Theodora Bauer mit ihrem neuen Buch "Glühen"

Theodora Bauer – Spießumdreherin

Nach zwei erfolgreichen Romanen schreibt Theodora Bauer am dritten. „Glühen“ drängte sich dazwischen.

7 Min.

Theodora Bauer © Vanessa Hartmann

Spoilern wir, was gespoilert werden muss (damit sich niemand unnötig mit der Frage aufhält): Theodora Bauer ist nicht die Frau am Cover ihres Romans „Glühen“ und nicht die junge Frau im Buch.

Die Autorin steckt aber zu 100 Prozent drinnen: ihre scharfsinnige Beobachtungsgabe, ihr Talent, Spannung durch das Beschreiben eines „Innenlebens“ aufzubauen, ihre pointierten und poetischen Sprachbilder. (Sehr schön beispielsweise: „Er hat den Sex genauso wenig verstanden wie eine Fliege das Fensterglas.“)
Die Protagonistin flüchtet aufs Land, doch es ist diesmal das Abenteuer einer Städterin; dafür schlägt Theodora Bauer nach ihren beiden ersten Romanen „Das Fell der Tante Meri“ und „Chikago“ auch sprachlich ein neues Kapitel auf.

Eine Beobachtung sei außerdem vorausgeschickt: „Glühen“ kann entweder verschlungen werden, weil es schnell hungrig macht, oder aber es wird mit Muße zelebriert, um das zwischen den Zeilen nicht zu verpassen.
Eigentlich war Theodora Bauer intensiv mit ihrem geplanten dritten Roman mit historischen Bezügen (er wird noch kommen) beschäftigt, als „Glühen“ in ihr entflammte: die Geschichte einer Akademikerin, die die Ruhe im Wald sucht, dort viel Trockenheit findet und am Berg einen Mann, den sie nicht recht einzuordnen weiß. Die in Großhöflein aufgewachsene Autorin schrieb sich mit dem Roman gewissermaßen das Apokalyptische heraus: Entstanden ist die Idee nämlich während einer Uni-Lehrtätigkeit in den USA, die Pandemie zwang sie dort zum Rückzug.

Wer sagt über
einen Mann im
Anzug „blonde Schönheit“?

Theodora Bauer, Autorin

Hast du das Isoliertsein noch intensiver wahrgenommen, weil du nicht zu Hause warst?

Theodora Bauer: Ich fühlte mich doppelt isoliert. Zu Hause wären in der Nähe Menschen gewesen, die ich kenne. Es war auch sonst keine gute Zeit, der Russland-Krieg war ausgebrochen, in der Gesellschaft begann eine unglaubliche Lagerbildung. Die große Einsamkeit, die einem auch nach Corona nachgehangen ist, hat mich zum Schreiben veranlasst. Ich merke erst in den letzten Monaten, wie langsam sich das auflöst. Die Melancholie begleitete uns drei Sommer hindurch.

Theodora, Aktueller geht es kaum: Du erzählst über eine kluge junge Frau, die die Klimakatastrophe beschäftigt, die sich über das Patriarchat ärgert …

Der Feminismus ist schon lange mein Thema, diesmal ist es vielleicht expliziter Teil des Buches. Ich wollte schon lange den Begriff „Male Gaze“ aufgreifen, also wie Frauen angeschaut werden. Er ist fast wie ein Code, den wir überall um uns herum sehen. Ich würde sagen, jede künstlerisch tätige Frau, die halbwegs begabt ist, kann mit ein paar Strichen reproduzieren, wie ein Mann eine Frau beschreiben würde. Es gibt ein visuelles Inventar, wie eine Frau als sexy dargestellt wird, und zwar unabhängig davon, was eine einzelne Person sexy findet. Das gibt es bei Männern in der Form nicht. Es gibt ein paar fast absurde Karikaturen, aber nichts, worauf man sich einigen könnte. Ich habe also versucht, einen „Female Gaze“ zu schaffen: Wie sieht es aus, wenn die Frau den Mann zum Sexualobjekt macht? Wie könnte sich dieser Blick anfühlen und ästhetisch wie gestaltet werden?

Theodora Bauer
© Vanessa Hartmann

Deine Protagonistin Lima analysiert mehrfach Frauen, Körper und Sexualität. Losgelöst vom Buch: Wo stehen wir?

Wir sind weiter als jemals zuvor, aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns. Das gilt auch für MeToo. Es ärgert mich, wenn ich von Männern höre, sie dürften nichts mehr machen, nichts mehr sagen. Erstens: Es macht andauernd irgendwer irgendetwas. Zweitens: Wenn wer etwas macht, gibt es nach wie vor oft keine Konsequenzen. Und drittens: Es sind die meisten noch immer nicht daran gewöhnt, dass sie eventuell doch mit Konsequenzen für ihr Verhalten rechnen müssen. Was heißt: „Man darf nichts machen“? Man muss Rücksicht walten lassen, in jeder Lebenslage.

Ein anderer Aspekt: Seit Jahrhunderten existiert Sexualität für Männer neben allem; es kratzt nicht an ihrem Ruf, außer sie werden als gewalttätig oder pädophil entlarvt. Wenn Männer keinen Sex haben, sind sie asketisch und „under control“, wenn sie viel Sex haben, sind sie tolle Don Juans. Aber es fällt nie auf sie zurück. Es existiert neben ihnen, wie das, was sie heute morgen gefrühstückt haben. Bei Frauen ist es bis heute automatisch ein riesiger Teil ihres Wesens, das gilt schon beim ersten Eindruck. Wie wird eine Frau oft in einem Artikel eingeführt und beschrieben? Da steht dann zum Beispiel: „Die blonde Schönheit tritt die Stufen herab und schüttelt mir die Hand.“ Wer würde über eine Begegnung mit einem Herrn in Anzug schreiben: „Die blonde Schönheit kommt mir entgegen“?

Theodora Bauer mit ihrem neuen Buch "Glühen"
© Vanessa Hartmann

Das Umdrehen funktioniert meistens sehr gut.

Genau, da entsteht Lächerlichkeit. Jeder Mensch will gut ausschauen und etwas darstellen, trotzdem steht der Körper immer bei der Frau im Vordergrund. Sollen wir uns in Sack und Asche kleiden? Das geht nach hinten los. Wir sind am richtigen Weg, aber es dauert noch, bis wir erreichen, dass die äußere Erscheinung der Frau nicht der Kern einer Begegnung ist.

Es wachsen gerade junge Frauen auf, die nach wie vor auf patriarchale Strukturen stoßen, aber die bewusster dagegen arbeiten. Viele haben heute mehr Selbstvertrauen und viel Verständnis für feministische Themen, aber sie stehen auch vor noch größeren Herausforderungen, weil so viele Dinge in der Welt schieflaufen.

Die Welt existiert zum größten Teil außerhalb von mir. Damit möchte ich mich befassen.

Theodora Bauer, Autorin


„Wie schmeckte wohl die Welt, wenn man die kuratierten Schichten abgetragen hatte?“ – Eine sehr spannende Frage im Buch. Magst du dazu etwas verraten?

Das ist eine Anspielung auf die Faust-Geschichte, die eigentlich eine sehr männliche ist. Ich glaube, diese intensive Sinnsuche nach dem Kern der Welt ist etwas sehr Menschliches, aber sie wurde immer nur den Männern zugestanden. Meine Protagonistin ist ein weiblicher Faust. Der Grund, warum Lima Sex hat, ist, weil sie etwas über die Welt erfahren will. Das tut sie zwar, aber es bleibt nicht bei einem nüchternen Selbstexperiment. Weil wir doch auch immer als Mensch, als emotionales Wesen handeln.

Du startest mit „Glühen“ deine Lese­tour – mit welchen Gefühlen?

Ich freue mich sehr darauf! Ich habe die letzten Jahre viele tolle Projekte gemacht, ich habe für Servus TV die Sendung literaTOUR moderiert und somit einen zusätzlichen Job gelernt; ich habe das genossen, aber jetzt hat es mich schon sehr gejuckt, dass ich wieder als Schriftstellerin in Erscheinung trete und das Gschaftl mache, mit dem ich angetreten bin (lacht). Das letzte Buch liegt schon einige Jahre zurück, ich habe große Lust auf das Lesen und den Austausch und bin freudig gespannt, wie die Menschen das Buch wahrnehmen, ob es ankommt, ob es missverstanden wird, ob es einen Nerv trifft.

Was wäre ein Missverständnis?

Wenn die Menschen glauben, ich hätte darin ein persönliches Abenteuer mit einem Unbekannten auf dem Berg verarbeitet (lacht). Darüber habe ich mit Kolleginnen kürzlich viel beim Festival „achensee.literatour“, das ich moderieren durfte, gesprochen: Meine These ist, dass Frauen sehr viel häufiger mit dem identifiziert werden, was sie schreiben. In den USA gibt es gerade eine strange Entwicklung: Manche meinen, du solltest nur noch darüber schreiben, was dich wirklich selber betrifft. Das würde vieles langweilig machen, das wäre sehr traurig. Die Welt existiert zum allergrößten Teil außerhalb von mir und damit will ich mich auch befassen.


Lesungen im Burgenland:

4. Juni, Literaturhaus Mattersburg; 11. Juni, Kulturlaube Sigleß.

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MEHR ÜBER DIE AUTORIN DIESES BEITRAGS:

Viktoria Kery-Erdelyi BURGENLÄNDERIN
© Vanessa Hartmann


Viktória Kery-Erdélyi
ist Redakteurin bei der Burgenländerin, hört und schreibt sehr gerne Lebensgeschichten von Jung und Alt, bemüht sich, Menschen, die sich gegen Ungerechtigkeiten engagieren und die Welt zu einer besseren machen wollen, eine Stimme zu geben. Sie studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft und ist zweifache Mama.

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