen kommt.

Was hat Sie an diesem Drehbuch gefesselt?

Ich habe mich schon beim Lesen in der Figur gesehen und was ich dazu beitragen kann. Vieles von mir ist auch in der Rolle der Pia, ihre Mutter zu spielen war eine große Aufgabe. Mir war sofort klar, dass ich das gut vorbereiten werde, nicht allein, mit Hilfe.

Wie haben Sie an der Rolle der ­Elfie gearbeitet?

Ich bin Müttern und Vätern begegnet, die betroffen sind. Ich habe Dokumentationen gesehen und eine Hautärztin getroffen, die später versucht, die Narben wegzubekommen.
Schweres Ritzen (Selbstverletzung, Anm.) geht bis dahin, dass die betroffenen Menschen sogar Rasierklingen schlucken. Ich habe sehr viel recherchiert, um mich in die Rolle der Elfie hineinzudenken.
Ein Teil ist das Drehbuch, ein Teil kommt von mir – und dann kommt noch das Gegenüber. Ich hatte das Glück, mit so vielen tollen Menschen zu drehen. Luisa-Céline Gaffron (als Tochter Pia, Anm.) spielt so gut, wenn ich ihr nur in die Augen geschaut habe, sind mir die Tränen gekommen.

Der Film erhielt viel Applaus bei der Premiere bei der Berlinale und eröffnete die Diagonale in Graz. Was wünschen Sie sich für den Kinostart in Österreich?

Das schönste Feedback, das wir bis jetzt immer wieder gehört haben, ist: Danke für den Film. Ich wünsche dem Film viele Zuschauer*innen, weil er sehr berühren kann. Da war eine junge Frau in Berlin im Publikum, die wirklich zu schluchzen begonnen hat. Sie war vielleicht betroffen oder vielleicht jemand aus ihrer Familie.

Ich sehe oft junge, ganz magere Frauen in den sozialen Netzwerken, wie sie ihre happy Geschichten erzählen, und denke mir manchmal: So geht es dir doch gar nicht. Wie es in den Menschen innen aussieht, wissen wir oft nicht. Robin Williams soll einmal gesagt haben: „People don’t fake depression. They fake being okay. Remember that and be kind.“

Prägende Kindheit

Sie sind aus beruflichen Gründen Ihres Vaters in verschiedenen Ländern aufgewachsen. Wie hat Sie das geprägt?

Ich kannte kein Heimatgefühl im Außen. Was ich aber als Kind gar nicht mochte, dieses ewige Umziehen, habe ich später selbst auch gemacht. Wir sind bis heute viel unterwegs. Umziehen könnte ich aber auch mit zwei Koffern, ich hänge an keinen Dingen. Ich hänge an meinem Mann. Das ist für mich sehr ungewöhnlich, dass ein Mensch schon so lange in meiner Nähe ist.

Sie haben sogar kürzlich geheiratet – herzliche Gratulation!

Ja, danke schön (strahlt). Wir sind schon seit zehn Jahren ein Paar. – Ich hänge auch an meinem Zwillingsbruder, meiner Familie und meinem Hund Heidi (köstlich: die Hündin ist nach Heidi Klum benannt, Anm.). Aber ich bin nicht mit einem Ort verbunden. Das ist mir geblieben. Als Kind fand ich das furchtbar: Gerade ein paar Freunde gefunden, noch keine Eselsohren in den Büchern – und wir sind schon wieder weiter. Trotzdem kann ich auch eine Heimkröte sein (lacht). Ich mag es in Wien und bin auch sehr gerne in unserem Haus in Rechnitz. Ich habe dort auch noch mein Soloprogramm „Alles gelogen“ im vollen Saal gespielt.

Elke Winkens: Frau steht lässig in einem dunkelblau glitzernden Hosenanzug mit der Hand in einer Tasche auf einem Perserteppich
© Christian Hartmann

Ich sehe auf Social Media Frauen ihre happy Geschichten erzählen. Wie es in ihnen aussieht,
wissen wir nicht.

Elke Winkens, Schauspielerin

Wieso wurden Sie Schauspielerin?

Ich habe schon als Kind Witze erzählt und die Nachbarin nachgemacht – ich hatte keine Wahl. Mit sechs Jahren stand ich als Tänzerin auf der Bühne, es gibt auch Kindervideos, wo man sieht: Die Kamera gehört mir (lacht).
Erst in den letzten Jahren bin ich eine andere geworden. Ich habe ein sehr starkes Bedürfnis nach Rückzug empfunden und wollte nicht mehr in jedem Billa erkannt werden. Jetzt fällt es mir fast ein bisschen schwer, Interviews zu geben. Ich find’s auch langweilig, dass wir eine Stunde über mich reden (lacht).

Ich finde es spannend! Darf ich hartnäckig sein: Wieso sind Sie Schauspielerin geblieben?

Ich bin keine Schauspielerin geworden, um Star zu werden. Das ist auch kein Beruf. Das muss man auch den vielen jungen Menschen sagen, die davon träumen, Model oder Content Creator zu werden. Das sind alles harte Berufe. Nicht das Ego sollte solche Berufe suchen. Ich hatte wirkliche Sehnsucht nach dem Spielen und dem Tanzen. Ich habe das nicht gemacht, um in die Öffentlichkeit zu kommen.

Aber als ich in der Öffentlichkeit war, fand ich das super. Mir wurde alles geschenkt. Ich war Testimonial von Louis Vuitton, von Valentino – das rollte alles so zu mir her. Aber wenn ich aus heutiger Sicht auf die Elke sehe, wie sie mit 30 war, muss ich sagen: Ich habe es auch ein bisschen übertrieben.

Inwiefern?

Es ist ein Irrglaube, dass man zu allem was sagen muss. Und wenn du dann ständig in der Zeitung bist, ist der Preis hoch. Dann wirst du in jeder U-Bahn erkannt; wenn ich mir Tampons gekauft habe, haben die Leute geschaut, welche Größe ich kaufe. Diese Elke gibt es nicht mehr. Jetzt bin ich 55 – es hat eh lang gedauert, bis ich ein bisschen gescheiter wurde (lacht). Aber niemand hat mich dazu gezwungen, die Interviews habe ich schon selbst gegeben. Es hat gedauert, bis Ruhe eingekehrt ist. Ich habe dann beschlossen, erst wieder mit einem Projekt in die Öffentlichkeit zu gehen. Und das habe ich jetzt gemacht – für unseren Film. Diesen Film möchte ich wirklich gerne hinaustragen.

Elke Winkens: Frau in weißem T-Shirt mit der Aufschrift Cote d'Azur Saint-Tropez zieht lachend mit geschlossenen Augen die Schultern hoch
© Christian Hartmann

Elke Winkens

… wurde in Deutschland als Tochter einer Niederländerin und eines deutschen Ingenieurs geboren und wuchs in den Niederlanden, Deutschland, Belgien und Afrika auf. Mit sechs Jahren begann sie mit Ballett, mit 18 besuchte sie mit einem Stipendium die London Studio Center School. Danach zog sie nach Wien und nahm Unterricht an der Musicalschule am Theater an der Wien, 1994 erhielt sie ihr Staatsdiplom.

Bekannt wurde sie mit Serien wie „Die kranken Schwestern“ (ORF) sowie mit der Hauptrolle Niki Herzog in „Kommissar Rex“. Zuletzt war sie in TV-Produktionen wie „Rottmann schlägt zurück“ und „Arschkalt“ zu sehen. Kabarett machte sie schon in den 1990ern mit „Die Hektiker“ – sowie bis vor Kurzem mit Solo-Programmen wie „Alles gelogen“. Elke Winkens ist mit dem Anwalt Bert Ortner verheiratet.

„How To Be Normal …“ ab 19. September im Kino.

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