Scheidung – wenn es nicht mehr passt …
Wegen der Kinder doch zusammenbleiben; die eigenen Bedürfnisse hinanstellen; mit zu wenig Informationen in eine Scheidung hineingehen – diese und andere Fehler können für Frauen fatal sein. Bei den Frauenberatungsstellen wird dem entgegengewirkt.
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Offizielle Zahlen von 2023 gibt es noch nicht, aber im Jahr 2022 heirateten laut Statistik Austria insgesamt 47.482 Paare (damit wurde das Niveau der Vor-Corona-Zeit 2019 erstmals übertroffen). Der Zuwachs an Eheschließungen von 2021 auf 2022 ist im Burgenland am zweithöchsten in ganz Österreich (+ 17,9 %, nur Kärnten hat mehr Zuwachs mit + 21,6 %).
Bei den Eheschließungen im Jahr 2022 war es in 71,1 % der Fälle im Österreich-Durchschnitt für beide Partner die erste Ehe.
Im selben Jahr ließen sich 13.997 Paare in Österreich scheiden, diese Zahl ist gesunken, jedoch nicht im Burgenland (hier ist sie um 1,6 % gestiegen). Bei der Gesamtscheidungsrate liegt Burgenland am zweiten Platz (37,2 % aller Ehen) im Ländervergleich hinter Wien (37,3 %).
Im Burgenland wird also sowohl „gerne“ geheiratet als auch geschieden. Beim Verein Der Lichtblick haben es die Verantwortlichen täglich mit Frauen zu tun, die sich in Not- oder Krisensituationen wie Scheidungen, Trennungen etc. befinden. Die Geschäftsführerin Karin Behringer-Pfann fängt Frauen auf, ist auf Krisensituationen spezialisiert, kämpft für Gleichberechtigung und ist zudem Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin.
Frauen werden immer noch dafür verantwortlich
Karin Behringer-Pfann, GF Der Lichtblick
gemacht, dass eine Ehe/Beziehung funktioniert.
Wenn Frauen über Trennung/Scheidung nachdenken: Was sind Ihrer Erfahrung nach ihre häufigsten Bedenken?
Karin Behringer-Pfann: Die größte Sorge ist meist auf die Kinder bezogen. Wie werden sie es aufnehmen, wie wird es für sie sein? Danach folgen sogleich Existenzfragen. Wie geht sich das finanziell aus? Oder die Belastung als Alleinerziehende. Wie kriege ich alles unter einen Hut, ohne dass die Kinder leiden oder ich auf der Strecke bleibe? Oft sind es auch soziale Aspekte. Was werden die Leute sagen? Gerade im ländlichen Bereich machen sich Frauen darüber häufig Gedanken, wenn auch weniger als früher, weil Scheidungen heute bereits ja viel mehr Menschen betreffen.
Eine ganz andere Situation ergibt sich, wenn Gewalt im Spiel ist. Bei Gewaltbeziehungen ist die Zeit der Trennung die gefährlichste, wenn Frauen aus Beziehungen raus möchten. Da passieren Femizide etc., weil für die Männer alte Muster, die vorher gegriffen haben, nicht mehr greifen. Ein Sicherheitsplan ist in solchen Fällen ganz wichtig. Die Sicherheit von Frauen und Kindern hat für uns oberste Priorität.
Auch wenn es heute mehr Scheidungen gibt als vor 40 Jahren – warum ist das Thema immer noch so stigmatisiert?
Weil wir immer noch in patriarchalen Strukturen leben. Die Frauen werden dafür verantwortlich gemacht, dass eine Ehe/Beziehung funktioniert. Dadurch kommen viele Schuldgefühle: Was habe ich falsch gemacht, was hätte ich besser machen können? Wir haben immer noch im Kopf, dass die Standardfamilie aus Mama, Papa, Kinder unter einem Dach besteht. Aber das entspricht nicht mehr der Lebensrealität.
Kinder von geschiedenen Eltern wünschen sich ihr Leben lang, dass ihre Eltern wieder ein Paar werden. Stimmt das aus Ihrer Sicht?
Natürlich wünschen sich viele Kinder, dass die Beziehung zwischen Mutter und Vater funktioniert. Aber viele Kinder profitieren auch davon, wenn Beziehungen beendet sind, in denen es für die Beteiligten nicht mehr angenehm war. Wenn Eltern es schaffen, den Partnerschaftskonflikt auf eine andere Ebene zu heben und als Eltern zu funktionieren, dann ist es für die Kinder leichter. Oft bringen sich Väter in das Leben der Kinder mehr ein als vor der Scheidung, verbringen mehr und bewusster Zeit mit ihnen.
Wichtig für die Kinder ist, ihnen zu vermitteln, dass die Eltern ein Team sind, sie lieben und sich um sich kümmern. In der Praxis bleibt die Hauptlast jedoch leider trotzdem bei der Frau, auch bei geteilter Obsorge – denn Frauen haben oft ihr ganzes Leben darauf ausgerichtet, sich um die Kinder zu kümmern. Care-Arbeit und Mental Load sind immer noch weiblich. Das hat sich während der Pandemie deutlich gezeigt. Auch Männer waren im Homeoffice, aber die Frauen haben versucht, die Kinder und den Haushalt in Schach zu halten, und abends oder nachts dann die Homeoffice-Tätigkeiten nachgeholt.
Welche sind die häufigsten Fehler von Frauen bei einer Scheidung/Trennung?
Dass sie zu wenig Informationen haben. Es kursieren Mythen, die sich hartnäckig halten. Wie zum Beispiel: Mir gehört ja nichts, ich war ja nur bei den Kindern daheim. Oder: Ich habe nicht so viel in die Ehe eingebracht, er hat das Geld verdient, alles ist auf ihn geschrieben. Frauen müssen sich da gut informieren! Eine Rechtsberatung ist daher unumgänglich – und bei uns kostenlos, wie in allen Frauenberatungsstellen. Durchgeführt wird sie bei uns von unserer Obfrau und Rechtsanwältin Beate Simon.
Eine andere Sache ist der psychische Terror. Viele Frauen hören jahrelang: Du bist mit nichts gekommen und wenn du gehst, dann hast du nichts. Wenn sie das immer wieder hören, glauben sie es irgendwann. Ein weiterer Fehler ist, zu sagen, ich lasse mich nicht scheiden wegen der Kinder. Doch irgendwann sind die Kinder groß und weg – und mit ihnen ein beträchtlicher Anteil der eigenen Lebensjahre. Frauen neigen dazu, die eigenen Bedürfnisse hintanzustellen und nicht auf sich selbst zu schauen.
Info
Der Verein Der Lichtblick wurde im Jahr 1993 gegründet mit dem Ziel, Frauen und Mädchen in schwierigen Lebenssituationen zu unterstützen sowie allen Formen von Gewalt gegen Frauen entgegenzutreten. 1998 wurde das Angebot der Frauenberatungsstelle erweitert. Seit 2019 ist Der Lichtblick auch die erste Anlaufstelle für Fachberatung zu sexueller Gewalt gegen Frauen und Mädchen im Burgenland.
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