Pflege: „Wir brauchen dringend stabile Rahmenbedingungen“
Die gemeinnützigen Trägerorganisationen über die Herausforderungen und welche Rahmenbedingungen sich künftig ändern müssen, um das Thema Pflege auf sichere Beine für die Zukunft zu stellen.
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Früher oder später betrifft es uns alle – und aufgrund der demografischen Entwicklung und der steigenden Lebenserwartung wird das Thema ein immer wichtigeres: die Pflege. Vor allem hinsichtlich des bereits jetzt schon seit einigen Jahren herrschenden Pflegekräftemangels. Wir sprechen mit den Geschäftsführern von zwei gemeinnützigen Trägerorganisationen, die von ihren Erfahrungen in der Hauskranken-, Kurz- und Langzeitpflege sprechen: Nikolaus Scharmer (Hilfswerk Burgenland) und Franz Drescher (Pflegezentren Drescher & ARGE Pflege).
Die Entlohnung im mobilen und stationären Pflegebereich ist unterschiedlich, das sorgt für Unmut. Was genau bedeutet das und welche Konsequenzen hat das für die mobile Hauskrankenpflege?
Nikolaus Scharmer: Aktuell sehen wir die Tendenz, dass Pflegekräfte von der mobilen Hauskrankenpflege in den stationären Bereich, also in Pflegeheime, wechseln wollen, weil sie dort den burgenländischen Mindestlohn erhalten. Mit Anfang 2025 sind die Träger der stationären Pflege sogar dazu verpflichtet, allen Mitarbeitenden – egal welche Ausbildung sie haben – den burgenländischen Mindestlohn von monatlich rund 3.212,70 Euro brutto für Vollzeit zu zahlen.
Das Land deckt diese Mehrkosten ab. Wir als Hilfswerk Burgenland – und vermutlich auch die anderen Träger – können in der mobilen Hauskrankenpflege den burgenländischen Mindestlohn nicht einführen, weil wir sonst nicht kostendeckend wirtschaften könnten. Der dadurch entstehende Unmut der Pfleger*innen in der mobilen Hauskrankenpflege ist nachvollziehbar.
Ohne Stabilität lassen wir die Mitarbeitenden im Ungewissen.
Nikolaus Scharmer
Welche Rahmenbedingungen müssten sich Ihrer Meinung nach ändern, um das Pflegesystem fit für die Zukunft zu machen?
Nikolaus Scharmer: Es braucht Stabilität und Planungssicherheit. Die mittlerweile seit zwei Jahren angekündigten Umstrukturierungsmaßnahmen, also die Einteilung des Landes in Regionen und die Errichtung von Pflegestützpunkten, sind noch nicht umgesetzt und es sind diesbezüglich noch sehr viele Fragen offen.
Die Mitarbeitenden sind im Ungewissen, wie sich künftig ihr Berufsalltag ändert bzw. ob sie weiterhin in der Nähe ihres Wohnortes und beim derzeitigen Arbeitgeber tätig sein können. Das geht bei vielen bis hin zur Existenzangst, denn niemand weiß, welche Träger künftig in welchen Regionen tätig sein können werden.
Franz Drescher: Auch im stationären Bereich sind stabile Rahmenbedingungen notwendig. Derzeit werden beispielsweise die Richtlinien zur Deckung der Personal- und Infrastrukturkosten der Pflegeheime jährlich neu verhandelt. Das gibt uns keine Stabilität und Planungssicherheit für die kommenden Jahre.
Und ein anderes wichtiges Thema für die Zukunft des Pflegeberufes wird sein: Es müssen Anreize geschaffen werden, damit sich eine Stundenerhöhung lohnt. Wir haben junge Mitarbeitende ohne Familie, die Teilzeit arbeiten, weil es – auf den Stundenlohn heruntergebrochen – steuerlich gesehen vorteilhafter ist. Doch je weniger Stunden die Einzelnen leisten, umso mehr ist das Team als Ganzes belastet. Es müssen Anreize geschaffen werden, damit es sich wieder auszahlt, mehr Stunden arbeiten zu wollen, denn nur so kann das gesamte Team entlastet werden und bei weniger Belastung kann der Beruf auch mit mehr Freude und Motivation ausgeübt werden.
Es müssen Anreize geschaffen werden, damit sich Vollzeit-Arbeit lohnt.
Franz Drescher
Was muss sich in Bezug auf die Ausbildung und das Image des Pflegeberufs ändern?
Franz Drescher: Statt die Förderungen für Ausbildungen während der Arbeitszeit zu kürzen, was ab Mitte November gemacht wird, müsste die Ausbildungsoffensive verstärkt werden. Es müssen Menschen, die sich berufsbegleitend weiterentwickeln wollen – auch innerhalb des Unternehmens, wie es bei uns zum Beispiel der Fall ist – in ihrem Vorhaben unterstützt werden und es ihnen nicht durch Kürzungen der Förderungen schwerer gemacht werden. Ebenso gilt das für die Rahmenbedingungen der bereits pensionierten Personen, die geringfügig arbeiten wollen.
Weiters muss eine Attraktivierung des Pflegeberufs stattfinden. Ja, es ist ein anstrengender Beruf, aber er gibt viel zurück. Es ist ein sicherer Beruf, wohnortnahe. Wir brauchen eine Pflegereform, die diesen Namen auch verdient, um den Beruf attraktiver zu machen.
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