Verein HPE: Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter

Schuld-, Schamgefühle und Überforderung sind groß, wenn Kinder, Partner*innen, Geschwister, Freund*innen psychisch erkranken. Angelina Klug und der Verein HPE unterstützen auf Augenhöhe.

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bipolar disorder people emotion mental woman. Close-up photo of a young beautiful sad woman suffering from multiple personality disorders.

Nur zwei Jahre Altersunterschied sind es zwischen ihren Kindern. „Als sie klein waren, haben sie gerne miteinander gespielt“, beschreibt die Eisenstädterin Angelina Klug. Aber je älter ihr Sohn wurde, desto mehr veränderte sich sein Verhalten, „auch seine Aussagen wurden ,seltsam‘. Einmal stand ich am Herd und kochte Reis, da sagte er zu mir, ich soll nicht so aggressiv rühren.“ Sie und ihr Mann stellten fest: Er nahm die Dinge zunehmend anders wahr, als sie in der Realität waren. Sie beginnen Ärzt*innen zu konsultieren – bis ihr Sohn ins AKH Wien kommt. Da ist er 17 Jahre alt.

Verein HPE: Ältere Dame in weißem, langärmeligen T-Shirt steht vor einem Wohnzimmerschrank
Engagiert. Angelina Klug ist Vereinsvorsitzende und Mutter eines psychisch erkrankten Sohnes. © Viktoria Kery Erdelyi

„Darf ich fragen: Welche Diagnose bekam er?“, formuliere ich vorsichtig, als ich die Vorsitzende von HPE, dem Verein „Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter“ zum Interview treffe. Angelina Klug bekleidet aktuell die ehrenamtliche Funktion sowohl bei HPE Österreich als auch bei HPE Burgenland. „Ja, dürfen Sie: paranoide Schizophrenie“, sagt sie. „Wir müssen alle daran arbeiten, das Bild in der Öffentlichkeit zu ändern, denn viele glauben, psychisch Erkrankte seien gefährlich. Das sind sie aber eigentlich in erster Linie für sich selbst. Die meisten Angehörigen leben mit der Angst vor einem Suizid“, erklärt Angelina Klug.

Nicht allein.

Das Thema war für das Ehepaar Ende der 1990er-Jahre, als Erkrankte gesellschaftlich noch mehr stigmatisiert waren, völlig neu. Geholfen haben der Psychosoziale Dienst – und eben der Verein HPE, wo sie bald Mitglieder wurden. „Man hat als Angehöriger mit vielen negativen Gedanken zu kämpfen, Scham und Schuldgefühle sind dabei, die Beratungen und Gespräche in den Selbsthilfegruppen waren sehr wichtig.“

Heute berät sie selbst und leitet Selbsthilfegruppen; solche gibt es in Gols, Eisenstadt, Oberpullendorf und demnächst voraussichtlich wieder in Oberwart. Sie weiß aus erster Hand, wie schwierig der Weg ist, anzunehmen, was ist. „Angehöriger zu sein bedeutet oft, verzweifelt nach Lösungen zu suchen. Es gibt nur leider kein Rezept. Auch wir haben am Anfang geglaubt, wir holen Informationen ein, lesen Bücher und machen es so, wie es da drinnen steht, dann wird er wieder gesund. – Aber das Wichtigste ist, dass man lernt zu akzeptieren. Andernfalls leidet man selbst – und die Erkrankten auch“, weiß die studierte Juristin, die beruflich viele Jahre im Sozialbereich tätig war.

Eine andere wichtige Erkenntnis sei, dass es ohne die Hilfe von Expert*innen, also von Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen, Psychoanalytiker*innen, nicht geht. Oftmals gefolgt von der Einsicht, dass die Wohnsituation, wie man sie sich für das eigene Kind vorgestellt hat, nicht die beste Lösung sei. „Allein in einer Wohnung zu leben hat unserem Sohn nicht gut getan und ich glaube, dass junge Erkrankte zu wenig erwachsen werden können, wenn sie zu Hause wohnen bleiben“, beschreibt sie.

„Unser Sohn lebt mittlerweile in einer ganz tollen Einrichtung, wo man sehr auf ihn eingeht. Heute genießen wir alle das Zusammensein, wenn wir ihn besuchen. Mein Mann plaudert mit ihm über Fußball, wir lachen wieder miteinander.“

HPE:
Vereinsvorstand Burgenland: Adi Klug, Doris Schöll, Andrea Eckelhart-Göpfrich, Heidi Karner, Angelina Klug, Georg Hirschvogel © HPE

Nicht nur einmalig.

Die Liste an Fragen und Hürden, mit denen Angehörige – das sind nicht nur Eltern, sondern auch Geschwister, Partner*innen, Freund*innen, Kinder – konfrontiert sind, ist lang. Darum bietet HPE mehrere Gesprächsmöglichkeiten je nach Verfügbarkeit an.

Auch organisieren Angelina Klug und ihr Team Vorträge mit Expert*innen sowie kleine Auszeiten für Angehörige in besonders fordernden Zeiten. Ein jährlich wiederkehrender Höhepunkt ist außerdem die HPE-Tagung. Er findet zumeist in Wien oder in Salzburg statt. „Am Programm stehen dabei Vorträge und Workshops für alle Interessierten. Abends gehen wir gemeinsam essen, es gibt einen sehr guten Austausch. Wir alle kommen jedes Jahr begeistert und gestärkt zurück“, schwärmt sie.

Der Verein engagiert sich zudem in der Ausbildung von Polizist*innen. „Wir begegnen sehr netten Polizei-Schüler*innen, denen wir den Umgang mit psychisch Erkrankten und ihren Angehörigen näherbringen. Sie lernen, dass es sich bei den Personen, deretwegen sie gerufen wurden, um kranke, verängstigte Menschen handelt, die respektvollen Umgang verdienen“, sagt Angelina Klug.

Darüber hinaus sei man stets bemüht, möglichst auf die Menschen zuzugehen, ihnen die Scheu zu nehmen, sich zu öffnen. Bei der Inform Oberwart ist der Verein HPE traditionell zu Gast im Family Corner. Mit im Gepäck: Gratis-Exemplare von „Verrückte Kindheit“, einem Büchlein für Jugendliche mit vielen Antworten. „Und das Wichtigste: worin sehr hervorgehoben wird, dass die Kinder nicht schuld an der Erkrankung der Eltern sind.“

Infos:

hpe-burgenland@hpe.at

Tel.: 0664/40 32 076

www.hpe.at

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